Es sind viele Faktoren, die auf die Entwicklung zum Spital der Zukunft Einfluss nehmen. In den vergangenen Monaten war ein Faktor besonders präsent: Die Digitalisierung. Weniger präsent in den Medien, aber weitaus wichtiger für die Zukunft: Die Nachhaltigkeit.
Das smarte Hospital
Kürzlich hat das US-Magazin Newsweek in Zusammenarbeit mit dem Statistik-Unternehmen Statista ein Ranking von «Smart Hospitals 2021» erstellt. Auf Platz 1 schaffte es die Mayo Clinic in Rochester. Das höchstplatzierte Spital Europas ist das Karolinska-Krankenhaus in Stockholm auf Platz 8, dicht gefolgt von der Charité in Berlin auf Platz 10. Das beste Schweizer Spital ist das Universitätsspital Zürich – auf Platz 49. Es ist offensichtlich: Der Nachholbedarf in der Schweiz ist enorm.
Smart sein beginnt eigentlich schon bei der Planung des Gebäudes. Der erste Schritt ist, die Prozesse zu optimieren und zu modellieren. Die Gebäudeplanung erfolgt dann auf Basis der Prozessmodelle in BIM (Building Information Modelling). Ein digitaler Zwilling des zukünftigen Spitals – oder auch des bestehenden Spitals, für einen Umbau beispielsweise – erlaubt den Nutzern, die Prozesse vor dem Bau praktisch zu testen. Das Universitätsspital Basel nutzt diese Technik bereits erfolgreich für seine Neubauplanung.
Künstliche Intelligenz (KI) kann noch mehr: Nicht nur von einem Gebäude kann ein digitaler Klon erstellt werden, sondern auch von Menschen. Dieser ermöglicht es, die Wirkungsweise von Medikamenten zu testen, bevor sie dem Patienten tatsächlich verabreicht werden. Ebenso eignet sich der digitale Zwilling, um Simulationen von Operationen durchzuführen. Vorab die richtige Grösse von medizinischen Materialien korrekt zu ermitteln, reduziert die Dauer des Eingriffs. Bereits jetzt wird die Künstliche Intelligenz in der Bildgebung eingesetzt. Die Algorithmen dafür liegen bereits vor und werden permanent optimiert.
Smart bedeutet allerdings nicht, dass alle Leistungen unter einem Dach angeboten werden. Im Gegenteil: Durch die Digitalisierung ist es möglich, Leistungen dort anzubieten, wo sie benötigt werden. Ein grosser Faktor in der Veränderung der Spitallandschaft und ganz oben auf der Liste, was ein Spital der Zukunft brauchen wird, ist die Telemedizin. Es ist ein grosser Markt, der hier entsteht. Technologie-Unternehmen wie Apple sind bereits in den Gesundheitsmarkt eingestiegen. Tele-Monitoring kann das Unternehmen bereits und generiert so eine enorm grosse Datenmenge. So bequem es ist: Datenschutz ist gerade in diesem Bereich extrem wichtig.
Das Smart Hospital ist auch effizient. Daten in Echtzeit zur Verfügung zu haben, ist bereits jetzt möglich. Das Management könnte deutlich schneller und fokussierter reagieren, wenn die Möglichkeiten komplett ausgeschöpft würden.
Den Weg durch die Pandemie haben die Spitäler am besten gemeistert, die mit dem Einsatz von IT am weitesten waren. Es ist kaum zu glauben, dass erst seit 2020 in der Schweiz das Elektronische Patientendossier (EPD) vom Gesetzgeber schrittweise eingeführt wird. Dabei ist die Informationstechnologie nicht nur der beste Weg zu einer zukünftig qualitativ hochwertigen Medizin, sondern möglicherweise auch der einzige.
Das nachhaltige Spital
Auch das Thema Nachhaltigkeit steckt bei Gesundheitsbauten noch in den Kinderschuhen. Das Spital der Zukunft muss zwingend nachhaltig sein. Der Gesundheitssektor verursacht durchschnittlich 5,5 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa, wovon Spitäler etwa für ein Drittel verantwortlich sind (Pichler et al., 2019). Regula Keller von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat kürzlich im Rahmen des Projekts «Green Hospital» die Bereiche mit der grössten Umweltbelastung ermittelt: Wärme, Infrastruktur, Catering und Medikamente.
