Make or buy? Auf Englisch klingt diese Frage für viele Köche noch cool. Etwas anders formuliert, treibt es den Workshopteilnehmern die Schweissperlen auf die Stirn, und wenn dann bezüglich des quantitativen und qualitativen Wertschöpfungspotenzials der einzelnen Komponenten nachgebohrt wird, herrscht in den stahlkappenbestückten Arbeitsschuhen Aquaplaning-Gefahr.
Wenn wir beispielsweise über den Einkauf von durchgegarten, schockgefrosteten Reissorten sprechen, sehen mache Teilnehmer schon ihre Jobs in Gefahr. Und die Besitzstandswahrung geht so weit, dass das Commitment für eine zukünftige «wir kochen ALLES am Menütag selber frisch» im Raum steht. Spätestens jetzt ist es Zeit für eine erste, längere Workshoppause.
Der Raum frisch gelüftet, die Gemüter wieder auf einer ordentlichen Denkfrequenz, geht es jetzt in die Umsetzungsrunden. Fakt ist, dass mit dem aktuellen Personalbestand eine Top-Qualität auf die Teller der Gäste – egal ob interne oder externe – gezaubert werden muss. Und dies bei gleichbleibendem Budget pro Tagesverpflegung. Hinzu kommen die Ansprüche der Ernährungsberatung sowie der Diätverantwortlichen für jede Menge Sonderkostformen. Spätestens hier wird realisiert, dass doch nicht alles ganz frisch produziert werden kann.
Der zweistufige Präzisionskochprozess
Es zeigt sich, dass das grösste Sparpotenzial beim Produktionsprozess in der Cook&ChillMethodik liegt. Das zeitentkoppelte Kochen muss jedoch entsprechend verstanden werden. Es bringt relativ wenig – eigentlich gar nichts – wenn das Gemüse am Morgen im Drucksteamer in rund 5–6 Minuten gegart, danach im vorgekühlten Schocker in den geforderten 90 Minuten auf unter 5 Grad gekühlt wird, um dieses drei Stunden später für das Mittagsservice wieder auf Verzehrtemperatur zu bringen. Zeitentkoppelt bedeutet, über mehrere Tage vorproduziert und in den entsprechenden Gebinden für den jeweiligen Menütag bereitgestellt. Der hier aufgeführte zweistufige Präzisionskochprozess bietet Wertschöpfungspotenziale in mehreren Sequenzen. Der wichtigste Entscheid ist jedoch, welche Produkte überhaupt produziert werden sollen. Es sind Produkte, welche beispielsweise einen hohen Anspruch an die Kochkompetenzen des Teams haben. Produkte, die es nur in diesem Restaurant in dieser Qualität gibt. Produkte, welche die Küche der Institution weit über die Ein und Ausgangstüre hinaus bekannt machen. Produkte, für welche der Gast bereit ist, Geld gerne auszugeben. Gerichte, über welche lange nach dem Verzehr noch geschwärmt wird. Gerichte, zu welchen ich gerne mal gute Freunde einlade.
Eine entscheidende Frage lautet: Gehört der Basmatireis und die gekochten Kartoffeln dazu? Und hier scheiden sich die Geister. In meinen Betrieben sind dies Produkte, welche mit einem hohen Conveniencegrad eingekauft werden.
Conveniencegrade zur Erinnerung
- Frisch aus dem Boden – Fertigungsgrad 0
- Garfertige Produkte – geschält und/oder geschnitten
- Aufbereitfertige Produkte – ab hier wird keine Kochkompetenz mehr benötigt
- Regenerierfertige Produkte
- Verzehrfertige Produkte
Die Prozessküchen spezialisieren sich mehrheitlich auf die Menülinien mit Fleisch sowie den vegetarischen/veganen Spezialitäten. Thema Saucen: Um eine Genusssauce auf den Teller zu bringen, reichen die «Pulverpackungen» nicht. Hier ist die klassische Küche gefragt, und es darf weiterhin gehofft werden, dass die «jungen» Köche noch schöne Jus in allen Varianten ansetzen dürfen beziehungsweise dies von der Basis auf, inklusive Reduktionen, lernen. In den Prozessküchen wird dann eben ein 150-Liter-Kessel angesetzt und die fertigen Saucen im HotFill-Prozess in entsprechende Gebinde abgefüllt. Gekühlt rund 21 Tage haltbar, alternativ im Tiefkühler viele Monate länger.
