Die Antworten erschliessen sich, je nach Art der Institution, wenn man gewillt ist zur betriebswirtschaftlichen Ratio noch die empathische andere Gehirnhälfte einzusetzen und die Frage anders aufzubauen. Im vorliegenden Projekt sah diese so aus.
Wenn die VerPflegung einen wesentlichen Teil der Pflege darstellt (Workshopergebnis), wollen wir diesen Part selbst professionell bedienen? Wenn ja – mit welchen Ressourcen und mit welchen Infrastrukturen? Und schlussendlich – können/wollen wir uns das zukünftig leisten?
Die Institution, welche zukünftig eine Leuchtturmfunktion in Sachen Prozessund Kompetenzküche in der Schweiz darstellen wird, hat sich ganz klar für die Produktion im eigenen Haus entschieden.
Erster massiver Grundlagenentscheid war der Systemwechsel weg von der warmen Linie und dem Bandanrichten hin zur kalten Linie, Forecastcooking und «Essen nach dem Lustprinzip». Dabei wurden die Kriterien wie Qualitätssteigerung durch massiv kürzere Warmhaltephasen sowie die aktive Interaktion mit den Patienten während der Servicezeiten am höchsten gewichtet.
Als Projekteinschränkungen wurden die Beibehaltung des heutigen Personalbestandes – trotz Verdoppelung des Outputvolumens – wie auch die Verpflichtung zur Beibehaltung der bisherigen Produktionsfläche definiert.
Bereits im erweiterten Analyseprozess wurde klar, dass diese Aufgabe nur durch perfekt aufeinander abgestimmte Systemtechnik realisierbar sein würde. Ende 2020 fiel auch der Startschuss für die erste Investitionsrunde mit der Vorgabe, dass sämtliche Prozessgeräte auch in der neuen Küche eingesetzt werden können. Die bewilligten Investitionen waren auch gegenüber der Küchencrew ein eindeutiges Zeichen, dass jetzt endlich etwas passiert – nach rund 10 Jahren zuwarten.
Erste Investition in Hard- und Software
Das lange Zuwarten hat in allen Prozessbereichen zu Investitionsstaus geführt. Insbesondere die gesamte IT für die Küche war quasi nicht existent und basierte mehrheitlich auf Erfahrungswerten der Produktionsmitarbeitenden. Hier wurde als erster Schritt in aktuelle Hard- und Software investiert. Damit war der Weg geebnet, die Angebotsplanung in einem mehrstufigen Arbeitsprozess zu erarbeiten und sämtliche Rezepturen systematisch zu hinterlegen. Der IT-Entscheid für die Rezeptierung und das Produktionsprogramm viel auf die Software der Firma Optisoft – Paulis Kitchen Solution. Beim Frontend – der personenbezogenen Speisenbestellung, konnten die Spezialisten der Boxler Informatik mit ihren Modulen überzeugen. Beide Unternehmen haben ihre Schnittstellen derart optimiert, dass ein reibungsloser Bestell-Produktions- Logistikprozess stringent gewährleistet werden kann.
Um die Mitarbeitenden auf die grossen Herausforderungen 2023 optimal vorbereiten zu können, wurde bereits im Vorfeld in eine «Pilotphase» investiert. Diese erlaubt es, alle neuen Produktionsprozesse Schritt für Schritt zu üben und mit modernster Prozesstechnik umzusetzen. Dazu gehören beispielsweise eine Bratstrasse mit Teflonbandführung, neueste Kochkesseltechnik, HotFill-Systeme und als Masterpiece im Bereich Kühltechnik – eine ultrakompakte Vakuumkühlung mit Sattdampfeinspritzung der Firma Glavatec aus Glarus. Diese Kühltechnik erlaubt es, dass z. B. 100 Kilo kochende Polenta in 8–10 Minuten auf unter 5° C gekühlt werden kann, egal in welchen Behältern die Ware abgefüllt wurde. Zudem eignet sich das System zum raschen Kühlen von Suppen und Saucen, welche in Grossbehältern eingebracht werden können. Durch den Einsatz der Sattdampfeinspritzung werden vielfältige Garoptionen möglich. Hier steht uns ab Mai 2021 eine herausfordernde Entwicklungszeit bevor. Man darf gespannt sein. Vielleicht muss das eine oder andere Kochbuchkapitel danach neu geschrieben werden.
Ziel der Pilotphase ist es, bis Herbst 2021 rund 80 Prozent der Prozesse auf die neuen Produktionsmethoden adaptiert zu haben. Jede Komponente muss entsprechend der Methode danach nochmals rezeptiert bzw. die bestehende Rezeptur überarbeitet und in der Rezepturdatenbankvon PKS hinterlegt werden. 2022 werden dann laufend sämtliche Prozesse optimiert, solange, bis für jede Komponentencharge Prozesssicherheit gewährleistet werden kann. Betriebswirtschaftlich interessant ist zudem die Möglichkeit, anderen Institutionen, welche sich gegen eine eigene Küche entschieden haben, die fertigen Komponenten anzubieten und diese zu beliefern. Durch die Verpackung in speziellen Vakuumschalen mit Edelstahldeckel sowie den versiegelten HotFill-Beuteln ist eine längere Haltbarkeit ohne Qualitätsverlust gewährleistet. Mögliche Kunden benötigen vor Ort nur noch eine minimale Infrastruktur, im Rahmen einer Kompetenzküche, für die Regeneration.
Das System erlaubt eine absolut flexible Produktionsausdehnung von mehreren 100 Einheiten, ohne einer spürbaren Mehrbelastung der Mitarbeitenden.
In den nächsten Wochen wird das Investitionsbudget für den gesamten Küchenneubau verabschiedet. Ab diesem Zeitpunkt werden wir detaillierter über die einzelnen Prozesse in diesem spannenden und zukunftsweisenden Projekt berichten. Dies soll anderen Institutionen, welche vor der Entscheidung «selber kochen oder kochen lassen» stehen, Mut machen, proaktiv in die eigene kulinarische Zukunft zu investieren. Optimal aufeinander abgestimmte Prozesstechniken erlauben es, auch heute noch eine eigene Küche betriebswirtschaftlich interessant zu betreiben. Und damit bleibt die gesamte, verpflegungsrelevante Flexibilität im eigenen Haus erhalten.