Das KSB wurde kürzlich in einem Bilanz Ranking zum innovativsten Spital der Schweiz gekürt. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?
Die Auslöser sind immer Menschen. Drei Faktoren waren für diese Entwicklung ausschlaggebend. So haben wir 2014 einen neuen Verwaltungsrat erhalten, bei dessen Ernennung sehr bewusst darauf geachtet wurde, dass verschiedene fachliche Kompetenzen vertreten sind. Dann konnte ich, zweitens, als neuer CEO ab 2014 im administrativen Bereich, ein junges, dynamisches Team aufauen, beispielsweise mit neuen Leitungen der Abteilungen Finanzen, Kommunikation, HR und Betrieb. Darunter waren auch viele Mitarbeitende, die vorher noch nicht im Gesundheitswesen gearbeitet haben und neue Sichtweisen auf unsere Themen einbringen. Und drittens befinden wir uns hier in der Region Baden in einem sehr dynamischen und innovativen Umfeld. In den letzten zwanzig Jahren haben sich hier zahlreiche Start-ups, gerade auch im Bereich Medizinaltechnik, angesiedelt. Dazu kommen das Paul-Scherrer-Institut sowie die Universität und die ETH Zürich, von denen viele Inputs ausgehen. Von dieser Entwicklung proftieren wir ebenfalls.
Welche Kompetenzen sind im Verwaltungsrat vertreten?
Das Spektrum ist sehr breit und reicht von IT, Logistik, Marketing und Kommunikation über Bauwirtschaft bis hin zu Finanzen und Recht. Dadurch erhalten wir immer wieder sehr interessante und wichtige Impulse für das operative Geschäft.
Welche Rolle spielt Ihr Neubauprojekt in ihrer Entwicklung hin zu mehr Innovationen?
Die drei genannten Punkte – Verwaltungsrat, Mitarbeitende und Umfeld – bilden sicherlich die Basis, den Nukleus, für unsere Entwicklung. Aber die Dynamik hat das Neubauprojekt ausgelöst.
Inwiefern?
Bei einer Bauphase von acht bis zehn Jahren ist es sehr schwierig, am Anfang der Planung vorauszusehen, wie das Gesundheitswesen und die Anforderungen an die Spitäler in zehn Jahren aussehen werden. Darum haben wir von Anfang an junge Leute in das Projekt miteinbezogen, die nichts mit dem Gesundheitswesen zu tun haen und sind in eine Diskussion eingestiegen unter dem Leitfaden: Was müsste anders sein, was könnte man zusätzlich noch machen und was gibt es für neue Ansätze? So ist dann auch die Idee zum Health Innovation Hub entstanden und die Zusammenarbeit mit Start-ups, institutionellen Partnern wie der ETH oder Technologiepartnern wie Siemens Healthineers, die uns helfen, einerseits alles kritisch zu hinterfragen, andererseits das technisch Machbare aufzeigen.
Was wurde genau hinterfragt oder wo sind neue Ideen eingeflossen?
Das ist sehr vielschichtig: Es geht um Prozesse, um medizinische Veränderungen, um die Frage, was wir zukünftig stationär anbieten und was ambulant. Es geht aber auch um politische Vorgaben und um die Frage, was die Patientinnen und Patienten von uns in Zukunft eigentlich erwarten.
In welcher Form haben Sie dann die Erkenntnisse aus den Diskussionen umgesetzt?
All das ist in unsere Strategie eingeflossen, die wir präzise definiert und in einzelne Handlungsfelder mit konkreten Zielen umgesetzt haben. Und zwar nicht als irgendein Dokument auf Hochglanzpapier, das dann in der Schublade verschwindet, sondern das als «lebendiges» Dokument stets zur Verfügung steht und mit den laufenden Projekten abgeglichen wird.
Wie viele Projekte sind das bei Ihnen zurzeit?
Wir sprechen von über achtzig Projekten, die von der Geschäftsleitung eng begleitet werden und mit den Handlungsfeldern und strategischen Zielen verbunden sind.
