Die Insel Gruppe verzeichnet im ersten Halbjahr 2025 eine deutliche finanzielle Erholung. Im Segment Spitalbetrieb erreichte die Insel Gruppe einen Gewinn von 26,7 Millionen Franken – eine Verbesserung um 97,7 Millionen Franken gegenüber dem ersten Halbjahr 2024, das im Zeichen der Einführung des neuen Klinikinformations- und Steuerungssystems (Epic) stand. Damit erzielte die Insel Gruppe eine Ebitda-Marge von 10,1 Prozent (Vorjahresperiode: –0,8 Prozent).
Herr Professor Leumann, was waren die wichtigsten Treiber für das gute Ergebnis?
Die starken Halbjahreszahlen sind das Ergebnis konsequenter Massnahmen, welche wir seit Sommer 2024 umgesetzt haben: Wir haben deutlich mehr Patientinnen und Patienten betreut (+5,3 Prozent stationär, +7,3 Prozent ambulant), konnten
komplexere Fälle behandeln (Case-Mix-Index 1,47) und wir arbeiten effizienter und leistungsfähiger als zuvor. Ausserdem verzeichnen wir Nachholeffekte beziehungsweise haben nach der ressourcen- und zeitintensiven Einführung des neuen Klinikinformations- und Steuerungssystems Epic wieder zu mehr Leistungsfähigkeit zurückgefunden. Gleichzeitig konnten wir mit verschiedenen Versicherern neue Verträge mit höheren Erträgen abschliessen. All diese erfreulichen Aspekte haben einen gemeinsamen Ursprung – den ausserordentlichen Einsatz unserer Mitarbeitenden, der sich gerade unter anspruchsvollen Bedingungen als beispielhaft erweist.
Es gibt Kostensteigerungen in vielen Bereichen, beispielsweise beim Personal, bei Medikamenten und der Infrastruktur, wie konnten Sie genau gegensteuern?
Wir setzten auf operative Effizienz und nachhaltige Prozessoptimierung. Die Reduktion der Personalkosten um 25,8 Millionen Franken erfolgte grossmehrheitlich durch den Abbau teurer Temporärstellen, durch natürliche Personalfluktuation und
durch die Eliminierung von Redundanzen, ohne dabei das Kerngeschäft zu schwächen. Dieser Ansatz war entscheidend, denn er ermöglichte es uns, die Kostenbasis zu reduzieren und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit auszubauen, wie die gestiegenen Patientenzahlen eindrücklich belegen.
Welche Rolle spielt Epic in diesem Zusammenhang?
Die Effizienzsteigerung durch das neue Klinikinformations- und Steuerungssystem Epic hat nicht nur zu reibungsloseren Abläufen und höherer Produktivität geführt, sondern schafft auch die Grundlage für durchgängig digitale Patientenpfade und datenbasierte Medizin. Wir stehen allerdings erst am Anfang dieser tiefgreifenden technologischen Transformation.
Sie investieren stark in Digitalisierung und Innovation. Welche Projekte laufen aktuell besonders erfolgreich, und wo sehen Sie noch Nachholbedarf?
Epic ist der entscheidende Motor unserer digitalen Transformation. Es ermöglicht durchgängig digitale Patientenpfade, effizientere Prozesse und schafft die Datenbasis für evidenzbasierte Medizin und Forschung, was gerade für ein Universitätsspital von grundlegender Bedeutung ist. Dementsprechend arbeiten wir weiterhin kontinuierlich an der Prozessstandardisierung für mehr Qualität und Effizienz sowie an der weiteren Implementierung durchgängig digitalisierter Behandlungspfade.
Sie haben Millionenbeträge in neue Gebäude investiert, zu viel?
Unsere neuen Gebäude, das Theodor-Kocher-Haus, das Anna-Seiler-Haus und ab Mitte 2026 das Marie- Colinet-Haus, bieten die infrastrukturellen Voraussetzungen für Spitzenmedizin mit optimierten Patientenpfaden in einem attraktiven, gesundheitsfördernden Ambiente. Zusammen mit der Umsetzung unserer im Juni verabschiedeten Strategie 2035 starten wir damit in eine neue Phase, in der wir uns auf der Basis des technologischen und infrastrukturellen Fundaments als Pionierin der digitalen und translationalen Medizin etablieren werden.
