«Totgesagte leben länger», sagten die alten Römer. Das gilt offensichtlich auch heute noch in der Politik. Obwohl das Parlament im indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative explizit keine Kostenziele auf Siloebene und im Kostendämpfungspaket 2 keinen neuen Leistungserbringer wollte, haben Bundesrat und Verwaltung diesen beiden politischen Leichen wieder Leben eingehaucht. Selbstverständlich kann man auf jeden Entscheid zurückkommen. Aber gut begründete Parlamentsentscheide quasi innert Jahresfrist zu ignorieren, ist schon etwas dreist. Damit könnte sich Bundesrätin Baume-Schneider Vertrauen verspielen, das sie sich nach dem Rückrtitt von Alain Berset mit einem offenen Dialog aufgebaut hat.
Kostenziele auf Siloebene behindern die koordinierte Versorgung
Im indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative hat das Parlament zu viel Redundantes und Widersprüchliches ins KVG geschrieben. Ein Beispiel sind die Kostenziele im Art. 54, obwohl noch nicht absehbar ist, wie sich das Kostenmonitoring gemäss Art. 47c auswirkt. Anstatt in der Vernehmlassung der Umsetzungsvorschläge auf Verordnungsstufe das Kostenmonitoring und die Kostenziele schlank und unbürokratisch aufeinander abzustimmen, wird die eh schon komplizierte Ausgangslage mit den Kostenzielen pro Kanton mit weiteren Zielen pro Leistungserbringer (Silo) noch komplizierter, obwohl das Parlament genau das nicht wollte.
Bundesrat und BAG ignorieren nicht nur den Willen des Parlaments, sie schaffen einen Widerspruch zwischen Kostenzielen und der koordinierten Versorgung. Mit einer guten koordinierten Versorgung kann es sein, dass zum Beispiel mit einer etwas teureren Grundversorgung von chronisch Kranken Spitalaufenthalte verhindert werden können. Rigide Kostenziele für die Hausarztpraxen verhindern diese positive Wirkung für die chronisch Kranken, aber auch für die Prämien- und Steuerzahlenden.
Koordination ohne Gesamtverantwortung ist kontraproduktiv
Ein neuer Leistungserbringer für die Koordination ist die zweite politische Leiche, die das BAG wieder zum Leben erwecken will, obwohl der Widerstand von fast allen Akteuren in der Vernehmlassung des Kostendämpfungspaket 2 an drei runden Tischen und schliesslich im Parlament massiv und gut begründet war. Im Rahmen der Gespräche über die «Agenda Grundversorgung » ist der eben vom Parlament beerdigte neue Leistungserbringer für die Koordination der versicherten medizinischen Leistungen auf wundersame Weise wieder auferstanden. Und wieder muss er mit denselben guten Argumenten palliativ gepflegt werden. Ein zusätzlicher Leistungserbringer, der ohne Kosten- und Qualitätsverantwortung und ohne Mandat von den anderen Leistungserbringern koordinieren will, verursacht unabhängig vom Koordinationsresultat Mehrkosten, weil er wie alle anderen Leistungserbringer seine Leistungen abrechnen darf.
Wer die versicherten medizinischen Leistungen und die nicht versicherten sozialen Leistungen koordiniert, muss eine Verantwortung für die Kosten und für die Qualität haben. Und diese Verantwortung und Vergütung müssen im Rahmen eines alternativen Versicherungsmodells mit dem Krankenversicherer vertraglich geregelt werden, denn der Krankenversicherer will in der Grundversicherung mit der Koordination die Effizienz sowie die Qualität stärken und damit Kosten sparen. Dass Leistungserbringer und Krankenversicherer die Koordination als Mehrleistung im Bereich der Zusatzversicherungen noch nicht entdeckt haben, ist mir schleierhaft. Die Zahlungsbereitschaft der Versicherten ist vorhanden, denn die Versicherer decken nur rund 20 Prozent der ausserhalb der Grundversicherung erbrachten Gesundheitsleistungen ab.