Unternehmen
Unternehmen führen einen dem i. d. R. wirtschaftlichen Zweck dienenden/entsprechenden Betrieb und sind wirtschaftlich, finanziell sowie rechtlich eigenständig. Ein Unternehmen kann verschiedene Rechtsformen haben. Bei Spitälern kommen oft Gesellschaften in verschiedenen Formen vor – das können etwa Anstalten des kantonalen Rechts sein (Universitätsspital Zürich), gemeinnützige Aktiengesellschaften des Obligationenrechts oder reine Aktiengesellschaften. Das gilt auch für Heime, auch hier sind Anstalten des öffentlichen Rechts und Aktiengesellschaften, aber auch Stiftungen nicht unüblich. Der Einfachheit halber wird nachfolgend die häufigste Organisationsform, die Aktiengesellschaft, in den Fokus genommen und wo notwendig auf andere Organisationsformen verwiesen. Dies auch aus dem einfachen Grund, dass für die anderen Organisationsformen, etwa die GmbH oder den Verein, ebenfalls die Organhaftung des Aktienrechts anwendbar ist.
Organe
Bei den Organen wird zwischen formellen und faktischen Organen unterschieden, und je nach Organisationsform (AG, Stiftung etc.) sind die Pflichten unterschiedlich.
Formelle Organe sind bei der AG die Generalversammlung (Art. 698 ff. OR), der Verwaltungsrat (Art. 707 ff. OR) und die Revisionsstelle (Art.727 ff. OR) einerseits sowie die formell von der Generalversammlung gewählten und im Handelsregister eingetragenen Personen, welche Mitglieder der Geschäftsleitung und der Direktion sind. Faktische Organe sind nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichtes Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen. Das ist in der Praxis regelmässig der Hauptaktionär, der dem Verwaltungsrat praktisch keinen Ermessensspielraum gibt und die Gesellschaft faktisch durch seine Weisungen lenkt oder die Muttergesellschaft in einem Konzernverbund, die durch in den Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft entsandte – weisungsgebundene – Mitarbeiter die Gesellschaft damit faktisch lenkt. Allgemeine Pflichten der Organe Grundsätzlich unabhängig von der Organisationsform haben Organe Verwaltungs- und Leitfunktionen, sind verpflichtet, innerhalb der Schranken des Rechts zu handeln, und unterliegen in ihrer Tätigkeit der Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen. Weiter sind sie verantwortlich für die Finanzen, den Geschäftsbericht, die Organisation und Durchführung der Generalversammlung sowie für die Benachrichtigung des Richters bei einer Überschuldung. Fokus: Der Verwaltungsrat Der Verwaltungsrat, dasjenige Organ, das sich in der Praxis am häufigsten mit Haftungsfragen konfrontiert sieht, hat diverse gesetzlich festgelegte unübertragbare Pflichten. Diese sind nach Art. 716a OR:
- die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen;
- die Festlegung der Organisation;
- die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist;
- die Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen;
- die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen;
- die Erstellung des Geschäftsberichtes sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse;
- die Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung.
Der Begriff «unübertragbar» ist an dieser Stelle zu präzisieren: Der Verwaltungsrat darf die Vorbereitung dieser Geschäfte, wie auch den Vollzug, durchaus delegieren. Er muss jedoch den Entscheid selber fällen.
Übertragbare Aufgaben darf der Verwaltungsrat Dritten anvertrauen, wenn ihn die Statuten dazu ermächtigen und die Delegation in einem Organisationsreglement geregelt ist – der häufigste, und massgebendste Fall in der Praxis ist die Delegation der Geschäftsführung an einzelne Verwaltungsratsmitglieder oder an Dritte.
Verantwortlichkeit/Haftung
Allgemeines Art. 754 OR hält fest, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich sind, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (Abs. 1). Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat (Abs. 2).
