Es war die ganz grosse Keule, die der Spitalverband H+ geschwungen hat: 120 Spitäler müssen schliessen, 10 000 Arbeitsplätze gehen verloren. Empört hat den Verband die Mitte Februar in die Vernehmlassung geschickte Revision der Krankenversicherungsverordnung (KVV). Damit will Alain Berset die Spitäler auf mehr Effizienz trimmen und das Kostenproblem des Gesundheitswesens in den Griff bekommen.
Der Bund greift stärker in die Steuerung des Gesundheitswesens ein und zieht Kompetenzen der Tarifpartner und Kantone an sich. Die Reform sieht vor, dass ein Benchmark für die Berechnung der Vergütung der Spitäler beim 25. Perzentil liegen soll. Das bedeutet gleichzeitig, dass 75 Prozent der Spitäler, die ihre Dienstleistungen zu einem höheren Preis erbringen, mit Kürzungen rechnen müssen.
Über die genaue Summe wird ebenfalls noch gestritten, sie wird zwischen 530 Millionen Franken (BAG) und 670 Millionen Franken (H+) liegen. Die 670 Millionen, Ergebnis eines von H+ in Auftrag gegebenen Gutachtens, führt nach H+ zu einem Ausbluten der Spitäler, was zu den besagten Schliessungen von überwiegend kleineren Häusern führen würde.
Was sagen die anderen Player aus dem Gesundheitswesen dazu? Der Krankenkassenverband Curafutura weist darauf hin, dass die Erkenntnis ja nicht über Nacht komme, dass die Schweiz über zu viele Spitäler verfüge, und merkt zudem an, dass der Verband wohl seine Hausaufgaben nicht gemacht habe? Santésuisse, im Ton milder als Curafutura, schlägt aber in dieselbe Kerbe und bringt es auf den Punkt. Es gibt zu viele Spitäler in der Schweiz und eine verstärkte Spezialisierung auf weniger Spitäler erhöhe die Fallzahlen und bietet daher die Chance auf eine höhere Qualität.
Wie nicht anders zu erwarten, springt die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) dem Verband H+ zur Seite. Oh weh, die Revision wäre ja ein Eingriff des Bundes in die Kompetenzen der Kantone. Ja, genau. Wenn die Kantone ihrer Aufgabe nach effizienten Strukturen nicht nachkommen, übernimmt der Bund. Auf die Idee, selbst einen Benchmark einzuführen, ist man bei der GDK bisher noch nicht gekommen.
Mehr Substanz, weniger Keule
Was ist von dem Ganzen zu halten? Vorab: Man muss den grössten Respekt haben vor der Arbeit in den Spitälern in der Schweiz, gerade auch in den kleinen, die mit viel Kreativität und Engagement versuchen, ihren Grössennachteil wettzumachen. Es ist auch richtig, dass die meisten Spitäler in den letzten Jahren bereits grosse Anstrengungen unternommen haben. Kosten wurden gespart, Strukturen überarbeitet. Aber das alles reicht eben nicht. Und es reicht nicht, weil man an die Strukturen herangehen muss. Das versucht der Bund mit der Revision in einem immerhin ersten Schritt. Und was noch wichtiger ist: Wir könnten mit weniger Spitälern nicht nur die Kosten senken. Mit weniger Spitälern, die mit höheren Fallzahlen arbeiten und sich spezialisieren, steigt die Qualität der Versorgung. Heute sterben Menschen in der Schweiz unnötig, weil sie bei einer anspruchsvollen Operation auf ihr lokales Spital vertrauen, das diese Operation aber nur wenige Male pro Jahr durchführt und daher eine geringere Erfahrung hat als ein grosses Spital. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass der Spitalverband H+ und auch die Gesundheitsdirektorenkonferenz das Thema Strukturreform beherzt angehen. Sie sollten das Thema zu ihrem eigenen machen und sich nicht vom Bund treiben lassen.