Unter der Überschrift «Der Kanton St.Gallen spart auf dem Buckel der Schwächsten» wehren sich die Verbände Senesuisse und Curaviva St. Gallen gegen die Sparmassnahmen des Kantons St. Gallen (SG).
Der Regierungsrat des Kantons SG hatte entschieden, die gestiegenen Kosten für Bewohnende in Alters- und Pflegeheimen nicht zu tragen. Für die Pflege solle weiterhin die Finanzierung gestützt auf Kostenzahlen des Jahres 2021 gelten, für Betreuung und Aufenthalt sogar jene aus dem Jahr 2008.
Die Verbände bezeichnen das in einer Medienmitteilung als «gesetzeswidriges wie unsoziale Verhalten» und haben Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie fordern eine dringliche Anpassung der Finanzierung ans heutige Niveau.
Die Verbände argumentieren wie folgt: «Die Kosten für Pflege, Unterkunft und Betreuung in den Alters- und Pflegeheimen steigen. Der grösste Teil davon (zwischen 70-80 Prozent) sind Lohnkosten. Das Schweizer Stimmvolk hat die Pflegeinitiative angenommen und damit für bessere Anstellungsbedingungen votiert. Dies muss insbesondere für Angestellte in Alterseinrichtungen gelten, welche an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr höchst anspruchsvolle Arbeit leisten. Allerdings: Der Regierungsrat des Kantons St.Gallen hat sich gegen die Anpassung der Finanzierung ans aktuelle Kostenniveau entschieden. Und dies, obwohl er gemäss nationalem Gesetz zur Ausfinanzierung der Pflegekosten verpflichtet ist und nach kantonalem Gesetz die Finanzierung alle drei Jahre anpassen muss. Nach dem Jahr 2023 (auf welches nicht einmal die volle Ausfinanzierung der Kostenzahlen aus dem Jahr 2021 übernommen wurde) wäre dies per 2026 wieder dran. In einem einfachen Schreiben hat er uns Pflegeheimverbänden mitgeteilt, die Regierung verzichte aus Spargründen auf die Anpassung an die Kostenentwicklung. Nachholbedarf im Bereich der Pflege Das kantonale Gesundheitsdepartement hatte sogar eine umfassende Analyse in Auftrag gegeben. Diese wies einen deutlichen Nachholbedarf aus, gerade was die Lohnkosten für Mitarbeitende der Pflege betrifft. Dies ist nach den Jahren des Stillstands auch wenig erstaunlich, beruht doch die heutige Pflegefinanzierung auf den Lohndaten des Jahres 2021 und jene für Infrastruktur, Reinigung und Betreuung sogar auf Kostendaten des Jahres 2008! Selbst die Gemeindevertreter, welche als Finanzierer der Pflegekosten die Folgen des Kantonsentscheids direkt trifft, hatten sich für eine Erhöhung der Finanzierung ausgesprochen. »
Christian Streit als Geschäftsführer des nationalen Verbands Senesuisse ist entsetzt: «Es ist uns ein Anliegen, dass die Öffentlichkeit erfährt, wie der Kanton St. Gallen seine Sparbemühungen auf dem Buckel der Schwächsten austrägt. Seine Verweigerung ist gesetzeswidrig und unsozial, Bewohnende und Mitarbeitende in Altersinstitutionen haben ein Recht auf die nötigen Gelder für gute Pflege und Betreuung!».
Künftig wieder Mehrbettzimmer?
Nicht nur im Bereich der Pflege bestehe bedeutender Nachholbedarf, sondern auch im Bereich der Finanzierung über Ergänzungsleistungen (EL), so die Verbände. Das Bundesgesetz schreibe zum Schutz von Herrn und Frau Schweizer vor, dass der Heimaufenthalt nicht zu Sozialhilfeabhängigkeit führen soll. Deshalb müsssen die Kantone eine Finanzierung von Betreuung und Aufenthalt garantieren, welche diese Kosten deckt. Doch auch hier würde die Regierung auf später vertrösten.
Die von der Regierung selbst auf rund 10 Millionen Franken geschätzten Mehrkosten würden einfach ignoriert. Im Kantonsrat würde sich bereits Widerstand gegen die Verweigerungshaltung der Regierung regen. Die drei Fraktionen SVP, Mitte-EVP und SP-Grüne-GLP haben in einer dringlichen Interpellation eine Erklärung gefordert. Sie gehen davon aus, dass die Nichtanpassung der EL-Pauschalen zur Zweiklassengesellschaft führt: Nur wer es sich leisten kann, erhält in Zukunft noch einen Platz im Alters- und Pflegeheim. Und wer einen Platz hat, aber mangels EL-Finanzierung diesen nicht mehr bezahlen kann, wird zur Sozialhilfe genötigt – welche dann von den Gemeinden anstatt dem Kanton bezahlt werden muss.
Als Antwort auf die dringliche Interpellation erklärt die Regierung: «Das Ergänzungsleistungsgesetz bezweckt keine Finanzierung eines Aufenthalts mit erhöhtem Standard (z. B. Einzelzimmer).» Corinne Dähler als Präsidentin von Curaviva St.Gallen erklärt: «Müssen wir jetzt unsere Betriebe etwa wieder zu Mehrbettenzimmern umbauen? Das ist unseren betagten Bürgerinnen unwürdig! Die Schwächsten unserer Gesellschaft können sich nicht selber wehren, wir müssen uns für sie einsetzen. Die von fast allen Parteien eingereichte Interpellation zeigt, dass die Regierung auf dem Holzweg ist, wenn sie unsere betagten Bürger in die Sozialhilfe zwingt.»