Es ist 11.00 Uhr an einem ganz normalen Dienstagvormittag in der Küche des Alters- und Pflegeheims am Bach in Gerlafingen. Küchenchef Mario Prestifilippo bereitet mit vier Mitarbeitenden rund 170 Essen vor – für die 65 Bewohnerinnen und Bewohner, plus Spitex, Belegschaft und externe Restaurantgäste. Auf dem Menüplan steht Tomatensuppe mit Gin, Rindsragout an Balsamico-Sauce, Rüebli-Kartoffelstock, Curry-Zucchetti und zum Dessert eine Schokoladenmousse mit Rahm. Ruhig und routiniert arbeitet das Team, jeder Handgriff sitzt, von Hektik keine Spur. Die Gelassenheit hat einen Grund: Bis auf den Kartoffelstock wurde das gesamte Essen bereits vor einer Woche produziert und nach modernsten Produktions- und Konservierungsmethoden vorbereitet. Heute werden die Gerichte nur noch schonend auf Serviertemperatur aufbereitet und verfeinert. Das Konzept beruht auf dem Knowhow und der Ausrüstung des Grossküchenspezialisten Hugentobler, der das Team von Mario Prestifilippo bei der Umstellung unterstützt hat. Prestifilippo ist begeistert: «Vor der Umstellung war das hier immer eine Riesenhektik, und es wurde manchmal zeitlich auch recht knapp. Das ist jetzt zum Glück vorbei. Und ausserdem kochen wir viel frischer, weil wir mehr Zeit haben.» Anstatt die Tomatensuppe wie früher unter zu grossem Zeitdruck aus dem Covenience-Päckli in den Topf zu giessen, wurde sie vor sieben Tagen nach dem Lieblingsrezept des Küchenchefs zubereitet, heiss abgefüllt (Hot Fill) und im Schockkühler bei minus 40 Grad auf eine Kerntemperatur von 3 Grad gekühlt, um Bakterien keine Chance zu geben. Das System ist einfach, aber genial. So produziert hält die Suppe gekühlt bis zu 21 Tagen. Während sich das Küchenteam um die aktuellen Gerichte kümmert, kocht im Hintergrund eine Person im sogenannten «Produktionsdienst» bereits für nächste Woche die Speisen vor. Für das jeweilige Mittagessen müssen dann lediglich noch einige wenige Speisen wie beispielsweise Nudeln oder Kartoffeln am gleichen Tag produziert werden.
Wie es begann
Das Projekt startete Ende 2018 mit einem Besuch des Kochkaders und der Geschäftsleitung im Hugentobler Kochparadies. Der mehrstündige Event zeigte die Möglichkeiten der Swiss Systems auf, die intelligente Vernetzung von Kochprozessen und Technologien. «Schon auf der Rückfahrt im Bus nach Gerlafingen war uns klar, dass in der zeitversetzten Produktion eine riesige Chance liegt», erinnert sich Heimleiter René Schicktanz. «Die Aussicht auf weniger Stress, eine bessere Speisequalität und weniger Food Waste war natürlich verlockend. Gleichzeitig war ich aber auch skeptisch, ob es uns gelingen würde, die Produktion umzustellen und ob Lebensmittelhaltbarkeiten von 21 Tagen mit unseren höchsten Sicherheitsanforderungen für die Bewohner zusammenpassen.»
