Herr Forster, Resulting – was ist darunter genau zu verstehen?
Da muss ich kurz ausholen. Vor einigen Jahren durfte ich den Turnaround und die Privatisierung der Stadtküche Zürich zur heutigen menuandmore AG begleiten. Die Analysen von externen Beratern gaben oft nur die neu und perfekt formulierten Aussagen der internen Meetings wieder. Es fehlten innovative Inputs oder konkrete Vorschläge. Wesentliche Verbesserungen kamen allesamt nur durch den internen Austausch zustande. Darum sage ich meinen Kunden klar, welche Resultate Sie von mir erwarten dürfen – daher Resulting.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie die Aufgabe zu einer Reorganisation erhalten?
Vielfach wird eine Reorganisation mit Personalabbau in Verbindung gebracht. Hier gilt es im Vorfeld transparent aufzuzeigen, warum der Auftrag erteilt wurde und dass keine Kündigungsgefahr für motivierte Mitarbeitende besteht. Spannend ist, in der rund sieben Tage dauernden Erstanalyse alle IST-Prozesse mit der jeweiligen Ressourcenbindung kennenzulernen. Die daraus abgeleiteten Wertschöpfungspotenziale zusammen mit den jeweiligen Investitionsvolumen bilden dann den Inhalt des Empfehlungspapiers für das weitere Vorgehen.
Welche Resultate erzielen Sie und wie hoch ist der Aufwand für den Auftraggeber?
Beginnend mit der Erstanalyse müssen für mich 7500 Franken budgetiert werden. Das aus meiner Arbeit resultierende Empfehlungspapier zeigt dann auf, in welchen Bereichen die wichtigsten Wertschöpfungspotenziale liegen, wie diese abgeschöpft werden können und welche Investitionen dafür getätigt werden müssen. Je nach Betriebsgrösse wurden bis heute Potenziale zwischen 55 000 und 450 000 Franken bei Investitionssummen zwischen 10 000 und 800 000 Franken identifiziert.
Woher stammt Ihr Know-how, in relativ kurzer Zeit Potenziale zu identifizieren?
Ganz wichtig sind die Neugier und das Interesse an neuesten Technologien, nicht nur im Bereich Verpflegung. Durch meine Arbeiten in verschiedenen Innovationsprojekten lerne ich stetig neue Möglichkeiten kennen. Neben der gastronomischen Ausbildung ist der «365 Grad + 10 Prozent–Blickwinkel» und die entsprechende Offenheit wichtig. Es darf ruhig knacken beim Denken.
Erleben wir immer mehr eine Industrialisierung der Küche?
Ich möchte dies eher eine Optimierung mit industrialisiertem Gedankengut nennen. Nehmen wir ein Beispiel aus der Praxis. Eine Küche hat einen Output von 120
Pouletbrüsten für einen beliebigen Menütag. Nun sollen zukünftig mehrere Häuser aus dieser Küche – neu als Prozessküche definiert – beliefert werden. Der Produktionsoutput steigt auf 600 Einheiten, welche durchgegart – mit braun gefärbter Oberfläche oder besser noch mit Grillstreifen – in die Kompetenzküchen ausgeliefert werden sollen. Es stellen sich folgende Fragen:
- Soll man frisch einkaufen und in den vorhandenen Kippern anbraten? Mit freundlichen Grüssen an die Bandscheiben.
- Bestellt man fertig durchgegart, kalibriert mit Grillmuster? Mit Empfehlung an den Deckungsbeitrag pro Einheit oder Investiert man in einen Durchlaufbräter, der es auch weniger qualifizierten Mitarbeitenden erlaubt, konstant gleichbleibende Qualität ohne bleibende Schäden zu produzieren?
Aber wo bleibt die Individualität und Kreativität der Köche?
Wer sich täglich künstlerisch verwirklichen möchte, muss dies bei Arbeitgebern tun, welche attraktive und erfolgreiche Restaurants führen. In einer Prozessund
Kompetenzküche ist diese Verwirklichung nur in der Entwicklungsphase der Menüpläne gegeben. Hat das Haus ein Restaurant für externe Gäste und bietet Caterings an, dann kann man dort die Kreativität ausleben. Sind die Angebote rezeptiert, gibt es keine Möglichkeit mehr, seiner individuellen Tagesform entsprechend zu kochen. Rezeptverbindlichkeit ist der Schlüssel einer erfolgreichen Produktion und kann durch den Einsatz von Software über alle Prozessbereiche perfekt gesteuert werden.
Das klingt sehr technisch. Bedeutet das, dass diejenigen, die eine Frischküche anbieten möchten, Sie besser nicht ins Haus holen?
Kann ein Haus es sich leisten, für beispielsweise 400 Personen am Morgen alles frisch für den Mittag und am Nachmittag alles für den Abend zu produzieren, ohne dabei sämtliche Kostenrahmen zu sprengen? Dann muss man mich nicht holen, dann gehe ich dort sofort freiwillig hin, um zu essen und dabei die Zauberformel ausfindig zu machen. Gerade weil sich Küchen über die Frischküche differenzieren möchten, müssen sämtliche Prozesse exakt definiert sein. Und ich persönlich halte einen externen Convenience-Anteil von 20 Prozent im Rahmen einer Frischküche für absolut legitim. Der interne Eigenconvenience-Anteil darf bei 50 – 60 Prozent liegen und der «Ultrafrischanteil», den der Gast zu spüren bekommt, muss mindestens 20 Prozent betragen.
