Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner fordert mit seiner Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» mehr Pflegepersonal und die Sicherung der Qualität in der Pflege. Die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit möchte der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberstellen.
Der Gegenvorschlag in Form der parlamentarischen Initiative «Für eine Stärkung der Pflege – für mehr Patientensicherheit und mehr Pflegequalität» nimmt wichtige Forderungen der Volksinitiative auf. Ziel ist es, mit einer Ausbildungsoffensive dem Mangel an Pflegefachpersonen zu begegnen und die Kompetenzen des Pflegepersonals zu erhöhen. Für die Dauer von acht Jahren sind Finanzhilfen vorgesehen, mit denen die Ausbildungsabschlüsse im Pflegebereich erhöht werden sollen.
Bundesrat will Pflegeausbildung stärken
Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich eine Stärkung der Pflegeausbildung. Mit dem Gegenvorschlag sollen Ausbildungsbetriebe verpflichtet werden, mehr Pflegefachpersonen zu schulen. Dafür werden sie von Bund und Kantonen finanziell unterstützt.
Er spricht sich zudem dafür aus, dass die Kantone angehende Pflegefachpersonen, die sich an den Höheren Fachschulen oder an Fachhochschulen ausbilden lassen, mit Ausbildungsbeiträgen unterstützen können. Anders als der Gegenvorschlag möchte der Bundesrat jedoch keine entsprechende Verpflichtung der Kantone. Richten Kantone Ausbildungsbeiträge aus, würde sich der Bund finanziell beteiligen. Durch diese Massnahme sollen zusätzliche Personen für die Ausbildung in Diplompflege gewonnen werden. Zudem sollen Personen angesprochen werden, wieder ins Berufsleben einzusteigen oder von einem anderen Beruf in den Pflegebereich zu wechseln. Nach Ansicht des Bundesrates führt dies zu einer deutlichen Steigerung der Ausbildungstätigkeit.
Anschubfinanzierung von 369 Millionen Franken
Für die Ausbildungsbeiträge sowie die Beiträge an die Betriebe schlägt der Bundesrat eine Anschubfinanzierung von 369 Millionen Franken vor, 100 Millionen weniger als der Gegenvorschlag. Bund und Kantone sollen zudem Massnahmen treffen, um die Ausbildungsabschlüsse an Höheren Fachschulen, aber auch an Fachhochschulen von heute 2700 auf 4300 pro Jahr zu erhöhen.
Schliesslich unterstützt der Bundesrat auch die Förderung interprofessioneller Projekte, um die Effizienz in der medizinischen Grundversorgung zu stärken. Pflegefachpersonen erhalten dadurch die Möglichkeit, Finanzhilfen für innovative Projekte in der Gesundheitsversorgung zu beantragen.
Kostensteigerung verhindern
Der Bundesrat lehnt es jedoch ab, dass die Pflegefachpersonen ihre Leistungen direkt mit den Krankenversicherern abrechnen können, wie dies Initiative und Gegenvorschlag fordern. Dies könnte zu unerwünschten Kostensteigerungen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung führen und widerspricht dem Ziel des Bundesrates, die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen.
Um die Autonomie der Pflegefachpersonen zu stärken, hat das Eidgenössische Departement des Innern zudem bereits eine Änderung der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) verabschiedet. Damit wird die Tätigkeit der Pflegefachpersonen aufgewertet: Die Pflegefachpersonen können künftig den Pflegebedarf für einen Teil der Leistungen ohne ärztliche Anordnung ermitteln. Damit wird einem zentralen Anliegen der Initiative entsprochen. Die Verordnungsänderung tritt auf den 1. Januar 2020 in Kraft.
SBK fordert weitere Massnahmen
Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK begrüsst, dass der Bundesrat die Ausbildungsoffensive beschlossen hat, im Unterschied zu seiner ursprünglichen Haltung. Hingegen relativiert der Bundesrat die Verpflichtung der Kantone, Pflegefachpersonen während ihrer Ausbildung finanziell zu unterstützen, mit einer "Kann"-Formulierung. Zudem lehnt er die direkte Abrechnungsmöglichkeit immer noch ab.
Diese Kann-Formulierung bedeutet, dass es den Kantonen freigestellt wäre, individuelle Unterstützungsbeiträge für Pflegefachpersonen in Ausbildung zu sprechen. Im Vorschlag der Kommission, ist eine Verpflichtung der Kantone vorgesehen. Für den SBK sind neben Investitionen in die Ausbildung zwingend Massnahmen zum Erhalt des Personals im Beruf notwendig. Nur so wird es gelingen, dass auch in Zukunft ausreichend Pflegefachpersonal für den zunehmenden Bedarf vorhanden ist, um die Patientensicherheit und die Pflegequalität zu gewährleisten. «Um die Attraktivität des Berufs zu steigern, braucht es auch die gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege», erklärt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des SBK.
Der indirekte Gegenvorschlag ist in der heutigen Form eine reine Bildungsoffensive. Damit die Investitionen nachhaltig und zielführend zu Gunsten der Patientensicherheit und Pflegequalität eingesetzt werden, braucht es laut SBK zwingend Massnahmen zur Erhöhung der Berufsverweildauer.
Dies anerkennt neu auch der Bundesrat. Allerdings ist die Regierung der Meinung, dass die Umsetzung entsprechender Massnahmen eine Aufgabe der Sozialpartner sei. Der SBK beruft sich auf wissenschaftliche Studien, die belegen, dass die Sterblichkeit der Patienten zunimmt und Komplikationen häufiger vorkommen, wenn nicht genügend gut qualifiziertes Pflegefachpersonal im Pflegeteam vorhanden ist. Der SBK fordert das Parlament auf, die Pflegequalität durch die Annahmen der Minderheitsanträge zu einer bedarfsgerechten und sicheren Personalausstattung und zu einer Pflicht der Arbeitgeber, sich einem Gesamtarbeitsvertrag anzuschliessen, sicherzustellen.
Der Pflegeinitiative und der indirekte Gegenvorschlag werden in der Wintersession vom Nationalrat diskutiert. Der SBK fordert das neu zusammengesetzte Parlament dazu auf, entweder die Pflegeinitiative zu unterstützen oder deren Kernforderungen in den indirekten Gegenvorschlag einzuarbeiten.