Sie führen das KSB seit 2014, gibt es etwas, was Sie rückblickend gerne anders gemacht hätten?
Selbstverständlich. Wie heisst es doch so schön: Nur wer nichts tut, macht keine Fehler... Insofern gibt es diverse Dinge, die wir anders häen angehen können. Beispielsweise war die Bauplanung eine grosse Herausforderung, die man an der einen oder anderen Stelle effektiver häe führen können. Sicherlich ist es auch so, dass man sich manchmal auch ein wenig übernimmt an Projekten. Das sind ja immer auch zusätzliche Belastungen für die Mitarbeitenden, die neben ihrem «Daily Business» in solchen Projekten mitwirken. Da stösst man mitunter schon an Grenzen.
Was ist die grösste Herausforderung für Ihre Arbeit?
Die Finanzierung all unserer Projekte und des Neubaus. Da sind alle Spitäler im gleichen Fahrwasser unterwegs… Um beim Bild zu bleiben: Einige sind mit ihren Booten bereits untergegangen, andere schaufeln gerade Wasser aus dem Boot oder drohen zu kentern. Man muss leider feststellen, dass die Spitalbranche finanziell nicht gut unterwegs ist.
Woran liegt das hauptsächlich?
Wir haben Fallpauschalen, mit denen die meisten Spitäler die geforderten 10 Prozent EBITDA-Marge überhaupt nicht erreichen können. Auf der anderen Seite erbringen wir durch den medizinischen Fortschritt und die Zwangsmassnahmen der Politik immer mehr Leistungen ambulant, mit Tarifen, die sich seit 1996 nicht verändert haben. Und jetzt sprechen wir über ein neues Tarifsystem, von dem es heisst, dass es kostenneutral sein soll. Damit kommen wir auch nicht weiter. Wir laufen Gefahr, dass wir finanziell untergehen. Das haben wir bisher gegenüber der Politik nicht ausreichend kommuniziert.
Gibt es eventuell bei den Prozessen noch Kostensenkungspotenzial?
Das überprüfen wir ständig und optimieren, wo immer wir können. Beispielsweise haben wir 2016 ein Lean-Management-Projekt gestartet und etappenweise umgesetzt. Das läuft heute und ist eine innovative Erfolgsgeschichte, aber hilft uns lediglich, halbwegs den Kopf über Wasser zu halten. Übrigens handelt es sich dabei um ein Projekt, das sehr von den Mitarbeitenden in der Pflege getrieben wurde. Sie haben es schneller umgesetzt, als es eigentlich geplant war. Das Projekt hat gezeigt, wie motiviert und engagiert unsere Mitarbeitenden sind.
Noch einmal zu den Kosten im Gesundheitswesen. Sind die Kosten insgesamt nicht auch deshalb so hoch, weil es viel zu viele Spitäler in der Schweiz gibt?
Müssten wir nicht noch mehr zentralisieren und kleinere Spitäler schiessen? Nehmen wir als Vergleich den Bankensektor. All die Übernahmen und Zusammenschlüsse zu Grossbanken haben aus meiner Sicht nicht dazu geführt, dass diese Unternehmen e²zienter oder besser geworden sind. Zweites Beispiel: In der Industrie wird uns fast täglich vor Augen geführt, wie Unternehmen zuerst fusionieren, um dann wenig später in kleinere Einheiten aufgespalten zu werden, damit sie effzienter arbeiten können. Entscheidend ist doch immer, wie gut die Arbeit organisiert ist. Natürlich stossen ganz kleine Spitäler an eine Grenze, wenn die Fallzahlen nicht mehr ausreichen, um gesicherte Prozesse aufrechtzuerhalten. Diese Spitäler werden sich dann zu ambulanten Zentren weiterentwickeln.
Wenn sich das KSB mit dem Kantonsspital in Aarau zusammenschliessen würde, müsste es ja schon Kostenvorteile, beispielsweise in der Verwaltung, geben.
