Sie sind jetzt zwei Jahre an der Spitze des USZ. Was haben Sie in dieser Zeit erreicht?
Noch immer bin ich beeindruckt, mit welcher Ruhe, Konzentration und Präzision unsere Mitarbeitenden jeden Tag ihre teils sehr anspruchsvollen Aufgaben erfüllen. Überrascht haben mich die enorme Energie und das Engagement. Die letzten zwei Jahre waren intensiv und geprägt von grossen Herausforderungen, aber auch bedeutenden Fortschritten – in der Digitalisierung oder bei Bauprojekten. Dank finanzieller Disziplin haben wir das Ergebnis verbessert. Natürlich gibt es auch Themen, bei denen ich mir eine schnellere Entwicklung wünsche – etwa bei strukturellen Veränderungen. Aber mir ist bewusst, dass solche Prozesse Zeit brauchen.
Sie haben vorher viele Jahre bei Novartis gearbeitet, welche Erfahrungen helfen Ihnen in Ihrer aktuellen Rolle am USZ?
Bei Novartis habe ich gelernt, wie wichtig es ist, komplexe Organisationen klar auszurichten und Veränderungen strategisch zu gestalten – mit einem starken Fokus auf Innovation und Kundennutzen. Zentrale Pfeiler einer erfolgreichen Organisationsentwicklung sind immer die Teams und Mitarbeitenden. Ihre Erfahrung muss einfliessen. Das erhöht die Identifikation und beschleunigt die Ausrichtung des Unternehmens auf die heutigen und künftigen Anforderungen. Diese Erfahrungen helfen mir sehr dabei, das USZ zukunftsgerichtet auszurichten.
Wo liegen die Prioritäten in Ihrer aktuellen Arbeit?
Das USZ gehört zu den zehn besten Spitälern der Welt. Mit der Strategie USZ 2030 setzen wir uns zum Ziel, weiterhin zu den besten Spitälern zu zählen. Im Zentrum steht für uns die strategische Weiterentwicklung des USZ als universitäres Zentrumsspital: Exzellenz in Medizin, Forschung und Ausbildung. Das umfasst unter anderem die Digitalisierung, Prozessoptimierungen, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Personalbindung und finanzielle Stabilisierung. Gleichzeitig arbeiten wir intensiv daran, unsere Führungs- und Unternehmenskultur zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Welche digitalen Initiativen hat das USZ zuletzt angestossen und umgesetzt?
Beim Klinikinformationssystem (KIS) laufen aktuell intensive Vorbereitungen zur Erneuerung. Dafür dient uns beispielsweise die von Mitarbeitenden entwickelte Vision des «durchgehenden Patientenpfades». Das heisst: Vom Termin bis zum Austritt sollen die Patienten und USZ-Fachleute optimalen Informationszugang erhalten. Allgemein nutzen wir die Digitalisierung, um die Zukunft der Medizin zu gestalten. Dabei müssen wir uns stets fragen, was uns tatsächlich weiterbringt und wie wir unsere Prozesse auf eine bestimmte Technik anpassen können.
Können Sie uns ein aktuelles Beispiel nennen?
Klar, beispielsweise das Echtzeit-Tool zur Planung der Bettenauslastung. Dieses erkennt frühzeitig, wo es Engpässe gibt, und ermöglicht es den Mitarbeitenden, die Ressourcen besser zu planen und die Kapazitäten optimal zu nutzen. Eine weitere wegweisende Initiative ist die Einführung der automatisierten Dienstplanung. Dadurch werden sich die Schichteinsätze einfacher und gezielter planen lassen und wir können auf Unvorhergesehenes schneller reagieren. Fällt jemand kurzfristig aus, lässt sich rascher ein Ersatz finden. So können wir unseren Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben leisten – und somit die Effizienz und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden weiter steigern.
Welchen Stellenwert hat das Thema künstliche Intelligenz bereits?
