Herr Höchli, welches sind aktuell die grössten Herausforderungen für Ihre Mitgliederinstitutionen in der Schweiz?
Aktuell sind die Mitgliederinstitutionen in den Bereichen Menschen im Alter, Menschen mit Behinderung sowie Kinder und Jugendliche extrem gefordert, unter Krisenbedingungen ihren Auftrag zur Pflege, Betreuung und Begleitung der ihnen anvertrauten Menschen mit Unterstützungsbedarf zu erfüllen. Die Empfehlungen/Massnahmen des BAG und die kantonalen Vorgaben sind einschneidend und werden es voraussichtlich für die Pflegeheime, Institutionen für Menschen mit Behinderung und Kinder- und Jugendeinrichtungen auch mit den in Aussicht gestellten Lockerungsetappen noch einige Zeit bleiben – auch wenn dann bereits in vielen Branchen und für grosse Teile der Bevölkerung wieder eine gewisse Normalität eingesetzt hat.
Die betrieblichen Herausforderungen für die Institutionsleitungen sind vielfältig. Sie beginnen grundsätzlich bereits bei der Einhaltung der Hygienemassnahmen des Bundes: Pflege, Betreuung und Begleitung lässt sich nicht aus dem Homeoffice bewältigen und eine konsequente Umsetzung der empfohlenen Distanz von 2 Meter ist dabei ebenfalls illusorisch. Zur anspruchsvollen Bewältigung des Arbeitsalltag in einem Kosmos, welcher von Besucherverboten und -einschränkungen geprägt ist, kommt die Organisation von teilweise knappem Schutzmaterial hinzu, ein Personalmanagement unter Berücksichtigung von Mitarbeitenden, die zu Risikogruppen gehören und/oder Symptome aufweisen, der Umgang mit Bewohnenden, die besonderen Schutz benötigen, da sie zu den Risikogruppen gehören sowie das effektive Managen im Falle einer Erkrankung von Bewohnenden und/oder Mitarbeitenden an Coronavirus. Die momentane Situation ist für die Institutionsleitenden und ihre Mitarbeitenden höchst anspruchsvoll.
Was läuft in der Krise besonders gut aus Ihrer Sicht, was läuft noch falsch?
Eine Beurteilung des Krisenmanagements von Bund, Behörden, Kantonen, Branchenvertretenden und Betrieben ist zum jetzigen Zeitpunkt aus Sicht CURAVIVA Schweiz noch nicht angebracht. Der Fokus aller Beteiligten liegt im Moment auf der bestmöglichen Bewältigung der Krise. Die Evaluations des Verbesserungspotential, zum Beispiel bezüglich Schutzmaterial-Versorgung, wird die verschiedenen Akteure jedoch sicherlich nach der Krise und zu diesem Zeitpunkt dann auch zu Recht beschäftigen.
Wie könnten Sie von der Politik noch besser unterstützt werden?
CURAVIVA Schweiz ist in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden wie beispielsweise dem BAG, Seco, der GDK, SODK zur Klärung von Fragestellungen und Verbesserung der Rahmenbedingungen, die eine hohe Relevanz für die Mitgliederinstitutionen bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten in dieser Krisensituation beinhalten. Es besteht bei den verantwortlichen Akteuren eine hohe Bereitschaft für die Berücksichtigung von wichtigen Anliegen bei Empfehlungen oder Massnahmen und entsprechende Nachbesserungen. Ein Beispiel dafür ist die Erweiterung der Empfehlungen für Pflegeheime auf Institutionen für Menschen mit Behinderung. Zu klären wird sein, wie die aufgrund der Krise entstandenen Mehrkosten der Betriebe finanziell abgegolten werden. CURAVIVA Schweiz hat die Instrumente für die Erhebung der Kosten entwickelt und sucht auch in dieser Frage den Kontakt mit den Behörden.
Wie glauben Sie, wird die Coronakrise die Branche verändern?
CURAVIVA Schweiz hofft, dass die Coronakrise zu einer höheren Wertschätzung der systemrelevanten Organisationen und ihren Mitarbeitenden führen wird. Diese Anerkennung sollte nicht nur in einem Applaus münden, sondern in der Bereitschaft, die zu erbringenden Leistungen zu finanzieren und die Berufe sowie Ausbildungen zu fördern. Die Krise wird wohl auch das digitale Bewusstsein fördern, sei dies für den sozialen/beruflichen Austausch oder bezüglich assistierender Technologie bei der Ausübung von Tätigkeiten. Zudem hofft der nationale Branchenverband sehr, dass die Krise die Solidarität der Bevölkerung für Menschen mit Unterstützungsbedarf nachhaltig stärken wird.