Wir wären dann gemeinsam etwa so gross wie das Inselspital. Aber ich befürchte dann eher gegenteilige Effekte: mehr administrativen Aufwand wegen der komplexen Führungsstrukturen. Wir setzen stattdessen denn auch auf Vernetzung und Kooperation.
Was heisst das konkret?
Wir haben beispielsweise Kooperationen mit den Spitälern Leuggern und Muri, mit dem Paul-Scherrer-Institut, mit der ETH Zürich sowie mit vor- und nachgelagerten Instituten und Unternehmen. Solche Kooperationen und Netzwerke bringen uns Effizienz und Know-how ins Haus. Das ist eine sehr schlanke Struktur.
Können Sie inhaltliche Beispiele von Kooperationen nennen?
Die ETH wird zwei Etagen in unserem neuen Partnerhaus beziehen und dort Professuren aus dem Gesundheitsbereich unterbringen. Schwerpunkt der Forschung wird der Umgang mit medizinischen Daten sein, die ja im Gesundheitswesen zu über 90 Prozent unstrukturiert sind. Ein anderer wichtiger Partner aus der Industrie ist Siemens Healthineers, mit dem wir auf verschiedenen Feldern zusammenarbeiten. Etwa in der Radiologie, aber auch in einem Projekt, bei dem wir alle Räume im KSB-Neubau mit Sensoren ausstatten, damit wir zu jeder Zeit wissen, wo sich unsere mit einem Chip ausgestatteten Geräte gerade befinden. Ein weiteres Beispiel ist unsere Partnerschaft in der Rehabilitation mit Zurzach Care, die im Partnerhaus I untergebracht ist, ebenso wie Balgrist Orthotec. Da merkt der Patient gar nicht, dass er in einer anderen Institution behandelt wird, da die Dienstleistungen auf dem KSB-Areal Hand in Hand erfolgen.
Wie stark ist der Trend zur ambulanten Behandlung?
Wir sind in den letzten Jahren im ambulanten Bereich jeweils um über 10 Prozent gewachsen. Man spürt bei uns in der Region auch, dass immer mehr Hausärzte aufhören und wir dann angefragt werden, um bei der Versorgung zu unterstützen.
Sie haben schon eine Reihe von Aussenstandorten?
Ja, in Dietikon im Kanton Zürich und in Brugg. Zudem bauen wir unter anderem gerade einen Standort in der Stadt Baden auf. Dazu kommen Kooperationen vor Ort in den Spitälern Muri und Leuggern.
Noch einmal zur Finanzierung. Unterstützen Sie den Vorschlag von H Plus bezüglich der EFAS?
Grundsätzlich ist sicherlich richtig, dass man versucht, eine neue Finanzierung zu organisieren, auch wenn wir noch nicht wissen, wie sich das am Ende auf uns auswirken wird. Tarmed hat sich nach so vielen Jahren überholt. Es ist offensichtlich sehr schwierig, die Interessen verschiedener Partner unter einen Hut zu bringen.
Wie ist der Stand bei den Entschädigungen aus der Covid-Zeit?
Das halten die Kantone ja unterschiedlich. Der Kanton Aargau hat letzten Sommer beschlossen, dass es für die Spitäler für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt 125 Millionen Franken Entschädigung gibt. Es hat dann bis zum Ende Dezember gedauert, bis der Brief kam, wie viel an die einzelnen Spitäler ausbezahlt wird. Leider mussten wir feststellen, dass das KSB nur halb so viel Geld pro Patient erhält wie andere Spitäler.
Was stimmt aus Ihrer Sicht nicht?
