Die COVID-19-Krise trifft Spitäler und Kliniken gleich in doppelter Hinsicht. Gemäss der COVID-19-Verordnung 2 des Bundesrats durften sämtliche Gesundheitseinrichtungen zwischen dem 17. März und dem 27. April 2020 nur noch dringend angezeigte Eingriffe vornehmen; sämtliche elektiven Eingriffe waren untersagt. Gleichzeitig mussten Krankenhäuser gemäss den kantonalen Massnahmenplänen ressourcenintensive Sonderleistungen erbringen. Nebst der Bereitstellung von zusätzlichen IPS-Betten, Beatmungsgeräten und Schutzmaterial musste das Ärzte- und Pflegepersonal in st.ndiger Bereitschaft gehalten und teilweise zusätzlich ausgebildet werden. Im Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen konnte nur beschränkt auf Ferien, Weiterbildungen oder Kurzarbeit zur Schonung der Finanzsituation zurückgegriffen werden. Viele Kliniken und Spitäler haben daher im März und April finanzielle Einbussen in Millionenhöhe erlitten. Sollte sich eine zweite Welle abzeichnen, wie gewisse Epidemiologen befürchten, dürften wieder ähnliche Massnahmen ergriffen werden.
Regulatorischer Flickenteppich
Nachdem die grosse Welle von COVID-19-Patienten in den meisten Regionen (glücklicherweise) ausgeblieben ist, stellt sich die Frage, wer für den von den Spitälern erlittenen Schaden aufkommt. Dies gilt insbesondere (aber nicht nur) für private Institutionen, die auf keine finanzielle Rückendeckung durch den Staat zählen können. Stehen der Bund, die Kantone oder die Krankenversicherer in der Pflicht? Oder bleiben die Spitäler auf den Verlusten sitzen? Während Bund und Krankenversicherer eine Entschädigungspflicht (jedenfalls bis zum Redaktionsschluss) ablehnen, gehen die einzelnen Kantone unterschiedliche Wege. Wie in anderen Bereichen (z. B. Schulunterricht oder Kinderbetreuung) führt der Föderalismus auch im Gesundheitswesen zu einem regulatorischen Flickenteppich. So erliess beispielsweise der Kanton Bern bereits am 26. März 2020 eine Verordnung über Massnahmen zur Bewältigung der Coronavirus-Krise im Gesundheitswesen. Danach sollen alle Berner Spitäler schadlos gehalten werden, indem ihre diesjährigen Ertragsausfälle basierend auf den Umsatzzahlen des Vorjahres bis zu einer EBITDA-Marge von acht Prozent ausgeglichen werden. Ähnliche Regelungen bestehen etwa in den Kantonen Graubünden, Solothurn und Thurgau.
Andere Kantone, so etwa der Kanton Zürich, haben die Entschädigungsfrage (bis zum Redaktionsschluss) nicht geregelt. In seinen "Anordnungen und Empfehlungen an Spitäler betreffend Coronavirus" hat die Zürcher Gesundheitsdirektion bislang lediglich festgelegt, nach welchen Kriterien die Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten abgegolten werden soll. In dieser Hinsicht wird auf das Faktenblatt "Kostenübernahme für die stationäre Behandlung im Rahmen der COVID-19-Pandemie" des Bundesamts für Gesundheit vom 31. März 2020 verwiesen. Das Faktenblatt sieht vor, dass Vorbereitungshandlungen wie Patienten-Triage oder Quarantäne-Massnahmen nicht abgegolten werden, sondern "typischerweise zur kantonalen Grundversorgung gehören". Damit wird der Ball zurück an die Kantone gespielt. Laut Aussagen mehrerer Spitäler sind die Tarife für COVID-Behandlungen zudem nicht kostendeckend.
Rechtsgrundlagen für Entschädigung bereits vorhanden
Eine Durchsicht der kantonalen Gesundheits- und Spitalgesetze zeigt, dass verschiedene Kantone bereits heute über Rechtsgrundlagen zur Entschädigung von gemeinnützigen Leistungen der Spitäler verfügen. Als Beispiel sei der Kanton Zürich erwähnt, der kürzlich eine im Jahr 2018 verabschiedete Änderung des Gesundheitsgesetzes frühzeitig (und rückwirkend auf den 1. M.rz 2020) in Kraft gesetzt hat. Nach dem neuen §54 Abs. 3 des Gesundheitsgesetzes kann der Kanton für die Kosten, die Dritten durch ihre Mitwirkung beim Vollzug des Epidemiengesetzes entstehen, Subventionen von bis zu 100 Prozent leisten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Der Regierungsrat stellt in seinen Weisungen klar, dass mit "Dritten" nebst Gemeinden auch Gesundheitsfachpersonen oder -institutionen sowie gemeinnützige Organisationen gemeint sind, denen Kosten bei der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten entstehen.
Abgesehen von der genannten neuen Bestimmung im Gesundheitsgesetz sieht bereits §11 Abs. 1 lit. c des zürcherischen Spitalplanungs- und –finanzierungsgesetzes vor, dass der Kanton Listenspitäler mit bis zu 100 Prozent der ungedeckten Kosten subventionieren kann, wenn diese im Zusammenhang mit kantonalen Leistungsaufträgen gemeinwirtschaftliche Leistungen für das Gesundheitswesen erbringen und die Tarife nicht kostendeckend sind. Ähnlich sieht beispielsweise das SPFG des Kantons St. Gallen vor, dass für die "Sicherstellung versorgungspolitisch notwendiger stationärer Pflichtleistungen" Beiträge an die Betriebs- und Investitionskosten der Spitäler bezahlt werden können. Davon abgesehen stellt sich die Frage, ob die von Bund und Kantonen getroffenen Massnahmen nicht derart stark in die Eigentumsgarantie eingreifen, dass den Spitälern ein Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung zusteht.
Ausrichtung von Subventionen
Die Voraussetzungen für Entschädigungen und die korrekte Vorgehensweise sind für jeden Kanton gesondert zu prüfen. Als Beispiel sei wiederum der Kanton Zürich herausgegriffen, wo sich die Subventionen nach dem Staatsbeitragsgesetz richten. Staatsbeiträge werden nach dem Ausmass des öffentlichen Interesses gewährt (§5 Abs. 2 des Staatsbeitragsgesetzes). Dass an der Bereitstellung von Behandlungskapazit.ten im Rahmen der COVID-19-Krise und zudem an der längerfristigen Aufrechterhaltung der kantonalen Spitalversorgung ein beträchtliches öffentliches Interesse besteht, dürfte unbestritten sein. Gestützt auf die genannten Gesetzesbestimmungen hätte der Kanton Zürich die Möglichkeit, gleich wie andere Kantone eine konkretisierende Verordnung zu erlassen oder die bestehenden Anordnungen und Empfehlungen an Spitäler um entsprechende Entschädigungsregelungen zu ergänzen.
Ebenso steht es den Leistungserbringern frei, beim zuständigen Kanton ein schriftlich begründetes Subventionsgesuch gemäss Staatsbeitragsgesetz zu stellen. Im Gesuch wäre insbesondere aufzuführen, welche Umsatzeinbussen (etwa im Vergleich zu den Vorjahren) und welche Zusatzkosten (Vorhalteleistungen) im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung entstanden sind. Über Gesuche wird durch Beschluss oder Verfügung entschieden, wobei die Behörde ihr Ermessen pflichtgemäss, das heisst unter Beachtung des Willkürverbots, des Gleichbehandlungsgebots und des Verhältnismässigkeitsprinzips sowie des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Ordnung und der dort angelegten öffentlichen Interessen auszuüben hat.