«Das hat uns gerade noch gefehlt», war meine erste Reaktion, als ich Anfang Oktober 2022 in der NZZ die Schlagzeile «Der Konzernverantwortungsbericht ist fällig» las. Es handelt sich dabei um eine Folge der Konzernverantwortungsinitiative, die am 27. November 2020 hauchdünn an der Urne scheiterte. Nun tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Dieser sieht vor, dass künftig alle grösseren Unternehmen jährlich in einem Bericht darlegen, wie sie sich in den Bereichen Umwelt, Soziales, Arbeitnehmerrechte, Korruption und Menschenrechte verhalten.
Unter dem Strich also eine weitere regulatorische Vorschrift, die den Spitälern einen administrativen Mehraufwand beschert. «Wir brauchen bald keine Patienten mehr. Wir können uns ja stattdessen mit uns selbst beschäftigen», lautete denn auch einer der Kommentare in unserer Geschäftsleitung.
Tatsächlich kann sich keiner unserer Ärzte daran erinnern, dass sich je ein Patient nach unserer CO2-Bilanz erkundigt hat. Während in anderen Branchen Prädikate wie «CO2-neutral», «Fair Trade» oder «Bio» das Marketing dominieren, sind für die Patienten bei der Spitalwahl die Behandlungsqualität, der einfache Zugang zur Dienstleistung sowie moderne Behandlungsmethoden ausschlaggebend. Die Ärzteschaft betont denn auch (zu Recht), dass medizinische Qualität oberste Priorität habe und dass Nachhaltigkeit zu keinen Einschränkungen führen dürfe.
Haben Spitäler deshalb zwangsläufig einen ökologischen Fussabdruck von der Dimension Godzillas? Nein! Denn es gibt in einem Spital viele Bereiche, in denen keine Zielkonflikte zwischen Nachhaltigkeit und Qualität bestehen. Die Nationalfondsstudie «Green Hospital» hat die grösste Hebelwirkung denn auch nicht bei den medizinischen Leistungen ausgemacht, sondern bei der Energieversorgung (Wärme und Strom), in der Gastronomie und in der Gebäudeinfrastruktur. Dies sind in einem Spital die wichtigsten Bereiche hinsichtlich der Umweltbelastung. Konkret macht die Wärmeversorgung 26 Prozent der Treibhausgasemissionen der Spitäler aus, die Verpflegung 17 Prozent und die Gebäudeinfrastruktur 15 Prozent.
170 Erdsonden und Ab- und Fernwärme
Vor diesem Hintergrund bieten Neubau-Projekte eine gute Gelegenheit für die Spitäler, um nicht nur ihre medizinische Infrastruktur zu erneuern, sondern gleichzeitig auch ihre Ökobilanz zu verbessern. Im KSB beispielsweise haben wir in unserem Heizwerk lange Zeit Gas und Öl verbrannt, um Heisswasser zu produzieren. Der Heizöl-Verbraucht betrug bis zu 253 530 Liter pro Jahr.
Im Jahr 2020 haben wir unsere 1978 in Betrieb genommene Heizzentrale umfassend saniert und an die Regionalwerke Baden (RWB) übergeben. Seitdem wird unser gesamtes Areal über das Fernwärmenetz versorgt. Einen Teil des Energiebedarfs beziehen wir vom nahe gelegenen Holzschnitzelheizwerk der RWB, insbesondere für die im Sommer notwendigen Kühlleistungen. In unserem Spital-Neubau, der 2024 in Betrieb genommen wird, werden wir den Energiebedarf im Regelbetrieb mit über 170 Erdsonden sowie mittels Ab- und Fernwärme decken. Fossile Energieträger werden nicht mehr benötigt. Damit können wir unsere CO2-Bilanz im Vergleich zum alten Gebäude massiv verbessern.
Auch im operativen Alltagsgeschäft gibt es diverse Möglichkeiten, um ohne Qualitätseinbussen nachhaltiger zu werden, wie diverse Massnahmen verdeutlichen, die wir im KSB umgesetzt haben. Nachfolgend einige Beispiele:
❱❱ Unsere Apotheke nimmt beim Austritt der Patienten konsequent die nicht mehr benötigten Anbruchpackungen der Medikamente zurück, um sie – falls unversehrt und Verfalldatum noch nicht erreicht – auf einer anderen Station wiederzuverwenden. Der Wert dieser retournierten Medikamente beläuft sich auf rund 750 000 Franken pro Jahr.
