Das elektronische Patientendossier (EPD) wird in der Schweiz seit 2020 nicht zentral, sondern dezentral eingeführt. EPD-Anbieter sind dabei sogenannte regionale Stammgemeinschaften, die aus Zusammenschlüssen von Gesundheitsfachpersonen und deren Einrichtungen innerhalb eines oder mehrerer Kantone bestehen. Unterscheidungsmerkmal zu anderen Stammgemeinschaften ist hierbei, dass die Stammgemeinschaft Abilis nicht auf die Kantonsebene beschränkt ist, sondern das EPD in der gesamten Schweiz anbietet. Patienten haben die Möglichkeit, ein EPD bei einer dieser bestehenden Stammgemeinschaften zu eröffnen. Voraussetzung für die optimale Wertschöpfung aus dem EPD ist weiterführend also die Interoperabilität, sprich Vernetzung der unterschiedlichen Systeme, um die sichere Nutzung des EPD zwischen verschiedenen Stammgemeinschaften zu gewährleisten. Technische, organisatorische, aber auch finanzielle Hürden sorgen jedoch dafür, dass die Umsetzung des EPD eher schleppend vorangeht. Es sieht jedoch so aus, als würde dieses Problem in diesem Sommer gelöst werden.
Zunehmenden Erfolg verzeichnet allerdings das EPD der Abilis-Apotheken, welches seit 2022 im Einsatz ist. Diese neue Abilis-EPD-Plattform stammt von Ofac, der Berufsgenossenschaft der Schweizer Apotheker. Die Entwicklung begann im Jahr 2017 mit der Gründung der Stammgemeinschaft Abilis, die auf die Zusammenarbeit von Ofac und pharmaSuisse, dem Schweizerischen Apothekerverband, zurückzuführen ist. Um einen gewinnbringenden Business-Case zu gewährleisten, wird die EPD-Plattform durch eine eHealth-Plattform gleichen Namens ergänzt. Die dadurch zusätzlich verfügbaren Module erleichtern Apotheken den Alltag, indem sie eine digitale Vernetzung mit Kunden schaffen und dadurch eine ganzheitliche Betreuung ermöglichen.
Grosse Vorteile für Apotheken und Patienten
Nutzer der Abilis-Plattform profitieren so von der Integration der EPD-Plattform in die digitale Gesundheitsplattform, insbesondere aber auch von der Integration in die Primärsysteme der Apotheken. Dadurch wird ein Zusatzaufwand für Prozesse rund um das EPD vermieden. Die höchste Priorität stellt für Ofac der Datenschutz und die Datensicherheit dar. Deshalb liegen alle Daten auf Schweizer Servern. Zudem überzeugt das System durch seine Stabilität und Hochverfügbarkeit.
Patienten können in einer Abilis-Partnerapotheke ohne grossen Aufwand und innerhalb weniger Minuten eine elektronische Identität – TrustID – generieren und ein EPD eröffnen. Danach stehen die eigenen Daten jederzeit und vor allem sicher zur Verfügung. Im Sinne der Benutzerfreundlichkeit bietet Ofac für den Zugriff neben einem Webportal auch eine App für Android und iOS. Mit der mobilen App können Patienten ihre Daten abrufen, sie verwalten, Fotos von Dokumenten machen und diese hochladen. Patienten, die bereits die digitale Gesundheitsplattform nutzen, profitieren ausserdem von automatischen Prozessen. So kann ein Medikationsplan in das EPD geladen werden, und auch jegliche Änderungen, wie beispielsweise die Einnahme eines neuen Medikaments oder eine geänderte Dosierung, werden im Plan erfasst.
Herausforderungen zusammen mit Partnern meistern
Bei der Entwicklung der EPD-Plattform hat Ofac auf einer bereits bestehenden IT-Plattform aufgebaut. Erfolgsrezept war dabei die enge Zusammenarbeit und der Wissensaustausch zwischen rund 80 IT-Experten von Ofac und den beiden Lösungspartnern Intersystems und Bint. Dadurch wurden Hürden, insbesondere bei der Konfiguration und dem Zusammenspiel der einzelnen Komponenten, überwunden. Health-Share, die Interoperabilitätsplattform von Intersystems, dient der neuen EPD-Plattform als funktionelle Basis und ermöglicht die Vernetzung im Gesundheitswesen. Dadurch kann Ofac die Daten von Patienten aus allen Quellen zusammenführen, bereinigen und verfügbar machen. Als Implementierungspartner hat Bint zudem Ergänzungen für den Einsatz der Lösung in der Schweiz entwickelt. Folglich erfüllt die EPD-Plattform die Anforderungen des Schweizer Bundesgesetzes über das EPD und die technischen und organisatorischen Zertifizierungsvoraussetzungen. Von Bint stammt ausserdem die App für den mobilen Zugriff auf die Plattform. «Anstatt Probleme zu wälzen, wurden rasch kreative Lösungen gefunden und sauber umgesetzt. So gelang uns eine einfache und schnelle Implementierung der EPD-Plattform. Es ist weiterhin eine grossartige Zusammenarbeit», erklärt Dr. David Voltz, Chief Operating Officer bei Ofac.
Erstklassiger Start des EPD
Viele Patienten eröffnen bei beiden Plattformen von Ofac ein Konto, wenn die Teams in den Abilis-Partnerapotheken sie aktiv darauf ansprechen. Patienten können dadurch zum Beispiel von einem Webshop oder weiteren digitalen Leistungen profitieren – je nachdem, was die Partnerapotheke anbietet. Somit verzeichnet die EPD-Plattform Abilis auch eine höhere Anzahl an Konteneröffnungen verglichen mit Alternativprodukten. Dennoch besteht weiterhin Informationsbedarf, weshalb Ofac der Kommunikation mit den Apotheken einen hohen Stellenwert beimisst und sie bei der Implementierung der Plattformen begleitet. «Unsere Lösung für das EPD findet Zuspruch in der Öffentlichkeit. Das freut uns sehr. Insgesamt bleibt die Zahl der Menschen, die in der Schweiz ein EPD nutzen, allerdings noch weit hinter unserer Vorstellung zurück», ergänzt Voltz.
Weitere Funktionen in der Zukunft
Aktuell finden bei Ofac eine Reihe von Interoperabilitätstests mit anderen Stammgemeinschaften statt . Das Ziel besteht darin, für eine umfassende, landesweite Vernetzung zu sorgen und so den Mehrwert des EPD voll auszuschöpfen. Die Interoperabilität zwischen den Lösungen aller Stammgemeinschaften macht den Kern des Konzepts in der Schweiz aus. Nur unter dieser Voraussetzung gelingt der Datenaustausch zwischen den EPD-Anbietern. Dann können Gesundheitsfachpersonen mit Erlaubnis der Patienten auf alle Daten zugreifen und neue Dokumente ablegen. Ganz gleich, welchen EPD-Anbieter ein Patient, ein Arzt oder eine Apotheke nutzt.
Für eine höhere Benutzerfreundlichkeit digitalisiert Ofac den Prozess für die Eröffnung eines EPD bald vollständig, sodass Patienten ihre Erstanmeldung online durchführen können. Hinzu kommt dann auch ein einfaches Onboarding von Familien mit einer automatischen Stellvertreterfunktion für Eltern. Zudem erweitert Ofac seine EPD-Plattform konsequent, um weitere Funktionen in den Bereichen E-Medikation und E-Impfung, wie beispielsweise zurzeit durch die Integration des Impfmoduls des Bundesamts für Gesundheit (BAG).