Auf der Kostenseite war die Berechnung korrekt, das heisst, in Bezug auf die zusätzlichen direkten Kosten, die bei uns entstanden sind. Aber wir haben natürlich auch Ertragsausfälle. Wir hatten zwar insgesamt eine Steigerung der Erträge, aber nicht so stark, wie es ohne Covid hätte sein können. Während andere Spitäler für ihre Defizite entschädigt wurden, wurden wir für unsere Bemühungen, mehr Ertrag zu generieren, abgestraft. Zudem finden wir es nicht korrekt, dass sich der Bund an den Folgen seiner Entscheidungen zum Lockdown nicht beteiligen will und alles den Kantonen überlässt.
Wie hoch waren Ihre Einbussen?
Von März bis Mai 2020 waren es rund 20 Millionen Franken. Gut 15 Millionen Franken direkte Kosten und über 5 Millionen Franken Ertragsausfälle. Dazu kommen beim Neubau noch rund 10 Millionen Franken Mehrkosten, die auf Covid zurückzuführen sind.
Welches sind Ihre wichtigsten Projekte für die nächsten Jahre?
Neben dem Umzug in den Neubau ist die Finanzierung unserer Leistungen die grösste Herausforderung. Wir waren eines der wenigen Spitäler, die es in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft haben, eine EBITDA-Marge von über 10 Prozent zu erwirtschaften. Das haben wir mit Covid in den Jahren 2020 und 2021 nicht erreichen können. Und wir merken jetzt, dass mit der Verschiebung des Geschäfts von stationär auf ambulant in Zusammenhang mit den niedrigen Tarifen die 10-Prozent-Marge in weite Ferne rückt. Und zugleich kommt die Herausforderung aus dem Zusatzversicherungsgeschäft, da die Finma den Krankenversicherungen und damit indirekt auch uns Druck macht, die Leistungen genau zu definieren, die unter eine Zusatzversicherung fallen.
Und der Fachkräemangel ist kein Problem für Sie?
Wir möchten auf keinen Fall arrogant klingen, aber wir befinden uns in einer sehr komfortablen Situation. Unsere Fluktuationsrate liegt bei lediglich elf Prozent, im Branchenschnitt sind es 16 Prozent. Nicht umsonst haben wir dreimal hintereinander eine Auszeichnung als bester Arbeitgeber erhalten. Das heisst, wir haben eine sehr loyale Belegschaft. Zudem fühlen sich durch die zahlreichen innovativen Projekte rund um den Health Innovation Hub viele Leute angesprochen, das merken wir. Allein für die offene Stelle des Leiters Unternehmensentwicklung haben wir über fünfzig Bewerbungen erhalten.
Wie sieht es aus mit medizinischen Herausforderungen?
Ganz sicher müssen wir den Anschluss an die hochspezialisierte Medizin halten. Mit über 21000 Patienten im stationären Bereich und über 200000 im ambulanten ist es wichtig, dass in diesem Bereich nicht alles zu den Unispitälern abwandert und Zentrumsspitäler wie wir zu Regionalspitälern degradiert werden. Darum legen wir auch grossen Wert darauf, dass unsere Chefärztinnen und -ärzte eine Professur haben, um so in der angewandten Forschung wirklich Spitzenleistungen bieten zu können.
Wann ziehen Sie um in den Neubau?
Das Gebäude steht, den wunderbaren Rohbau mit der schönen Holzfassade aus dem Badener Wald kann man bestaunen. Jetzt wird der Innenausbau fertiggestellt. Unter anderem werden über 180 Kilometer Stromleitungen verlegt und enorme Infrastrukturen eingebaut. Ende 2023 soll alles fertig sein und nach einer umfangreichen Testphase im Herbst 2024 der eigentliche Umzug erfolgen.
Das wäre dann ein Jahr später als ursprünglich geplant?
Covid hat uns da natürlich einen Strich durch die Planung gemacht und eine Verzögerung von mehr als sechs Monaten verursacht. Da das Frühjahr, also kurz nach den intensiven Wintermonaten und vor den Sommerferien, kein guter Zeitpunkt für einen Umzug ist, haben wir uns für Herbst 2024 entschieden. Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Neubau ja völlig unabhängig vom Altbau erfolgt. Von daher sind wir nicht unter Zeitdruck.