❱❱ Die umweltschädlichsten Anästhesiegase (z. B. Desfluran, Isofluran) haben wir aus dem Sortiment entfernt und durch klimafreundlichere Gase ersetzt.
❱❱ Durch ein neues Menüwahlsystem, das individualisierte Essensbestellungen erlaubt, konnten wir den Food Waste um über 30 Prozent reduzieren. Die Brotreste verarbeitet unsere Küchencrew zu Paniermehl, während die Schalen von Rüebli, Sellerie, Lauch oder Stiele von Petersilien getrocknet und anschliessend zu einer Gemüse-Gewürz-Mischung gerieben werden.
❱❱ Was trotzdem noch an Küchenabfällen anfällt, landet bei der Firma Recycling Energie AG in Nesselnbach, die die grösste Biogasanlage der Schweiz betreibt. Aus rund 20 Prozent der in der Schweiz anfallenden Speisereste produziert sie für 5000 Haushalte sauberen Ökostrom und speist pro Stunde bis zu 600 Kubikmeter Biogas in das Erdgasverteilnetz der Regionalwerke Baden ein.
❱❱ Damit wir in unserem Neubau die Plastiksäcke für die Patienteneffekte eliminieren können, haben wir zusammen mit der Firma Zippsafe aus Glattbrugg eine Tasche entwickelt, die nach einer hygienischen Reinigung erneut verwendet werden kann.
❱❱ Mitarbeitenden, die mit dem ÖV oder mit dem Velo zur Arbeit kommen, bezahlen wir seit Jahren einen Öko-Bonus. Diese Geste wird ebenso geschätzt wie die grosszügige Unterstützung von Aus- und Weiterbildungen – letztes Jahr summierten sich diese Kurse auf 4559 Weiterbildungstage.
❱❱ Last but not least haben wir auf den in der Mitarbeiterbefragung geäusserten Wunsch nach mehr Erholung reagiert, indem wir unseren Mitarbeitenden seit dem 1. Januar 2023 im Durchschnitt zwei zusätzliche Ferientage gewähren. Schliesslich ist es ja unser Ziel, unseren Betrieb langfristig und somit nachhaltig aufrechterhalten zu können. Fitte und motivierte Mitarbeitende bilden die Grundvoraussetzung dafür.
Nachhaltigkeit ist eine Selbstverständlichkeit
Nachhaltigkeit ist denn auch keine Investition ohne Rendite, wie vielfach moniert wird. Im Gegenteil! Nachhaltiges Denken fördert die Innovationskraft und führt langfristig zu Kostenreduktionen und Effizienzsteigerungen. Dem KSB ist es mit dieser Firmenphilosophie gelungen, Erträge zu erwirtschaften, die in die Modernisierung der Infrastruktur und ins Personal investiert wurden. Langfristig braucht es dafür eine EBITDAMarge von über 10 Prozent.
Damit die Spitäler dieses Ziel erreichen, sind auf der einen Seite Tarifanpassungen unumgänglich. Zum anderen sind Deregulierungen respektive eine Reduktion des administrativen Aufwands dringend notwendig, um die Kosten im Gesundheitswesen nachhaltig senken zu können.
Wie die genannten Beispiele zeigen, liegt es im Eigeninteresse der Spitäler, auf innovative Lösungen zu setzen. Wir werden das KSB auch in Zukunft Schritt für Schritt weiterentwickeln. Denn ein Spital ist nur dann nachhaltig, wenn die Wirkung auf die Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft über den gesamten Lebenszyklus optimiert wird.
Bisher haben wir um diese Bestrebungen kein grosses Aufheben gemacht. Wieso auch? Schliesslich ist Nachhaltigkeit für unser Spital, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1349 zurückreichen, eine seit jeher praktizierte Selbstverständlichkeit. Die Pflicht, diese Aktivitäten fortan in einem jährlichen Bericht festzuhalten, entspricht dem, was man in der Medizin als «Überversorgung» bezeichnen würde.