Herzlichen Glückwunsch, Sie sind gerade als «Beste Spitalküche des Jahres» mit dem Viktor Award ausgezeichnet worden.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn es ist die Anerkennung dafür, was mein Team und ich jeden Tag leisten. Spitalköchinnen und -köche werden ja häufig etwas belächelt, man meint, die kochen nur Brei. Dabei ist es enorm, was in den vielen Spitalküchen in der Schweiz geleistet wird. Dort wird mit genauso viel Leidenschaft und Respekt fürs Essen gekocht wie in normalen Restaurantküchen.
Sie hatten vorher grossen Erfolg im Grand Resort Golf Restaurant in Bad Ragaz. Sie sind sogar als eins der ersten Golfrestaurants mit Punkten im Gault Millau ausgezeichnet worden. Warum der Schritt in ein Spital?
Mir hat es im Golf-Restaurant sehr gut gefallen, aber nach zwölf Jahren wollte ich eine Veränderung und habe mich zum Diätkoch ausbilden lassen. Mir war auch wichtig, das ganze Jahr über zu kochen, nicht nur von März bis November, wie es im Golf Restaurant üblich ist. Und ich wollte auch wieder Lehrlinge haben, das ging dort nicht.
Was sind die grössten Unterschiede?
Das Kochen im Spital ist viel komplexer, selbst im Vergleich zu einem Fünf-Sterne-Resort-Restaurant. Die vielen Spezialanforderungen, je nach den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten, machen das Kochen so anspruchsvoll. Insgesamt kochen wir 37 verschiedene Diätformen. Eine Umstellung ist auch, dass die acht Stunden Arbeitszeit voll durchgetaktet sind, da gibt es keine Pausen wie in einem normalen Restaurant, wo zwischendurch auch mal weniger los ist.
Eine Zimmerstunde gibt es im Spital auch?
30 Prozent der Mitarbeitenden haben zwischen 12 Uhr und 15.30 Uhr frei, der Rest arbeitet durch. Ich persönlich schätze die Zimmerstunde sehr, ich kann in der Zeit Sport machen oder Dinge erledigen.
Was war für Sie die grösste Umstellung beim Start im Spital?
Das frühe Aufstehen (lacht). Das Kochen in grossen Kesseln war für mich schon eine Umstellung, und ich habe auch das schöne Anrichten vermisst. Und man muss lernen, dass das Essen nicht direkt auf den Teller kommt, sondern auf dem Weg zur Patientin oder zum Patienten noch 15 bis 25 Minuten unterwegs ist. Als Koch leidet man ja mit dem Essen mit, wenn es zu lange dauert.
Sie sind jetzt fünf Jahre im GZO. Was haben Sie in der Küche verändert?
Bei den Geräten gab es einige Veränderungen. Viele grosse Kippkessel habe ich durch mehrere kleinere ersetzt. Manche Gerichte kocht man besser nacheinander, beispielsweise Risotto. Wenn das zwei Stunden im Topf steht, ist das nur noch Kleister. Das kocht man besser in zwei Portionen. Und wenn ich etwas gekocht habe und es noch nicht im Buffet war, kann ich es morgen und übermorgen noch einmal verwenden. Und: Wir kochen sehr umsichtig. Wenn es Fisch gibt, dann lassen wir noch ein paar Filets roh und können die bei Bedarf noch schnell nachbraten. Und wenn sie nicht gebraucht werden, können wir sie später verwenden.
Andere Änderungen?
Früher haben die Mitarbeitenden bei der Essensausgabe noch selbst geschöpft, da gab es teilweise lange Schlangen. Jetzt schöpft das Küchenteam das Essen für die Mitarbeitenden, das geht viel schneller.
Und im Umgang mit dem Team?
Ich versuche, den Mitarbeitenden mehr Eigenverantwortung zu geben. Wenn jemand 15 Minuten früher gehen muss, beispielsweise wegen eines Arzt-Termins, dann muss ich das nicht als Chef abzeichnen, das wird im Team geregelt. Und es gibt noch viele weitere Beispiele. Vertrauen in meine Kolleginnen und Kollegen und viel Eigenverantwortung sind sehr wichtige Führungsprinzipien für mich.
Und beim Ablauf?
