Ende Oktober ziehen die ersten Patienten in Ihren Neubau. Was wird für sie anders sein, im Vergleich zu anderen Spitälern?
David-Ruben Thies: Ganz ehrlich: Hoffentlich fast alles. Wer das neue Haus betritt, soll erst einmal vom Duft nach frisch gebackenem Brot und Kaminfeuer empfangen werden. Unser Empfangsbereich wirkt wie eine Hotel-Lobby. Und dann natürlich die Zimmer, jedes mit einem Blick in die Natur und einer Veranda mit grossen Glasfenstern. Und unsere Restaurants, deren Angebot nichts mit gewöhnlicher Krankenhausküche gemein hat. Und dann natürlich der Aufenthalt
mit digitalem Patienteninformationssystem und Pflegekräften, die in unserer Unit-Struktur viel präsenter und fast immer ansprechbar für Patienten sind.
Was ist für die Mitarbeitenden der Pflege anders als in anderen Spitälern?
Wie erwähnt, arbeiten wir bereits seit einigen Jahren mit einer Unit-Struktur. Damit sind die Pflegekräfte ganz konkret für einige wenige Patienten verantwortlich – und können diese damit viel besser, individueller und persönlicher betreuen. In unserem Neubau ist die Unit-Struktur sozusagen Architektur geworden. Wir haben spezielle Arbeitsplätze entwickelt, die diesem transparenten und präsenten Pflegekonzept gerecht werden, und wir haben diese Arbeitsplätze gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelt – nicht über deren Köpfe hinweg. Wir wollten keine Betroffenen, sondern Beteiligte in unserem langjährigen Neubauprozess. Ansonsten dürfen sich alle Mitarbeiter auf einen besonders schönen Arbeitsplatz freuen. Von unserem Mitarbeiterrestaurant bis hin zu den Behandlungszimmern stand ein Design im Vordergrund, das der Funktion gerecht wird. Insbesondere haben wir da auch an und mit den Mitarbeitern nachgedacht – bis hinein in Kleinigkeiten: In jedem Spind der Mitarbeiter ist beispielsweise eine Lade-Buchse für das Aufladen des Smartphones integriert.
Welches sind die wichtigsten Innovationen?
Uns geht es weniger um einzelne Innovationen als um eine Veränderung des Mindset, mit dem wir an den Bau herangegangen sind. Aber das war tatsächlich innovativ. In diesem Sinne die erste – und wichtigste – Innovation war, unsere Mitarbeitenden von Anfang an in die Entwicklung des Neubaus einzubeziehen.
Wir haben so von den Menschen, die wirklich wissen, wie etwas funktionieren muss, Tausende von Ideen, Anregungen, Verbesserungen erhalten. Und wir haben bei der Entwicklung des Gebäudes nicht über Patienten nachgedacht. Sondern wir haben an Gäste gedacht – das Wort Hospital leitet sich übrigens vom lateinischen Wort Hospes für Gast ab. Wir haben also an Menschen gedacht, die eine Zeit lang bei uns zu Gast sind. Und denen wir nicht nur medizinisch helfen, sondern deren Aufenthalt wir so angenehm wie möglich machen wollen. Zum Dritten haben wir das Thema Digitalisierung von Beginn an konsequent einbezogen und nicht versucht, erst ein neues Konzept zu basteln und dann digitale Strukturen nachträglich darüberzustülpen. Das funktioniert nicht. Und so haben wir ein Haus gebaut, das zukunftsfähig ist. Ein Beispiel ist unser Patienten-Informationssystem, beispielsweise mit Schnittstelle zur digitalen Patientenakte. Ein Patient muss nicht, wie üblich, den ganzen Tag wartend im Bett verbringen, bis die Arztvisite kommt oder er zum Röntgen abgeholt wird. Über seinen eigenen TV-Bildschirm erhält unser Patient jederzeit Einblick in seinen individuellen Tagesablauf. Er sieht, um welche Uhrzeit er einen Arzttermin hat, wann und in welchem Raum die Physiotherapie stattfindet und wann es Mittagessen gibt. Selbstverständlich kann er die Informationen auch mobil auf der Patienten-App abrufen, wenn er gerade einen Spaziergang macht oder in der Lobby einen Kaffee trinkt. Damit kann er seinen Aufenthalt bei uns viel selbstbestimmter gestalten.