Die beste Möglichkeit, Energie einzusparen, besteht darin, einfach weniger Spitäler zu betreiben. In den letzten Monaten wurden allerdings vermehrt Stimmen laut, dass es ein Fehler wäre, weiter Spitäler abzubauen und man wegen fehlender Spitalbetten schlecht auf die Pandemie vorbereitet war. Was stimmt: Die Pandemie traf die meisten unvorbereitet. Es stimmt aber nicht, dass dies an einer zu niedrigen Anzahl an Spitälern oder Betten lag. Ein Spital kann beispielsweise durch Einrichtung von Korhortenstationen schnell auf solche Ereignisse reagieren. Die Organisation ist das Problem, nicht die Anzahl an Betten oder Personal. Die gesamte Gesundheitsversorgung auf ein mögliches Maximum auszurichten, ist ineffizient und definitiv nicht nachhaltig.
Linus Hofrichter, Geschäftsführer des Architekturbüros a|sh und Tagungsleiter der Konferenz «Das Spital der Zukunft» Ende Oktober in Luzern, ist überzeugt davon: «…dass die Krankenhausnutzer künftig verstärkt auch auf die Gebäudequalität achten. Man hat ein besseres Gefühl als Nutzer, wenn man sich ökologischer verhält, sprich: ein Green Building nutzt. Das passt heute mehr denn je in die Zeit. Aber es ist nur ein Anfang. Nicht nur Energiethemen, sondern es gilt auch, neue beziehungsweise alte Baustoffe verstärkt im Spital einzusetzen. Warum nicht auch Holz und Lehm?» Das Spital Arlesheim will diesen Weg gehen und ein Spital aus Vollholz bauen.
Das patientenzentrierte Spital
Im Zentrum aller Bemühungen stehen diejenigen, für die das Spital eigentlich da ist: die Patientinnen und Patienten. Alle Prozesse sind darauf ausgerichtet, die eintretenden Personen so schnell wie möglich und so gut wie möglich zu behandeln und wieder zu entlassen.
Ein solches patientenzentriertes Spital ist gleichzeitig auch für die Pflegenden von Vorteil. Sie wollen ihre Arbeit gut machen, und mit flüssig ablaufenden Prozessen fällt dies leichter. Zudem spart ein effizienter Betrieb enorme Kosten. Zur patientenzentrierten Versorgung sind vor allem Schnittstellen wichtig, um die Vernetzung zwischen der hoch spezialisierten Medizin in einem Spital und der Grundversorgung zu gewährleisten. Dafür müssen starre Spitalstrukturen und Tarifsysteme aufgebrochen werden. Unmöglich? Sicher nicht. Hier führen vermutlich kleine, gemeinsame Schritte zum Ziel.
Zur patientenzentrierten Versorgung gehört auch, dass die veränderten Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt werden. Dabei kommt vor allem das zukünftig höhere Alter zu tragen. Damit sich die Patienten und vor allem das Personal im Spital wohlfühlen, ist nicht unbedingt ein grosser Umbau nötig. Schon ein gutes (!) Farbkonzept kann viel erreichen. Wenn die Prozesse schnell durchlaufen werden sollen, ist die Orientierung im Gebäude besonders wichtig und hilfreich. Ein kleiner Schritt für den Anfang.
Die Spitallandschaft der Zukunft
Die Zukunft des Spitals wird dezentralisiert und patientenzentriert sein. Es wird – und muss – weniger Spitäler geben. Diese sind gut vernetzt mit kleineren lokalen medizinischen Versorgungszentren und den niedergelassenen Leistungserbringern. Synergien in Infrastruktur und Catering werden genutzt, und die Prozesse laufen kompatibel und digitalisiert zwischen allen Beteiligten reibungslos ab. Die Spitäler sind nicht mehr aus Beton und so gebaut, dass sie ohne Klimatechnik auskommen. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass sie weniger Wartung brauchen.