Wir nutzen KI, sofern die Daten sicher und anonymisiert verwendet werden können und der Persönlichkeitsschutz sichergestellt ist. Sie kommt sowohl im Kontext der medizinischen Behandlung als auch im Spitalbetrieb zum Einsatz.
In der Radiologie kann KI beispielsweise riesige Bilddatenmengen verarbeiten und dabei helfen, wichtige Informationen schneller herauszufiltern.
Wie ist der Stand bei Ihren Bauprojekten?
Mit dem Neubau Campus Mitte 1|2 bauen wir das Spital der Zukunft. Etappenweise entsteht ein modernes und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnittenes Universitätsspital. Dies ist ein zentrales Projekt für unsere künftige
Infrastruktur und unsere medizinische Exzellenz. Geplant sind neben 300 Betten und 23 Operationssälen unter anderem ein Notfallzentrum und eine moderne Radiologie. Wir sind zuversichtlich, dass wir die Verzögerung durch eine Beschwerde bei der Vergabe der Baumeisterarbeiten kompensieren und damit den Zeitplan einhalten können. Gleichzeitig werden weitere, denkmalgeschützte Gebäude gesamterneuert und renoviert. Auch hier sind wir gut im Zeit- und Kostenplan.
Sie haben kürzlich mithilfe des Kantons günstige Kredite aufgenommen. Hätten Sie die Unterstützung des Kantons eventuell früher in Anspruch nehmen sollen?
Wir sind dankbar, dass der Zürcher Regierungsrat die Fremdkapitalaufnahme durch den Kanton beantragt hat. Diese Finanzierung sichert den Neubau Campus Mitte 1|2 zu deutlich besseren Konditionen und führt dadurch zu einer gesamthaften Zinsersparnis von voraussichtlich rund 51 Millionen Franken über die Laufzeit der Finanzierung von 2026 bis 2040. Natürlich kann man sich rückblickend immer fragen, ob ein anderes Vorgehen besser gewesen wäre. Entscheidend ist für uns, dass wir nun gemeinsam mit dem Kanton tragfähige Lösungen erarbeiten konnten. Diese enge Zusammenarbeit ist zentral
Wie beurteilen Sie die finanzielle Entwicklung des USZ insgesamt?
Wir haben in den letzten zwei Jahren grosse Fortschritte gemacht in der Transparenz, im Controlling und in der Planung und verzeichneten einen deutlichen Verlustrückgang. Die positive Entwicklung zeigt, dass das USZ auf dem richtigen Weg ist und dass die eingeleiteten Massnahmen zu deutlichen Verbesserungen führen. Das alles verdanken wir dem grossen Engagement unserer rund 10 000 Mitarbeitenden.
Welches sind die Hauptgründe für die angespannte finanzielle Situation?
Der Fachkräftemangel, steigende Kosten (insbesondere für Personal und Infrastruktur) ein zunehmender administrativer Aufwand, regulatorische Veränderungen sowie ungenügende Tarife haben dazu geführt, dass Spitäler in den letzten Jahren zunehmend unter Druck gerieten. Zusätzlich müssen unsere veralteten Infrastrukturen, die uns im Zug der Verselbstständigung vom Kanton übertragen wurden, erneuert werden. Wir mussten alleine im vergangenen Jahr 52 Millionen Franken in die Renovation und Sanierung der Bestandsbauten investieren, die zu 40 Prozent unter Denkmalschutz stehen. Durch Effizienzsteigerung, Prozessoptimierungen und Kostenreduktionen ist es dem USZ aber gelungen, einen positiven Trend einzuleiten und den Verlust deutlich zu verringern.
Ist es realistisch, dass das Spital in den nächsten Jahren auch wieder Geld verdient?
Eine nachhaltige Finanzierung des USZ muss unser Anspruch sein. Wir setzen alles daran, dass wir innerhalb der nächsten Jahre wieder in die Gewinnzone kommen. Dafür braucht es realistische Rahmenbedingungen, ein fokussiertes Management und eine gezielte Priorisierung. Wir arbeiten intensiv an Effizienzsteigerungen, bei gleichbleibend hoher oder noch besserer Qualität für unsere Patientinnen und Patienten.