Was besonders wichtig ist: Am Band, also dort, wo die individuellen Essen für die Patientinnen und Patienten zusammengestellt werden, muss absolute Disziplin herrschen. Es muss ruhig und konzentriert zugehen, Feler können wir uns dort nicht erlauben. Das Band muss wie eine Perlenkette laufen, die Perfektion hat mich sicherlich zwei Jahre gekostet. Es kann mal ein Schnitzel verbrennen, aber es darf dann einfach nicht rausgehen.
Gab es Änderungen beim Einkauf?
Sehr grosse sogar. Wir sind neu so aufgestellt, dass die Wertschöpfung in den zwölf Gemeinden bleibt, die auch Aktionäre des Spitals sind. Beispielsweise verwenden wir rund 80 Prozent unseres Fleisches von Tieren, die in diesen Gemeinden aufgewachsen sind. Lediglich Trockenware und einige Milchprodukte beziehen wir von Pistor beziehungsweise Transgourmet. Und Natürli aus dem Zürcher Oberland ist einer unserer Hauptlieferanten. Darüber hinaus gibt es ein paar Spezialprodukte: Etwa die Albula Bergkartoffeln oder einen Zander aus dem Wallis oder Lamm aus Appenzell. Das sind allerdings Highlights, die es dann nur einmal im Monat gibt.
Wie oft wechselt das Menü?
Wir haben 6-Wochen-Pläne, die jeweils angepasst und optimiert werden, auch je nach Jahreszeit.
Wie viele verschiedene Menüs gibt es?
Wir haben insgesamt sechs verschiedene Menüs, beispielsweise das klassische Menü, das leichte Menü, das vegetarische Menü, das mediterrane Menü, das weiche Menü, das Turmix-Menü. Vegan machen wir auf Wunsch, es wird jedoch sehr wenig in Anspruch genommen. Zudem haben die Privatsowie Halbprivat-Patientinnen und -Patienten noch die Möglichkeit, à la carte zu essen.
Ihr Angebot für die Patientinnen und Patienten ist ja schon sehr vielseitig. Warum bieten Sie nicht die gleichen Gerichte auch den Mitarbeitenden an?
Das Grundgerüst für die Mitarbeitenden stammt vom Spital-Haupt-Menüplan, es gibt da nur jeweils leichte Anpassungen. Beispielsweise verwenden wir für das leichte Menü im Spital keine Pilze oder wenig Zwiebeln, weil es schwer verdaulich ist. Das verträgt sich nicht gut, wenn man liegen muss. Aber warum soll ich das für die Mitarbeitenden nicht verwenden, wenn es besser zum Gericht passt.
Wie stehen Sie zur Prozessküche?
Wir kochen nichts vor, bis auf ein paar Saucen, die wir zweimal pro Woche vorbereiten. Ansonsten wird alles frisch zubereitet. Der eigentliche Prozess des Kochens ist ja relativ kurz. Zeit kostet das Planen, das Rüsten, das Abwaschen und Putzen. Gerüstet wird immer zwei Tage im Voraus, und dann wird für ein Gericht alles auf einem Wagen vorbereitet. Wenn der Koch in die Küche kommt, muss er nur noch kochen. Wenn er sich dann noch alles zusammensuchen müsste, bräuchte er Rollschuhe.
Viele Küchen stellen um auf zwei bis drei Produktionstage, was effizienter zu sein scheint, da man mit weniger Personal auskommt.
Ich weiss, ich kenne nur wenige, die es so machen wie wir. Aber: Was viele vergessen, ist der grosse Aufwand für Spülen und Energie in der Prozessküche. Nachdem das Essen gekocht ist, wird es vom Kessel umgefüllt in ein neues Geschirr zum Schockfrosten. Dann kommt der Energieaufwand zum Schockfrosten und Kühlen. Nach dem Kühlen wird es wieder umgefüllt, also doppelte Geschirrmenge, und wird dann wieder erhitzt, das kostet schon wieder zusätzliche Energie. Ganz abgesehen davon, dass beim frischen Kochen viel mehr Nährstoffe im Essen bleiben. Zudem verliere ich bezüglich des Vorkochens einen Haltbarkeitstag. Das gäbe dann mehr Food Waste.
Inwiefern?
Nach Lebensmittelgesetz darf ich das Essen 3 Tage verwenden. Produktionstag plus 2 Tage sind 3 Tage. Beim Vorkochen verliere ich einen Tag und kann die aufgewärmten Speisen dann nur 2 Tage verwenden.