Gibt es ein Projekt, das Ihnen schon einmal so richtig schief gelaufen ist?
Jein. Wird nach der Phase 1 eine Detailanalyse in Auftrag gegeben, dann wird in dieser Phase immer eine Pilotphase mit eingeplant. Diese zweite Phase kann je nach Grösse der Institution bis zu 60 Tage dauern. In dieser Zeit werden die wichtigsten Prozessänderungen durchgespielt und bewertet. Hier kam es einmal in einem Landesspital tatsächlich dazu, dass die Pilotphase abgebrochen und eine Neukonzeptionierung notwendig wurde.
Was war das Problem, und konnten Sie das Projekt retten?
Das Problem war, dass die Speiseausgabe für die Patienten falsch konzipiert wurde. Wir wollten – damals ganz modern – via wireless Tablettbestellung mit Direktübertragung zum mobilen Speiseausgabewagen den aktuellen Wunsch des Patienten abarbeiten. Dieser stand mit den heissen Komponenten und der gesamten Service-Infrastruktur in einer speziellen Nische im Gang der Station. Nach dem Bestelleingang (am Bildschirm ersichtlich) wurde das gewünschte Menü angerichtet und der Service konnte innert 6 – 8 Minuten die Bestellung servieren. Es stellte sich aber sehr rasch heraus, dass, neben der unzuverlässigen Übertragung, der gesamte Serviceprozess zu viele Ressourcen über zu lange Zeit bindet. Nach der Neukonzeptionierung konnten mit dem ursprünglich budgetierten Mitarbeiterbestand sämtliche Verpflegungsprozesse wesentlich speditiver abgearbeitet werden. Dies dank eines Konzeptes mit Prozess- und Kompetenzküche auf den Stationen.
Welches sind die grössten Herausforderungen bei Ihren Projekten?
Grundsätzlich ist es die Einstellung vieler Mitarbeitenden gegenüber Änderungen. Das Verlassen der Komfortzone fällt vielen enorm schwer. Ein anderer Punkt ist bei einigen Kunden eine geringe Wertschätzung gegenüber der Gastronomie. Dies hat sich jedoch in den letzten drei bis vier Jahren merklich verbessert. Wesentlich für den Erfolg ist die absolute Transparenz bezüglich der Ist-Situation und das Aufzeigen der klar begründeten Soll–Situation.
Welche Trends sehen Sie in der Care-Gastronomie?
Basierend auf den Aufträgen der letzten vier Jahre heisst die Antwort ganz klar Automatisierung. Fragt man heute nach dem teuersten Küchengerät, wird diese Frage nicht zu Unrecht mit «der Kochlöffel » beantwortet. Die neuen Gerätegenerationen leisten bereits sehr viel Produktionsarbeit – wenn man sie lässt. Das zweistufige Präzisionskochen mit der klaren Aufgabenteilung an die Prozess- und Kompetenzküchen wird sich Schritt für Schritt durchsetzen. Immer wichtiger werden zudem «Make or buy» - Analysen. Im Haus werden dann nur die Produkte produziert, welche vom Gast als Kochkompetenz wahrgenommen werden. Viele Verteilprozesse wie
beispielsweise das Anrichten am Band werden via Robotik automatisiert. Die Vorbestellprozesse – ausser bei Sonderkostformen – werden minimiert oder abgeschafft,
da das «Essen nach dem Lustprinzip» von den zukünftigen Gästegenerationen gefordert wird.
Was muss in der Ausbildung passieren, damit Effizienz und Qualität steigen?
Ich wünsche mir einen Lehrgang fürs Prozesskochen, so wie dies heute für die Diätküche angeboten wird. Bei einigen meiner Kunden konnten wir bereits diverse
Sequenzen unserer Prozesskochschulung mit Erfolg testen. Und generell sollte der Respekt vor neuen Techniken der Begeisterung für Produktionserleichterungen
weichen. Das muss bereits in der Ausbildung geschult werden.
Welchen Rat geben Sie Küchenchefs von Spitälern und Heimen?
Immer neugierig bleiben und den Mut zum Ausprobieren nicht verlieren. Es heisst ja innovating nicht innowaiting.
Und welchen Rat geben Sie den Geschäftsleitungen?
CEOs sollten sich einen differenzierten «Expertenblick» auf die ihnen vorgelegten Investitionen aus der Küche gönnen und sich nicht alles «verkaufen» lassen. Meist ist weniger mehr!
Es heisst ja innovating - nicht innowaiting.
Frank Forster ist gelernter Hotelkaufmann und Absolvent der Hotelfachschule Villach. Er durchlief umfangreiche Aus- und Weiterbildungen im Bereich Prozessmanagement, seine Spezialgebiete sind Verpflegungsprozessanalyse, Change Management und Resulting. Er hat bereits über 20 erfolgreiche Reorganisationen betreut. Wichtige Lernfelder für seine Arbeit waren u. a. die Konzeption und Entwicklung von Restaurants für die Remimag Gastronomie, der Aufbau der Kinderfreundlichkeit» für die Migros Gastronomie begleitet von der Entwicklung und Gestaltung der Lilibiggs-Figuren, Begleitung der Privatisierung der ehemaligen Stadtküche Zürich zur heutigen menuandmore ag.