Der Fachkräftemangel beschäftigt alle Spitäler. Welche konkreten Massnahmen hat die Insel Gruppe ergriffen, um Pflege- und Fachpersonal zu gewinnen und zu halten?
Der Fachkräftemangel beschäftigt uns als Universitätsspital besonders intensiv, und wir haben einen umfassenden Massnahmenkatalog entwickelt, um sowohl Personal zu gewinnen als auch zu halten.
Was bedeutet das konkret?
Die Attraktivität als Arbeitgeberin steigern wir gezielt durch moderne Infrastruktur und Technologie. Der Kulturwandel ist ein zentraler Baustein unsererPersonalstrategie: Mit transparenter Kommunikation, regelmässigen Townhall-Meetings und neuen Meldestrukturen haben wir eine offene, partizipative Führungskultur geschaffen. Diese basiert auf unseren Werten Respekt, Exzellenz und Verantwortung und stärkt nachhaltig das Vertrauen und die Motivation unserer Mitarbeitenden. Unsere gezielten Investitionen in die Mitarbeitenden erfolgen unter herausfordernden finanziellen Bedingungen: Wir investieren konsequent in Weiterbildung, faire Löhne und fördern eine Kultur der Wertschätzung. Die Insel Gruppe etabliert systematisch flexible Arbeitsmodelle für alle Bereiche – von Teilzeitführung und Jobsharing auf Kaderstufe über selbstbestimmte Dienstpläne bis hin zu Homeoffice für Telemedizin und Pool-Anstellungen mit individueller Zeitsouveränität – und macht damit die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu einem strategischen Kern ihrer standortübergreifenden Personalpolitik.
Wenn Sie nach vorne blicken: Wo sehen Sie die grössten Chancen und Risiken für die Insel Gruppe in den kommenden zwei bis drei Jahren?
Die grössten Chancen liegen in unserer strategischen Neupositionierung und den geschaffenen Fundamenten für die Zukunft. Auf der Abgeltungsseite konnten wir neue, faire stationäre und ambulante Tarife mit den meisten Leistungserbringern
aushandeln. Ausserdem werden wir eine zusätzliche jährliche Unterstützung des Kantons in Höhe von 20 Millionen Franken für die Weiterbildung der Assistenzärztinnen und -ärzte und für die ambulante Kindermedizin erhalten. Zusammen mit den geplanten Prozessoptimierungen und der konsequenten Etablierung von klinikübergreifenden ambulanten und stationären Patientenpfaden wird uns das eine solide finanzielle Basis für nachhaltiges Wachstum verschaffen. Diese Aspekte stimmen mich sehr zuversichtlich, dass ich Ende Jahr die Insel Gruppe in gutem Zustand an meine Nachfolgerin, Prof. Jennifer Diedler, übergeben kann.
Welche Risiken sehen Sie?
Der anhaltende Fachkräftemangel bleibt eine Herausforderung für alle Spitäler und erfordert von uns innovative Lösungen in der Personalgewinnung und -bindung. Die Abhängigkeit von kostendeckenden Tarifen stellt ein weiteres strukturelles Risiko dar, da wir langfristig auf faire Rahmenbedingungen angewiesen sind, um unsere zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung erfüllen zu können. Der eingeleitete Kulturwandel, obwohl bereits erfolgreich gestartet, ist ein langfristiger Transformationsprozess, der Zeit benötigt. Hierbei dürfen wir nicht nachlassen, da eine nachhaltige Verbesserung der Unternehmenskultur entscheidend für unseren langfristigen Erfolg ist. Mit all diesen Massnahmen legen wir das Fundament, um zukünftige finanzielle Schieflagen gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies ist eine Voraussetzung, damit wir uns konsequent auf Forschung, Innovation und vor allem auch auf die Qualität unserer Patientenversorgung konzentrieren können.