Herr Hubert, wie beurteilen Sie die Reaktionen auf die Präsentation Ihres neuen Modells?
Die Reaktionen in der Deutschschweiz waren sehr positiv, es gab fast keine Gegenstimmen. Und einige Regierungsrätinnen und -räte aus verschiedenen Kantonen haben sich gemeldet und möchten sich treffen, um über das neue Modell zu sprechen. Wir hatten noch nie solch ein Medienecho. Auch Regierungsrat Schnegg und sein Team waren sehr positiv, darüber haben wir uns sehr gefreut.
Es gab deutliche Kritik vom Verband der Patientenorganisation.
In der Westschweiz besteht immer das Dogma, dass Gesundheit besser staatlich sein sollte. Das linke politische Spektrum plädiert immer für eine Einheitskasse. Aber das interessante ist, dass wir nun mit öffentlicher Beteiligung ja ein integriertes System einführen, das auf einer pauschalen Vergütung pro Mitglied basiert. Aber, und das ist das Wichtigste für mich: Die Bürgerinnen und Bürger haben weiterhin die Wahl zwischen verschiedenen Versicherungsmodellen. Zu was staatliche Einheitskassen führen, sehen wir ja in Grossbritannien. Solche Zustände brauchen wir hier sicher nicht.
Wie sah die Reaktion der Hausärzte aus?
Wir hatten am Nachmittag nach der Pressekonferenz noch eine Veranstaltung mit einem Verband von Hausärzten. Und auch dort war das Feedback sehr positiv. Es gab in der Vergangenheit bereits viele Initiativen in der Grundversorgung für integrierte Care-Modelle. Das Thema ist nicht ganz neu. Lediglich die spezialisierten Ärzte sind eventuell etwas skeptisch, weil bei Ihnen das Erbringen von vielen Leistungen im Vordergrund stehen. Natürlich müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten und unsere Mitarbeitenden gut schulen, weil noch nicht alle das Modell verstehen.
Sind Sie sicher, dass Sie genug Ärzte überzeugen können, bei Ihrem Modell mitzumachen?
Das Hôpital du Jura Bernois hat seit zehn Jahren systematisch medizinische Zentren aufgebaut, eben weil es in der Region nicht genug Hausärzte gibt. Das war auch ein Weg, um die Grundversorgung zu sichern. Aber wir werden sicherlich versuchen, die Hausärzte zu integrieren.
Was sind jetzt die nächsten Schritte?
Das Wichtigste ist die Genehmigung des Modells durch das Bundesamt für Gesundheit. Auch wenn das Projekt noch nicht bis ins kleinste Detail definiert ist, ist es jetzt wichtig, in die Diskussion mit dem Bundesamt einzusteigen.
Gib es einen konkreten Zeitplan?
Wir werden unser Produkt voraussichtlich im Juni beim BAG anmelden und nach deren Genehmigung dann im September, wenn die Prämien fürs nächste Jahr veröffentlicht werden, auf den Markt bringen. Denn ab Januar 2024 wollen wir ja starten. Wir glauben, dass es kein grosses Problem sein sollte. Es ist ja nicht besonders kompliziert und es gibt bereits verschiedene alternative Modelle für die Grundversorgung.
Können Sie etwas zu den Preisen sagen?
Noch kennen wir den Preis nicht, dieser wird sich erst während der Produktentwicklungsphase definieren lassen, aber wir werden bestimmt ein sehr attraktives Produkt anbieten können. Unser Partner, Visana, ist dafür zuständig.
Sie haben die Bedeutung der Patientendaten für die Forschung erwähnt. Planen Sie dafür eingrösseres IT-Projekt zur Verwaltung der Daten?
Das Hôpital du Jura Bernois hat ein modernes Informationssystem und verfügt bereits seit Längerem über ein elektronisches Patientendossier. Und ein weiterer Vorteil ist: Die medizinischen Zentren sind schon mit dem Hopital du Jura Bernois vernetzt. Damit haben wir unsere Hausaufgaben schon zum grossen Teil gemacht.
Was fehlt noch?
Man muss sicherlich eine Schnittstelle haben, um mit den Kundinnen und Kunden zu kommunizieren. Helfen kann uns hier die Gesundheitsplattform "Well", in die wir im Sommer eingestiegen sind. Wir glauben, dass "Well" eine ideale Plattform dafür sein könnte.
Was muss noch geschehen?
Wichtig ist, dass wir ein attraktives, modernes Angebot für die gesunden Mitglieder gestalten, also die Prävention mehr ins Zentrum rücken. Inklusive Vorsorgethemen und Ernährung beispielsweise. Die anderen Versicherungen machen da aus meiner Sicht noch relativ wenig. Das wollen wir demnächst mit potenziellen Kundinnen und Kunden innerhalb von Workshops im direkten Gespräch herausfinden.
Gibt es eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern, die sie gewinnen müssen, um Geld zu verdienen?
Nein, das ist eigentlich keine grosse Sache. Das Hôpital du Jura verdient inzwischen wieder Geld. Wir haben eigentlich keinen Druck, um eine Mindestanzahl zu erreichen. Kaiser Permanente hat sehr viele Verträge mit Unternehmen, die so ihren Mitarbeitenden eine Krankenversicherung anbieten können.
Planen Sie das auch, funktioniert das auch in der Schweiz?
Im Jura gibt es viel Industrie, es wird sicherlich auch ein Ziel der Marketingabteilung sein, diesen Unternehmen etwas anzubieten. Das könnte schliesslich für die Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften und die Attraktivität als Arbeitgeber ein gutes Argument sein. Wir werden auf jeden Fall auch ein B2B-Angebot vorbereiten.
Sind weitere Regionen ausser dem Jura-Bogen geplant?
Wir haben eine Reihe von weiteren Anfragen, das müssen wir prüfen. Der erste Schritt ist immer, dass man die verschiedenen Leistungserbringer zusammenbringen muss in einer Organisation. Es braucht auch ein flächendeckendes Netz von medizinischen Zentren, Spitälern, Spitex etc. Dafür wären in anderen Regionen zunächst weitere Akquisitionen notwendig. Im Jurabogen haben wir dieses Netzwerk in den letzten Jahren akquiriert respektive aufgebaut. In Graubünden als Vergleich ist man auch schon sehr weit. Das dortige Kantonsspital ist mit anderen Organisationen sehr gut vernetzt.