Wenn Sie drei Wünsche an die Politik frei hätten, welche wären das?
Erstens: Faire und kostendeckende Tarife. Zweitens: Mehr Handlungsspielraum für strategische Investitionen. Drittens: Eine klare Unterstützung bei der Digitalisierung und im Umgang mit dem Fachkräftemangel – etwa durch Vereinfachungen bei Anerkennungen oder durch Förderprogramme.
Gibt es etwas, das Sie von anderen Spitälern lernen können?
Wir stehen im ständigen Austausch – gerade auch international. Themen wie Lean Management, Patientenzentrierung oder digitale Prozessoptimierung sind Bereiche, in denen auch andere Häuser spannende Lösungen entwickelt haben, von denen wir lernen können.
Das Swiss Medical Network hat kürzlich eine Kooperation mit den Mayo-Kliniken bekannt gegeben. Ist das eine Art von Kooperation, die Sie sich für das USZ auch vorstellen könnten?
Internationale Kooperationen sind für universitäre Spitäler essenziell. Wir arbeiten bereits mit vielen renommierten Partnern zusammen. Eine strukturierte Partnerschaft wie mit der Mayo Clinic kann auch für das USZ eine Option sein – sofern sie auf Augenhöhe und mit klaren Mehrwerten für Patienten und Forschung gestaltet wird.
Es gab in den letzten Jahren immer wieder Unruhe durch Konflikte in der Ärzteschaft, konkret in der Herzchirurgie und der Urologie. Welche Massnahmen können Sie im Management ergreifen, um solche Konflikte zu vermeiden?
Solche Themen nehmen wir sehr ernst. Wir haben mittlerweile neue Führungsstrukturen etabliert, die stärker auf kollegiale Zusammenarbeit setzen. Wichtig sind eine klare Rollenverteilung, transparente Kommunikation – und die Fähigkeit, Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu lösen.
Was haben Sie im Qualitätsmanagement geändert beziehungsweise was planen Sie, um die medizinische Qualität zu messen?
Wir arbeiten daran, medizinische Qualität systematischer messbar zu machen. Dazu gehören die enge Governance, der gezielte Auf- und Ausbau interner Qualitätszirkel und die stärkere Einbeziehung von Patientenfeedbacks. Gleichzeitig professionalisieren wir die Qualitätssteuerung, beispielsweise mit digitalen Dashboards und klaren Standards.
Welche drei Massnahmen waren aus Ihrer Sicht am wichtigsten, um die Mitarbeitendenzufriedenheit zu steigern und den Personalmangel zu lindern?
Zufriedene Mitarbeitende in funktionierenden Teams sind immens wertvoll, da sie einen direkten Einfluss auf die Qualität der Patientenbetreuung haben. Mit der Weiterentwicklung des USZ geht auch ein Kulturwandel einher. Uns ist es wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Prozessveränderungen oder Neuerungen eine aktive Rolle haben und sich einbringen können. Mit flexibleren Arbeitsmodellen soll ausserdem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben möglich sein.
Wenn Sie das Spital eines Tages verlassen: Was würden Sie sich wünschen, dass man über Ihre Arbeit im Nachhinein sagt?
Noch ist es zum Glück nicht so weit (lacht). Im Ernst: Ich würde mir wünschen, dass man dereinst sagt: Wir haben das USZ in eine stabile, zukunftsorientierte Richtung geführt und das Vertrauen in das Universitätsspital gestärkt. Wir haben Menschen zusammengebracht, Veränderungen ermöglicht und dafür gesorgt, dass Spitzenmedizin auch künftig möglich bleibt – im Interesse unserer Patientinnen und Patienten. Im Nachhinein sollte zu erkennen sein, dass unsere Strategie nicht nur eine Skizze auf Papier war, sondern erfolgreich im Team von allen Mitarbeitenden tatsächlich auch umgesetzt wurde.