Die Corona-Krise dauert jetzt schon mehr als ein Jahr. Kein Wunder sind wir coronamüde. Economiesuisse setzte sich schon im Februar dafür ein, dass die Menschen eine verlässliche Perspektive bekommen. Die Politik hat es lange versäumt, eine solche zu schaffen und verunsicherte mit teilweise schwer nachvollziehbaren und überraschenden Entscheiden. Die Wirtschaft forderte deshalb einen Corona-Lockerungsfahrplan. Nun ist der Bund endlich aktiv geworden: In einer Konsultation zum «Drei-Phasen-Modell» zur Bewältigung der Covid-19-Krise schlägt er ein Modell vor, das den Bedürfnissen der Wirtschaft – aber auch der Menschen – gerechter wird. Besonders sinnvoll ist eine Neuerung: Die Richtwerte für Öffnungsschritte sollen an die Durchimpfung der Bevölkerung gekoppelt werden.
Impftempo nimmt zu
Der Durchimpfungsgrad der Bevölkerung ist ein wesentlicher Indikator dafür, wann und wie stark welche Tätigkeiten wieder zugelassen werden können. Je höher die Durchimpfung in der Bevölkerung ist, desto mehr wirtschaftliche und persönliche Freiheiten können und sollen wieder erlaubt sein. Daher ist es zentral, dass der Bund und die Kantone die notwendige Durchimpfung der Bevölkerung sicherstellen. In der Altersgruppe 80 plus sind bereits 63,8 Prozent der Personen vollständig geimpft und die 70- bis 79-Jährigen immerhin schon zu 40,8 Prozent (Stand: 28. April 2021). Hinzu kommen die jüngeren Personen, welche Risikofaktoren aufweisen, die ebenfalls grösstenteils geimpft sind. Diese Impflage verbessert sich laufend, da im Monat April eine Million Impfdosen verabreicht wurden – also durchschnittlich 500000 Personen vollständig geimpft wurden – und sich das Impftempo im Mai zudem erhöht.
Zusätzliche Lockerungen gefordert
Die Wirtschaft begrüsst die Vorschläge des Bundes im Grundsatz, plädiert jedoch für zusätzliche Lockerungen, die früher erfolgen sollten: Die Homeoffice-Pflicht kann per sofort für diejenigen Betriebe aufgehoben werden, die ihre Mitarbeitenden regelmässig testen. Ebenso sollte unter anderem ein selektiver Zugang für Geimpfte, Getestete und Genesene zu Veranstaltungen etc. bereits zu Beginn der Phase 2 eingeführt werden. Internationale Reisen sollten für diese Personengruppe ab sofort ohne Einschränkungen möglich sein. Die epidemiologische Lage hat sich entspannt. Neue, ansteckendere Mutationen des Virus bilden zwar eine stetige Gefahr, doch können diese mit der Impfung gut in Schach gehalten werden. Die Impfgeschwindigkeit in der Schweiz hat wie erwähnt stark zugenommen: In den nächsten Wochen werden immer grössere Teile der Bevölkerung geimpft sein oder sind nach einer Covid-Erkrankung zumindest für die nächsten Monate immunisiert. Gleichzeitig stehen ausreichend Testkapazitäten zur Verfügung, und es kann kostengünstiger getestet werden. So lassen sich Pool-Tests flächendeckend und regelmässig in Schulen, Unternehmen oder sozialen Einrichtungen einsetzen. Die Schutzkonzepte und die Hygienemassnahmen sind bewährt und in der Bevölkerung akzeptiert. Alle diese Instrumente ermöglichen es, wesentlich gezielter als bisher die Pandemie zu bekämpfen und die Massnahmen des Bundes zu lockern.
Pragmatische Strategie gefordert
Die Wirtschaft fordert deshalb einen Paradigmenwechsel: Statt die Pandemie mit harten und teilweise willkürlichen Verboten zu bekämpfen, muss erstens prinzipienbasiert entschieden und zweitens vermehrt auf Freiwilligkeit und Selbstverantwortung gesetzt werden. Mit der Vorlage des Bundes ist nun die Zeit dazu gekommen. Wir sind uns bewusst, dass eine sofortige, vollständige Öffnung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten wie Grossveranstaltungen oder Discotheken und eine Aufhebung aller Einschränkungen im privaten Bereich zu einem unerwünschten Anstieg der Fallzahlen führen würde. Gefragt ist deshalb eine pragmatische und nachvollziehbare Strategie, welche die wirtschaftlichen und persönlichen Einschränkungen in der Übergangsfrist bis zur Herdenimmunität der Bevölkerung umschreibt. Der Bund hatte in der Corona-Krise viele Klippen zu überspringen, was ihm nicht immer gelang. Mit seinem neusten Vorschlag rennt er jedoch bei der Wirtschaft offene Türen ein. Economiessuisse ist erleichtert, dass der Bund die Lage ähnlich einschätzt und nun den Weg zurück zur Normalität skizziert.