Klassisches Beispiel dafür ist die unterlassene Benachrichtigung des Richters bei Überschuldung. Die Verwaltungsräte haften solidarisch mit ihrem privaten Vermögen, jedes Mitglied kann für den vollen Schaden belangt werden.
Die aktienrechtliche Organverantwortlichkeit nach Art. 754 OR findet, wie hiervor bereits angesprochen, nicht nur auf Organe der Aktiengesellschaft Anwendung, sondern ist im Gesetz auch für die Verantwortlichkeit der Organe der GmbH durch eine Verweisnorm anwendbar (Art. 827 OR); die Verantwortlichkeit in der Genossenschaft ist derjenigen des Aktienrechts sehr ähnlich, aber etwas einfacher geregelt (vgl. Art. 916 ff. OR).
Schaden Die Haftpflicht für pflichtwidrige Handlungen von Organen wird lediglich dann ausgelöst, wenn ein Schaden im Sinne des Gesetzes entsteht, welcher in einer Vermögensminderung nach der sogenannten Differenztheorie besteht (Der Schaden ist die Differenz zwischen dem Vermögensbetrag, wie er nach dem schädigenden Ereignis tatsächlich vorliegt, und dem Wert, der hypothetisch ohne schädigendes Ereignis erreicht worden wäre).
Dabei gilt es zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden zu unterscheiden, wobei die Gesellschaft immer unmittelbar geschädigt ist, wohingegen Aktionäre und Gläubiger auch mittelbar geschädigt sein können.
Der Schaden liegt unmittelbar vor, wenn es im Vermögen der Gesellschaft, des Aktionärs oder des Gläubigers direkt zu einer Vermögensminderung kommt. Von einem mittelbaren Schaden, dem sogenannten Reflexschaden, ist auszugehen, wenn Aktionäre und Gläubiger aufgrund eines unmittelbaren Schadens der Gesellschaft respektive einer im Gesellschaftsvermögen unmittelbar eintretenden Schädigung eine Verminderung ihres Vermögens erleiden. Der unmittelbare Schaden in der Gesellschaft wirkt sich negativ auf den Wert der Beteiligung des Aktionärs aus, oder der Wert der Forderung des Gläubigers sinkt im Konkurs der Gesellschaft.
Aktionäre und Gläubiger können den mittelbaren Schaden einzig mit einer Klage auf Leistung an die Gesellschaft zu beseitigen versuchen, da sie nur mit der Beseitigung des unmittelbaren Schadens der Gesellschaft ihren mittelbaren Schaden mitbeseitigen können. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass die Kläger sowohl den Schaden beweisen, als auch die Vorwürfe substantiieren müssen.
Aktivlegitimation Zur Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 Abs. 1 OR sind die Gesellschaft selber, die einzelnen Aktionäre sowie die Gesellschaftsgläubiger berechtigt, wobei zwischen Ansprüchen ausserhalb des Konkurses und Ansprüchen im Konkurs unterschieden wird. Ausserhalb vom Konkurs sind neben der Gesellschaft die einzelnen Aktionäre berechtigt, den der Gesellschaft verursachten Schaden auf Leistung an die Gesellschaft einzuklagen (Art. 756 OR).
Im Konkurs der geschädigten Gesellschaft sind auch die Gesellschaftsgläubiger berechtigt, Ersatz des Schadens an die Gesellschaft zu verlangen, wenn es die Konkursverwaltung nicht für sie macht.
Passivlegitimation Passiv legitimiert bei der Organhaftung sind grundsätzlich die formellen und faktischen Organe – als formelle Organe kommen lediglich natürliche Personen infrage; faktische Organe können, wie hiervor aufgezeigt, auch juristische Personen wie etwa die Muttergesellschaft sein. Pflichtverletzung Die Organhaftung setzt ein pflichtwidriges Verhalten des fehlbaren Organs voraus. Das bedeutet, es ist ein Verstoss gegen die den Organen durch Gesetz oder Statuten auferlegten Pflichten notwendig; dabei wird jenes Mass an Sorgfalt erwartet, welches ein durchschnittliches, vernünftiges Organ in der gleichen Situation anwenden würde.