Steht dann ein feines Geschnetzeltes oder ein Ragout wie jetzt in der Wildsaison auf der Karte, dann kann sich diese Komponente zu einem absoluten Highlight entwickeln. Wie jetzt aber mit Rotkraut, Rosenkohl, Spätzle, der Birne und den Preiselbeeren verfahren? Hier beginnt der Freiraum für die Küche. Aber immer mit derselben Frage: Was spürt der Gast von den selbst gemachten Zutaten. Ist ein Mehrwert beim Rotkraut erschmecklich? Oder reicht eine gute Conveniencequalität aus?
Ein Beispiel
Nehmen wir ein klassisches Madras Curry. Was interessiert den Curryliebhaber an diesem Gericht? Zartes Pouletfleisch mit einer hammerhaft gewürzten, wunderbar dunkelgelben Madras-Currysauce. Hier ist das Rezept beziehungsweise der Kochkünstler gefragt. Was ist mit der Stärkebeilage – dem Reis? Der muss vorhanden sein, weiss und in genügender Menge. Eventuell als Reisring ausgestaltet. Bis heute ist mir kein Fall bekannt, wo ein Gast das Rezept für den Reis haben wollte. Und hier beginnt der Buy-Prozess. Folgende Fragen müssen in diesem Prozess beantwortet werden:
- Welchen Reis kaufe ich ein?
- Welcher Conveniencegrad soll es sein?
- Wie ist der Reis verfügbar?
- Was kostet mich die Produktion von Reis im «Cook and Chill Prozess» bis zum Verzehr?
- Welche Anbieter gibt es für fertige Produkte?
- In welchen Mengen sind diese verfügbar?
Hier ein Beispiel aus der Praxis:
- Langkorn- und Basmatireis
- Conveniencegrad 4
- Durchgegart und lose schockgefrostet im 1,5–Kilo-Pack
- Personalisierte Konfektionierung – 10 Portionen à 150g
- 1 Kilogramm kostet rund CHF 1,90
- Vollkostenrechnung für interne Produktion: 1 Kilogramm rund CHF 3,80 über alle Prozesse
- Anbieter vorhanden
- Losgrössen in grösseren Quantitäten vorhanden
Pouletfleisch aus nachhaltiger Schweizer Produktion. Hochwertige Madras-Currymischung und ein wunderbares Rezept eines Mitarbeiters mit indischen Wurzeln. Für dieses Gericht wurde der Betrieb von wissenden externen Gästen gestürmt. Und das Rezept hat in vielen Privathaushalten, mit der entsprechenden Wertschätzung gegenüber der Herausgeber, Einzug gehalten.
Fazit: Auf das Wichtigste konzentrieren
Generell kann gesagt werden, dass sehr viele Stärkebeilagen in ausgezeichneter Conveniencequalität im Markt verfügbar sind. Man muss sich nur dafür interessieren. Dasselbe gilt für Gemüse bzw. Gemüsemischungen. Hier spielt die zweite Stufe des Produktionsprozesses eine wesentliche Rolle. Der Koch vor Ort hat hier alle Möglichkeiten zur Verfeinerung der Produkte. Er/Sie muss es nur TUN.
Quintessenz aus heutiger Sicht. Produkte, welche für den Gast eine «Selbstverständlichkeit» darstellen, wie z.B. Teigwaren, Reis, andere Kornprodukte etc. sollen in den Conveniencestufen 4 und 5 eingekauft und vor dem Verzehr minimalst optimiert werden.
Produkte, welche eine kochtechnische Handschrift tragen, sollen von Grund auf selber hergestellt werden. Dabei ist selbstverständlich auf die Regionalität und die Bioqualität zu achten. Wer dann noch die Anrichtekunst des Tellers beherrscht, kann seine Gäste immer wieder für die «eigene» Küche begeistern. Und die Finanzabteilung freut sich über die Einhaltung der budgetierten Warenkosten. Damit sind die Arbeitsplätze weitgehend vor dem Outsourcing zu bekannten Caterern gesichert, und es kann vermehrt auf die wachsenden Anforderungen bezüglich Sonderkostformen oder Ähnlichem Rücksicht genommen werden. Denn es gibt die meisten oben genannten Beilagen auch in gluten- und/oder laktosefreien Varianten. Den Köchinnen und Köchen darf gesagt werden: Ihr werdet mehr gebraucht denn je – aber bitte verwendet eure wertvollen Ressourcen in Bereichen, welche die Gäste wertschätzen. Alles andere darf, sofern der Preis stimmt, eingekauft werden.