Wie gross ist Ihr Food Waste?
Wir müssen fast nichts wegwerfen, weil wir ja genau wissen, wie viele Patientinnen und Patienten wir haben. Food Waste kann lediglich beim Mitarbeitendenessen vorkommen, da ich nicht weiss, kommen heute zweihundert Personen zum Essen oder zweihunderfünfzig.
Sie bereiten neben dem Spital- und Mitarbeitendenessen auch Essen für Schulen und Kitas zu.
Ja, das sind ungefähr 1200 bis 1400 Schul- und Kitaessen im Monat.
Wie sieht dieses Essen aus? Viel Chicken Nuggets und Pizza?
Das Gerüst und die Grundprinzipien sind für alle Bereiche gleich: Frisch, saisonal, regional und möglichst abwechslungsreich und gesund. Basis ist immer das Spitalessen, das jeweils angepasst ist. Pizza oder Chicken Nuggets für die Kinder gibt es maximal einmal im Jahr. Auch gibt es für die Kinder nur Wasser zum Essen, keinen Sirup oder Softdrinks. Ernährung ist Erziehungssache. Die Kinder müssen lernen, verschiedene Dinge zu essen und zu schmecken. Das halte ich für sehr wichtig. Es ist sehr bedenklich, was in den Supermärkten alles verkauft wird. Lebensmittel mit viel zu hohem Salzgehalt und überzuckert. Auch bei Früchten muss man aufpassen, Fruchtzucker ist auch Zucker.
Bieten Sie auch Essen für externe Gäste an?
Das geht aus räumlichen Gründen aktuell leider nicht, da wir wegen des Neubaus gerade ein Provisorium nutzen. Aber für das neue Gebäude ist das vorgesehen, das Konzept dafür steht.
Ich sehe kein Schweinefleisch auf dem Speiseplan.
Wir verwenden nur sehr wenig Schweinefleisch. Denn das essen viele Personen gar nicht oder nicht gerne, häufig aus kulturellen Gründen. Mit Schweinefleisch auf der Karte hagelt es Umbestellungen. Das wollen wir vermeiden.
Sonstige Prinzipien?
Wir versuchen viel zu kombinieren: Mal ganz einfache Gerichte und dann einmal im Monat auch etwas Luxuriöses oder Besonderes einstreuen, beispielsweise Roastbeef, so wie heute.
Gibt es rein vegetarische Tage?
Es gibt keinen Tag, an dem ausschliesslich vegetarisches Essen angeboten wird. Das haben wir einmal gemacht. Das gab nur Ärger im Haus. Aber es gibt jeden Tag ein vegetarisches Angebot und viel Gemüse. Wir setzen auf Eigenverantwortung beim Thema Ernährung. Grundsätzlich merken wir, dass bewusster gegessen wird. Wenn jemand zum Znacht eingeladen ist, isst man zu Mittag nur einen kleinen Gemüseteller.
Wie gross ist Ihre Organisation?
Insgesamt dreissig Mitarbeitende, wobei nicht alle Vollzeit arbeiten. Darunter sind knapp die Hälfte Köchinnen oder Köche. Und fünf Lehrlinge bilden wir aus.
Und jede oder jeder kann alles machen, oder gibt es Spezialisierungen?
Grundsätzlich ja, wobei die Lehrenden keine Diätküche kochen dürfen, sie müssen erst einmal normal kochen lernen. Und die Köchinnen und Köche in der Patisserie kochen auch nur in ihrem Spezialgebiet.
Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Nein, wir haben keine Probleme, Mitarbeitende zu finden. Ich habe den Eindruck, dass die Mitarbeitenden gerne bei uns arbeiten und Spass haben, hier arbeiten zu können. Das mag zu der entspannten Situation beitragen. Natürlich haben wir auch Abgänge. Eine Mitarbeiterin geht drei Monate auf Weltreise. Wir haben ihr aber nicht gekündigt, sondern sie unbezahlt beurlaubt. Nach den drei Monaten kann sie dann wieder einsteigen und muss sich keinen neuen Job suchen. Wo wir können, unterstützen wir unsere Mitarbeitenden. Wir bilden Lehrlinge aus, und es kommt immer wieder vor, dass sie nach einiger Zeit Sehnsucht nach dem GZO haben und zurückkommen.