Eine Sorgfaltspflichtverletzung darf aber nicht leichthin bei jeder Entscheidung im Bereich der Geschäftsführung angenommen werden: Das Bundesgericht hat entschieden, dass sich die Gerichte bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden, die in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenkonflikten freien Entscheidungsprozess zustande gekommen sind, Zurückhaltung aufzuerlegen haben (sog. Business Judgement Rule).
Kausalzusammenhang Zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und dem Schaden muss sowohl ein natürlicher (das Verhalten kann nicht weggedacht werden, ohne dass der Erfolg nicht eintritt) als auch ein adäquater Kausalzusammenhang (ist gegeben, wenn das Verhalten des fehlbaren Organs nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens an sich geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen [Schadens] herbeizuführen und daher der Eintritt dieses Erfolges durch die konkrete Tatsache als begünstigt erscheint) bestehen.
Verschulden Erfasst wird sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Handeln. Bereits eine leichte Fahrlässigkeit genügt zur Begründung der Haftung. Das Verhalten wird an einem objektiven Sorgfaltsmassstab gemessen: Je mehr (Fach-) Kenntnisse das Organ hat, desto strenger ist der Massstab.
Klageausschlussgründe
Entlastung/Décharge Durch den Entlastungsbeschluss der Generalversammlung nach Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR, der sogenannten Décharge, verzichtet die Gesellschaft auf Ansprüche gegen die Organe (in Bezug auf bekannte Tatsachen). Grundsätzlich wirkt ein solcher Beschluss nur gegenüber Aktionären, die ihm an der Generalversammlung zugestimmt haben. Nach Art. 758 Abs. 2 OR erlischt das Klagerecht für nicht zustimmende Aktionäre 6 Monate nach dem Entlastungsbeschluss. Ansprüche von Gläubigern bleiben davon unberührt.
Einwilligung des Geschädigten Die Verantwortlichkeit fällt ausser Betracht, wenn das zur Verantwortung gezogene Organ nachweisen kann, dass es mit dem Einverständnis der Geschädigten gehandelt hat. So kann sich das Organ gegenüber der auf Schadenersatz klagenden Gesellschaft auf die haftungsbefreiende Einrede «volenti non fit iniuria» berufen, wenn sie im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis aller Aktionäre gehandelt hat, oder eine gesetzeskonform gefassten und unangefochten gebliebenen Beschluss der Generalversammlung vollzieht.
Verjährung Verantwortlichkeitsansprüche verjähren gemäss Art. 760 OR absolut 10 Jahre nach der schädigenden Handlung. Relativ verjähren die Ansprüche 5 Jahre nach Kenntnisnahme des Schadens und der schädigenden Person durch den Geschädigten.
Wird die Klage aus einer strafbaren Handlung hergeleitet und sieht das Strafrecht eine längere Verjährung vor, verjährt der Anspruch auf Schadenersatz mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt die Verjährung aufgrund eines Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des strafrechtlichen Urteils.
Schlussbemerkungen
Der Weg des haftpflichtigen Organs gleicht – etwas überspitzt formuliert – einem Minenfeld; insbesondere bei der finanziellen Schieflage der Gesellschaft/des Unternehmens wird schnell die Frage gestellt, wer denn jetzt das zu verantworten hat. Bestehende und künftige Organe tun gut daran, ihr Handeln als Organ stets am Interesse der Gesellschaft auszurichten, und um eine Organhaftpflichtversicherung bemüht zu sein – die Mitglieder des Verwaltungsrates bspw. haften solidarisch und können je einzeln für den vollen Schaden belangt werden. Hat man alle Risiken kalkuliert und die notwendigen Vorkehrungen getroffen, ist die Aufgabe als Organ spannend, vielschichtig und bereichernd. Das sollte auch im Vordergrund stehen. Viel Erfolg!