Er jedoch wusste genau, was seinen Kunden gefallen würde und wie es auszusehen hatte. Manche vermuten, dass IPhone und IPad bei Kundenbefragungen glatt durchgefallen wären. Jobs berief sich mit seiner Meinung zu Marktstudien gerne auf ein anderes Genie, Henry Ford: «Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, hätten sie wohl schnellere Pferde von mir verlangt.»
Für Ford und Jobs scheint diese Einstellung finanziell im Grossen und Ganzen ganz gut funktioniert zu haben. Ich habe aber meine Zweifel, ob wir Normalsterblichen eine ähnliche Arroganz an den Tag legen sollten, um mit unserer Arbeit voranzukommen. Ich habe den Verdacht, dass es für ein «normales» Unternehmen durchaus Erfolg versprechend sein kann, sich auf seine Kunden zu konzentrieren und auf diese zu hören. Kein ganz schlechtes
Beispiel ist Jeff Bezos, der sich als reichster Mann der Welt auch keine übertriebenen finanziellen Sorgen mehr machen muss.
Das Wichtigste der für alle bei Amazon Mitarbeitenden geltenden 14 Führungsprinzipien ist «Customer Obsession». Es verlangt, dass alle Mitarbeiter zu 100 Prozent kundenorientiert sind. Bei Amazon ist dieses Leitmotiv nicht wie bei anderen Motiven schmuckes Beiwerk im Geschäftsbericht oder ein plakatives Zitat, das im Eingangsbereich über dem Empfangstresen hängt. Bei Amazon wird dieses Prinzip täglich von Tausenden von Mitarbeitenden gelebt. Bewerber müssen in Einstellungsgesprächen erklären, wie kundenorientiert sie in der Vergangenheit gearbeitet haben und welche Beispiele sie nennen können, die ihre Kundenorientierung belegen. Bei sämtlichen Managemententscheidungen auf allen Ebenen des Unternehmens steht immer die Frage im Mittelpunkt, ob eine Entscheidung gut für den Kunden ist oder wie man den Kunden noch besser zufriedenstellen könnte. Ich habe es selbst als
Amazon-Mitarbeiter vor einigen Jahren erlebt. Es ist beeindruckend und nicht nur aus meiner Sicht eines der entscheidenden Erfolgsgeheimnisse
des Unternehmens.
Wie komme ich eigentlich darauf, Sie mit dem Thema «Kundenorientiertung» zu belästigen, könnten Sie sich jetzt eventuell fragen. Ganz einfach, in dieser Ausgabe haben wir auch ein paar interessante Beispiele, bei denen die Fokussierung auf Kunden neue Produkte hervorgebracht hat und Erfolg verspricht. Zum Beispiel Oliver Hunziker, Software-Entwickler und Gründer von Optisoft, hat im Interview (ab Seite 8) den bemerkenswerten Satz gesagt: «Wir denken uns nichts aus, der Input kommt immer vom Kunden.» Er hat innerhalb kürzester Zeit über 500 Kunden für seine Gastronomie-Software gewonnen. Und den Zürcher Arzt Stefano Giudici hat die Sorge seiner Patienten vor einer Coronainfektion dazu veranlasst, eine Multifunktions-Stele bauen zu lassen.
Diese prüft bereits im Eingangsbereich der Praxis die Temperatur der Patientinnen und Patienten und bietet die Möglichkeit der Handdesinfektion. Vielleicht ist ja doch der Kunde das Genie, pardon, der König? Von Genies und uns Normalsterblichen …