Für die Versorgung des Universitätsspitals Zürich (USZ) ist die Bereitstellung von kritischen Materialien wesentlich, um die Patientinnen und Patienten bestmöglich behandeln zu können. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie rasch Engpässe in der Verfügbarkeit von Produkten entstehen können – etwa beim Schutzmaterial oder bei Test-Kits. Und sie hat die grosse Bedeutung von Einkauf und Logistik in der Krise vor Augen geführt. Die Not der Pandemie führte das Spital zur Umsetzung eines innovativen Ansatzes, der am 5. Mai 2021 mit dem internationalen Leipziger Innovationspreis für Krankenhauslogistik ausgezeichnet wird.
Das Siegerprojekt wurde mitten in der ersten COVID-19-Welle, im März 2020, am USZ initiiert und umgesetzt. Das Ziel: Die Versorgung mit kritischen Gütern sicherstellen – von Beatmungsschläuchen über Desinfektionsmittel bis zu Medikamenten. Um dies zu erreichen, wirken neben den Spezialisten aus den Bereichen Einkauf, ICT und Logistik auch die medizinischen und pflegerischen Experten des Spitals mit. Zudem bringt die Firma Prognosix ihre Expertise in den Bereichen Künstlicher Intelligenz (KI), Algorithmen und Data Science ein.
Optimierte Sortimente sorgen für mehr Platz
Bereits vor der Pandemie wurde mit dem Projekt der Sortimentsoptimierung begonnen. Dazu wurden die Sortimente, die bis zu 1'000 Artikel beinhalten, der 140 dezentralen Stationslager des Spitals durch selbstlernende Algorithmen überprüft. Diese analysieren die Bestelldaten der entsprechenden Stationen und eruieren, welche Artikel von welcher Station viel – und welche praktisch nie bestellt worden waren. Dank der Platzeinsparung von bis zu 85% bei bedarfsschwachen, unkritischen Artikeln können die Bestände bei kritischen, schnelldrehenden Artikeln erhöht werden. Dies reduziert die ineffizienten Expressbestellungen und steigert so die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Die Optimierung eines dezentralen Lagers erfolgt immer interprofessionell durch Mitarbeitende aus Pflege und Medizin zusammen mit Logistikern.
Engpässe früh erkennen
Zur Bewältigung der Pandemie «SARS-CoV-2» legte der Bereich Supply Chain Management (SCM) den Fokus darauf, die Prognosen in Bezug auf den Bedarf nach kritischen Artikeln und deren Verfügbarkeit zu verbessern und so Engpässe möglichst früh zu erkennen. Auch hier nutzt das Projekt das Potenzial der Algorithmen, die grosse Mengen von Daten auswerten und so Bedarfsmuster erkennen: Welche Artikel werden wie oft und von wem verwendet? Für wie lange reicht der Vorrat noch? Das konstruierte Computermodell kann zudem verschiedene Fallszenarien simulieren, die sich unterschiedlich auf die Nachfrage nach bestimmten Produkten auswirken können – zum Beispiel eine dynamische Entwicklung der COVID-19-Fallzahlen oder eine unveränderte Lage. Zudem lässt sich absehen, welche Folgen Managemententscheide (z.B. die Verordnung einer Maskenpflicht) auf der Ebene der Beschaffung nach sich ziehen.
Cockpit schafft Übersicht
Dank einem «Cockpit», also dank einer von der Software laufend aktualisierten Übersicht über die wichtigsten Grössen, lässt sich schnell erkennen, wie sich die Lage real oder zukunftsgerichtet im Modell entwickelt. Anhand der Kennzahlen berechnet die Software, welche Artikel der Einkauf bei den Bestellungen prioritär behandeln sollte. «Die so eruierten prioritären Artikel waren nicht immer die offensichtlichen», erzählt Projektleiter Christian Schläpfer. «Wir hatten zum Beispiel immer genug Händedesinfektionsmittel. Knapp wurden aber schon bald die kleineren Standardgebinde und insbesondere die Handpumpen».
Der internationale Leipziger Innovationspreis ist laut Veranstalter eine «Auszeichnung für besonders fortschrittliche, praktisch erprobte Logistikprojekte». Er wird am 5. Mai 2021 im Rahmen eines virtuellen Events des Fachkongresses «med.Logistica» überreicht. Auch wenn der Ansatz aus der Not der Pandemie heraus entstand: Die künstliche Intelligenz wird über die Corona-Krise hinaus dazu beitragen, die logistischen Prozesse zu optimieren.