Ein Coach der Hugentobler-Tochterfirma Gastroperspektiv überzeugte schliesslich das Team. In einem zweitägigen Workshop wurden mit dem Coach die Situation analysiert und ein Sollkonzept für Prozess und Technologien erstellt. Die Ziele wurden klar formuliert:
- Frischer und besser kochen – für die Bewohnerinnen und Bewohner und zur Steigerung der Attraktivität des Restaurants
- Stress vermindern
- Freie Personalkapazitäten schaffen durch eine effizientere Produktion
- Weniger Food Waste
Ein Investitionsplan wurde erstellt in Höhe von knapp 35000 Franken für Kochsysteme wie beispielsweise Schockfroster, Hot Fill, GreenVac und freeze’n’go. «Wir arbeiten ja schon seit über zwanzig Jahren mit Hugentobler zusammen und wussten, dass sie uns nichts Überdimensioniertes oder Unnötiges verkaufen würden. Zudem hat mir gefallen, dass wir die Geräte zunächst leasen konnten. Das hat unser Risiko minimiert. Wenn wir es uns nach sechs Monaten anders überlegt hätten und zur alten Arbeitsweise zurückkehren wollten, hätte uns das lediglich einen Bruchteil der Gesamtinvestition gekostet», so Schicktanz. Dazu kam es aber nicht, nach sechs Monaten erwarb das Heim die Hugentobler-Technologie mit voller Überzeugung.
Die Umstellung
Von April 2019 an begann die Küche schrittweise neue Elemente der Produktion einzuführen. Zunächst liefen die alte Arbeitsweise und die neue Vorproduktion parallel. Schritt für Schritt wurden mehr Speisen vorproduziert, das Team konnte sich behutsam an die neuen Prozesse heranarbeiten. «Die Umstellung hat etwa zwei Monate gedauert», so Küchenchef Prestifilippo. «Dabei waren die Start-Begleitung durch die Gastroperspektiv-Coaches an insgesamt nur drei Tagen völlig ausreichend, um uns an die neuen Techniken und Geräte zu gewöhnen.»
Das Resultat kann sich sehen lassen. Die Arbeit funktioniert nicht nur wesentlich entspannter als vor der Umstellung, sie ist auch viel effizienter. «Gerade während der Coronazeit haben wir gemerkt, wie viel Personalressourcen die Umstellung gespart hat. Als wir plötzlich nur noch mit fünf Personen gleichzeitig in der Küche arbeiten durften, war das kein Problem. Und auch Personalausfälle durch Krankheit können wir jetzt viel besser auffangen», weiss Prestifilippo. Wo früher sechs bis sieben Personen am Vormittag zum Kochen nötig waren, klappt es jetzt auch mit fünf. Somit wird die Einsparung von Personalressourcen auf rund 15 Prozent oder 60 bis 70 Mann- bzw. Frautage pro Jahr geschätzt. Das bestätigt auch Marco Frosio, der für Hugentobler verschiedene Kunden betreut: «Man kann bei vergleichbaren Projekten im Durchschnitt eine Einsparung der Personalkapazitäten zwischen 15 und 20 Prozent feststellen.» Die frei gewordene Zeit nutzt der Küchenchef auch verstärkt für die Ausbildung der Lehrlinge, in der Hektik des Alltags kam das in der Vergangenheit häufig zu kurz. «Es ist toll, dass wir uns wieder mehr aufs Kochhandwerk konzentrieren können und genug Zeit für die Ausbildung haben», freut er sich.
Strategische Optionen
Erfreulich ist auch die Reduzierung des Food Waste, die das Küchenteam auf 8 bis 10 Prozent schätzt. «Wir müssen viel weniger als Biomasse verwerten als früher und können auch flexibel reagieren, wenn mal 20 Leute mehr als üblich ins Restaurant kommen.» Frosio berichtet von einem anderen Betrieb, das seinen Ausstoss um 30 Prozent gesteigert hatte und dabei nur 15 Prozent höhere Warenkosten hatte.
Und die Hygiene? Heimleiter René Schicktanz lächelt zufrieden. «Wir hatten bereits zwei Lebensmittelkontrollen, mit umfangreichen Tests in den Laboren. Das war alles einwandfrei, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen mehr.» Derzeit plant er bereits, wie die freigewordenen Kapazitäten in zusätzliches Geschäft umgesetzt werden könnten. Ein Take-away-Service und die Akquirierung weiterer Essensabnehmer bereitet er bereits vor. Mit der Produktionsumstellung hat er nun noch mehr strategische Optionen, um sein schmuckes Heim zu optimieren. Küchenchef Mario Prestifilippo freut sich bereits auf die neue Herausforderung.