Die Kritik des Spitalverbandes H+ im Wortlaut:
Die Mitte Februar 2020 vom Bundesrat in Vernehmlassung geschickte Revision der Krankenversicherungsverordnung KVV wirkt sich gravierend auf die Spitallandschaft und damit Gesundheitsversorgung der Schweizer Bevölkerung aus. Das Benchmarking mit «Einheitsbaserate» wird ein landesweites Spitalsterben einleiten und zu höheren Kosten in den Kantonen führen.
Mit der KVV-Revision, welche der Bundesrat im Februar 2020 in die Vernehmlassung geschickt hat, überschreitet der Bundesrat in mehrfacher Hinsicht seine Kompetenzen mit weitreichenden Konsequenzen für die Schweizer Spitäler und Kliniken. 120 Spitalstandorte sollen gemäss den Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit geschlossen werden. Dies würde zu einem Stellenabbau von 10'000 Spitalangestellten führen. Damit gefährdet der Bund die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten. Dies zeigt ein von H+ in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten.
Die Verordnung verstösst gegen Verfassungsrecht und enthält Bestimmungen mit Gesetzes-Charakter ohne vom Parlament verabschiedete Grundlagen. Nach Ansicht von H+ umgeht der Bund damit das Parlament und das Stimmvolk mit politischen Zielsetzungen, die demokratisch nicht legitimiert sind. Spitalsterben ist vorprogrammiert Der Bundesrat will einen einheitlichen Effizienzmassstab für das Benchmarking vorschreiben. Dies obwohl das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2019 einen solchen als «gravierend verzerrt» verworfen hat. Ein solcher Effizienzmassstab führt mittelfristig zu einem Ausbluten der Spitäler und Kliniken und zu einem Spitalsterben, denn der Branche würden mit dieser Massnahme jährlich rund CHF 670 Mio. fehlen.
Dabei wird es vor allem kleinere Spitäler treffen, welche häufig in ländlichen Gebieten oder Bergregionen ein wichtiger Teil der medizinischen Grundversorgung sind. Ein solch tiefer Effizienzmassstab verunmöglicht den Spitälern und Kliniken zudem, ihre Leistungen kostendeckend zu erbringen uns dringend notwendige Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Dies wird zu einem Qualitätsabbau auf Kosten der Patientinnen und Patienten führen. Finanzlast der Kantone nimmt zu Mit dem Effizienzmassstab, der faktisch eine «Einheitsbaserate» bedeutet, nimmt der Bundesrat den Tarifpartnern den Grundsatz der Tarifautonomie aus der Hand und verunmöglicht so das Aushandeln sachgerechter und kostendeckender Tarife.
Den Tarifpartnern werden damit Handschellen angelegt
Weiter beurteilt H+ kritisch, dass sich der Bundesrat bei der Definition der neuen Vorgaben offensichtlich nicht von fundierten, datenbasierten Analysen leiten lässt und er auch keine Folgeabschätzung vorgenommen hat. Im Vordergrund stand offenbar einzig die Aussicht auf eine Kosteneinsparung zugunsten der OKP und zulasten der Spitäler. Dass eine solche Kosteneinsparung ausgehend von den heute geltenden Tarifen sachlich angezeigt oder gerechtfertigt wäre, wird vom Bundesrat in keiner Weise belegt. H+ wird sich dafür einsetzen, dass diese Verordnung nicht in Kraft gesetzt wird. Nur so können die bereits laufenden kantonalen Spitalplanungen abgeschlossen werden.
Der Bund geht in der Tat von Einsparungen von rund 530 Millionen Franken aus, das entspricht rund fünf Prozent der aktuellen Spitalkosten. Damit liegen die geplanten Einsparungen etwas unterhalb der Kostensteigerung des letzten Jahres und etwa in der Grössenordnung der Einsparungen, die mit dem Tarmed-Eingriff im ambulanten Bereich durchgeführt wurden.
Es liegt nahe, dass mit stärkeren Kostensenkungen vielen kleineren Spitälern die Luft ausgeht. Aber weniger Spitäler bedeuten nicht automatisch eine Verringerung der Qualität. Im Gegenteil. Avenir Suisse weist in einer aktuellen Analyse darauf hin, dass sich die Schweiz zu viele Spitäler leistet, die zu viele Leistungen anbieten. Darunter leidet die Qualität, weil manche Eingriffe zu selten durchgeführt werden. Avenir Suisse empfiehlt eine Spezialisierung an wenigen Hauptstandorten, ergänzt mit dezentralen Notfallangeboten, wie es der Kanton St. Gallen aktuell anstrebt.