Ihr Neubau ist nicht teurer als «normale» Spital-Neubauten. Wie geht das?
Wir haben beim Einkauf nicht blind in die Kiste der «Spital-Bedarfs-Anbieter» gegriffen, sondern uns bei allen Anschaffungen gefragt: Was genau muss das Bett, der Stuhl, der Boden, die Tapete und alles andere können? Und wer kann uns genau das am besten und am günstigsten liefern. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: das Patientenbad. Natürlich gibt es da Out-of-the-box-Lösungen von Anbietern aus dem Gesundheitssektor. Wir haben Bäder aus dem Hotel-Sektor so konfiguriert, dass sie alle medizinischen Anforderungen erfüllen. Und damit um die Hälfte günstiger eingekauft. Aber doppelt so schön. Dieses Prinzip haben wir immer und immer wieder angewendet – und so haben wir gespart. Das ist aufwendig. Das ist anstrengend. Aber es zahlt sich aus. Durch die beste Qualität zum besten Preis.
Sie haben mit Tests in einem «Mockup-Gebäude» Kosten gespart. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
Dass es sich lohnt, ein 1:1-Modell zu bauen. Unser Mockup ist eines der zentralen Erfolgsfaktoren bei unserem Neubau. Wir haben in unserem Krankenhausgarten ein 1:1-Modell von zwei Zimmern mit Fassade gestellt. Das hat erst einmal viel gekostet und für viel Kritik gesorgt. Aber damit hatten wir zwei Jahre Zeit, Materialien zu testen, Abläufe im Krankenzimmer zu üben und Verbesserungen vorzunehmen. Und auch dadurch haben wir am Ende Geld gespart. Zum Beispiel bei der exakten Breite des Ganges. Bei den Lichtschaltern im Bad. Bei dem Öffnungsmechanismus der Veranda-Fenster. Bei der Holzfassade. Bei Oberflächen und Materialien. Und, und, und. Wir haben in der Praxis gecheckt, ob etwas wirklich funktioniert. Hat es nicht funktioniert,
haben wir noch einmal neu nachgedacht. Ein weiterer Effekt: Die Mitarbeiter betreten am 31. Oktober nicht ein für sie ganz neues Gebäude, sondern sie kennen zumindest sehr gut die Patientenzimmer. Sie haben sie ja selbst mit entwickelt.
Welche drei Tipps geben Sie anderen Spitalmanagern, die einen Neubau planen und umsetzen wollen?
Denken Sie nicht in Kategorien wie «Ersatzbau» oder «Erweiterung», sondern in der Kategorie: «Was können wir mit dem Neubau erreichen: Für die Patienten, für die Mitarbeiter, für das Unternehmen, für die Region!» Suchen Sie sich Mitstreiter in der Politik und in der Verwaltung! Wir haben das grosse Glück, sowohl bei unseren Eigentümern, dem Saale-Holzland-Kreis und dem Universitätsklinikum Jena, wie auch in der Politik und Verwaltung Ansprechpartner zu haben, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Das hat so vieles ermöglicht! Und dafür bin ich aufrichtig dankbar. Muten Sie Ihren Auftragnehmern, Mitarbeitern und sich selbst die Extra-Meile zu. Natürlich tut es manchmal weh, diese zu gehen. Aber am Ende, und das weiss ich, lohnt es sich.
Wenn Sie diesen Neubau noch einmal planen und umsetzen würden, was würden Sie anders machen?
Wahrscheinlich fast alles (lacht). Das liegt wohl an mir (lacht wieder). Aber die Grundsätze würde ich wieder so machen: bei allen Schritten nicht den schnellen und bequemen Weg gehen. Nicht die Fehler anderer Spitäler einfach blind wiederholen. Und wieder die Mitarbeiter von Beginn an mitnehmen. Gemeinsam stets für die beste Lösung kämpfen.