Die professionelle Arbeit muss gestärkt und Karrieremöglichkeiten in der Langzeitpflege müssen aufgezeigt werden.
Wie beurteilen Sie das Jahr 2024 für die Pflege?
Das Ja zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) mit Einbezug der Pflege ist ein Meilenstein für das schweizerische Gesundheitswesen. Damit schuf die Stimmbevölkerung die Grundlage für eine transparente und nachhaltig finanzierbare Gesundheitsversorgung. Die Pflege wird nicht mehr nur als verlängerter Arm der Medizin angesehen, und die Entwicklung einer integrierten Versorgung in der Langzeitpflege erhält einen kräftigen Schub. Die kommenden sieben Jahre der Umsetzung sind nun entscheidend.
Welche Rolle wollen Sie dabei übernehmen?
Wir von Curaviva sehen es als unsere zentrale Aufgabe, die chronische Unterfinanzierung der Pflegeinstitutionen sichtbar zu machen und Lösungsansätze zu erarbeiten. Denn nur wenn die Finanzierung der Leistungen gesichert ist, können die Institutionen langfristig ihren Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten.
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit des Bundesrates?
Die Anstrengungen des Bundes für die Umsetzung der Pflegeinitiative sind zu begrüssen. Doch die in der 2. Etappe angestrebte Verbesserung der Arbeitsbedingungen steht und fällt mit der Finanzierung der Umsetzungsmassnahmen. Zudem fordern wir, auf Massnahmen zu verzichten, die die Arbeitskapazität übermässig reduzieren, den Handlungsspielraum für individuell optimal passende Lösungen weiter einengen oder gar an den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden vorbeizielen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie noch?
Weiteren Handlungsbedarf orten wir bei der Finanzierung für Leistungen in den Bereichen Palliative Care und Demenz. Deshalb begrüssen wir die parlamentarische Initiative «Palliative Pflege. Finanzierung klären» sowie den im ersten Quartal erwarteten Bericht des Bundesrats zum Postulat «Betreuung von Menschen mit Demenz. Finanzierung verbessern». Mit Spannung wird auch die bundesrätliche Botschaft zur flächendeckenden Einführung des elektronischen Patientendossiers erwartet. Das Geschäft zu den Ergänzungsleistungen zum betreuten Wohnen hat 2024 eine wichtige Hürde genommen, als der Nationalrat den Forderungen zur Ausweitung des Geltungsbereichs auf IV-Bezügerinnen und -Bezüger, vorschüssig zu bezahlenden Pauschalen und der stärkeren Betonung von psychosozialen Betreuungsleistungen zugestimmt hat. Jetzt ist der Ständerat am Zug.
Wie ist die Stimmung bei Ihren Mitgliedern?
Die Rückmeldungen, die wir bei Umfragen, im Rahmen der Mitwirkungsmöglichkeiten sowie im persönlichen Austausch von unseren Mitgliedern erhalten, zeigen ein klares Bild: Die Unterfinanzierung der Leistungen ist und bleibt für die Pflegeinstitutionen die zentrale Herausforderung. Wie erwähnt fokussieren wir in der politischen Arbeit deshalb stark auf dieses Thema. Was die Branche ebenfalls bewegt: die angespannte Fachkräftesituation, Fragen rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sowie die kontinuierliche Qualitätsentwicklung. Hier setzen wir 2025 gemeinsam mit den Institutionen den Hebel an.
Was heisst das konkret?
Erstens muss die professionelle Arbeit gestärkt und Karrieremöglichkeiten in der Langzeitpflege müssen aufgezeigt werden. Die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner hängt entscheidend von einer professionellen Pflege und Betreuung durch qualifizierte Fachkräfte ab. Angesichts des Fachkräftemangels müssen wir die Pflegeberufe deshalb dringend bekannter machen und mehr Menschen für eine Laufbahn in der Pflege gewinnen. Dafür arbeiten wir mit Partnerorganisationen zusammen, mit denen wir unter anderem nationale und kantonale Kampagnen lancieren.
Welche sind das?
Etwa «Karriere machen als Mensch», «Métiers pour la Vie» (Kanton Genf), «Leben influencen» (Kanton Thurgau) und «I love my job. Langzeitpflege » (Graubünden). In unserer Öffentlichkeitsarbeit machen wir zudem sichtbar, wie viel in den Pflegeinstitutionen in Bewegung ist und wie intensiv sie sich für attraktive Arbeitsbedingungen einsetzen. Dazu gehören zum Beispiel individuelle betriebliche Lösungen, damit sich Privatleben und berufliches Engagement möglichst gut vereinbaren lassen, ein angenehmes und konstruktives Arbeitsklima sowie Massnahmen zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit.
Was ist noch wichtig?
Das Thema Digitalisierung und KI: Pflegeheime müssen ausserhalb ihres Kerngeschäfts – der Pflege und Betreuung von unterstützungsbedürftigen Menschen – immer mehr Anforderungen erfüllen und über immer mehr Kompetenzen verfügen. Dies gilt ganz besonders für den digitalen Raum. Ein Beispiel: Aktuell befassen sich viele Institutionen intensiv mit Digital Health, der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten sowie den Risiken und Chancen von Künstlicher Intelligenz (KI). 2025 widmen wir diesem Themenkreis deshalb verschiedene Webinare.
Wie stehen Sie zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz?
Der Einsatz von KI ist speziell anspruchsvoll. Zum einen eröffnet KI vielversprechende Optimierungspotenziale in Institutionen des Sozialund Gesundheitsbereichs. Zum anderen ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit möglichen Risiken notwendig. So stehen Führungspersonen vor der Aufgabe, einen praktikablen und rechtlich-ethisch fundierten Handlungsrahmen zu etablieren, den KI-Einsatz im Betrieb zu entwickeln und die digitalen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern.
Gibt es einen dritten Schwerpunkt für 2025?
Ja, die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Pflege: Die kontinuierliche Verbesserung der Pflegequalität ist essenziell, um den Bewohnenden eine bestmögliche Betreuung zu bieten. Dafür setzen wir auf den Austausch zwischen Institutionen und Forschung, um gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist das Programm NIP-Q Upgrade, das in enger Zusammenarbeit mit Institutionen der Langzeitpflege die datenbasierte Versorgungsqualität verbessert. Das Programm legt den Fokus auf die Datenerhebung, die Weiterentwicklung von Qualitätsindikatoren und die Umsetzung der Erkenntnisse zur Qualitätsentwicklung. Die Branchenentwicklung betrifft aber nicht nur die Pflege. Sie wird auch in den Bereichen Betreuung, Animation, Hotellerie usw. gefördert. Eine zentrale Rolle spielen dabei der Erfahrungsaustausch und der Wissenstransfer unter den Institutionen. Diese Vernetzung wollen wir fördern.