«Kochen ist meine Leidenschaft» höre ich bei Schulungen für Prozessköche immer wieder. Geht es dann ums rezeptieren, analysieren und definieren der verschiedenen Komponenten, wird schnell klar, was wirklich Leiden schafft. Bei der Rezeptentwicklung himmelhochjauchzend – es lebe der Freestyle. Bei der Rezepteinhaltung zu Tode betrübt – wo bleibt meine «kreative Freiheit»? Spätestens beim Entscheid für Produkte mit Conveniencegrad vier bis fünf wird die Grundsatzfrage bezüglich der Existenzberechtigung des Koches laut. Die Gegenfrage hat es dann in sich: «Wie hoch ist denn die Wertschätzung der Gäste für gekochte Kartoffeln oder weissen Reis? Und was kostet die Herstellung beim zeitentkoppelten Produktionsprozess?» Dann ist meistens Stille oder es kommt noch der Hinweis auf die Kochehre. Ehre, wem Ehre gebührt. Ehre für Produkte, bei denen ich in der Küche nach dem Rezept frage, was mir bei weissem Reis noch nie passiert ist, aber schon oft beim Madrascurry. In der Diskussion arbeiten wir uns Schritt für Schritt, Komponente für Komponente nach vorn, um einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Menüplan für 365 Tage erstellen zu können. Ein Jahr später erfolgt dann das Copy/Paste mit kleinen Anpassungen.
Essen nach Lustprinzip
Mehrheitlich propagiere ich in den von mir begleiteten Häusern das «Essen nach dem Lustprinzip». Dies bedeutet, keine Vorbestellungen ausser bei ärztlich verschriebenen Sonderkostformen. Die Schätzzahlen werden von den Stationsverantwortlichen zeitentkoppelt erfasst. Die Produktion liefert die Komponenten auf die Stationsbuffets und die Gäste können spontan entscheiden, was sie heute essen möchten. Denn ehrlich gesagt, wissen Sie noch genau, was Sie gestern gegessen haben? Und wissen Sie bereits beim Lesen dieser Zeilen, auf was Sie morgen Lust haben werden? Genau darum soll es diese Spontanentscheide geben. Dabei zeigt die Erfahrung, dass mit diesem System, vorausgesetzt, es ist stringent konzipiert, weniger Abfall entsteht als mit Vorbestellungen. Die Zeitersparnis des Abfragens kann sich jede Institution selber ausrechnen. Im Schnitt dauert die Essensaufnahme 50 bis 70 Sekunden pro Gast, spätere Reklamationen nicht eingerechnet.
Wichtige Tools für die Umsetzung dieses Konzeptes sind Menüboards, Serviceinseln, Nachservicemöglichkeiten, bestens geschulte Mitarbeiter, die ihre Gäste wirklich kennen und im Rahmen ihrer Tätigkeit immer wieder für Wow-Effekte sorgen. Dies ist dann die beste Werbung für das Haus, denn nichts trägt stärker zur positiven Imagebildung bei als Bewohner, die über die tollen Dienstleistungen des Hauses schwärmen.
Königsdisziplin Regeneration
Spannend wird die nächste Stufe – die Königsdisziplin im zweistufigen Präzisionskochprozess: die Regeneration, der zweite Teil des Frischeprozesses. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Küchenmitarbeiter müssen in der Lage sein, aus einer guten Basis die perfekte Komponente zu produzieren. Dies gelingt nur ausgewiesenen Spezialisten, die sämtliche Prozesstechniken beherrschen und die Lust zur Perfektion ausleben. Wer hier an Aufwärmen und Päckliküche denkt, hat wenig bis nichts von Gargutveredelung verstanden. Der Bereich REgeneration kann nur bedingt extern bedient werden. Um eine Gelinggarantie abgeben zu können, sollen hier nur bestens qualifizierte, eigene Kochressourcen eingesetzt werden, da die hochwertigen Komponenten die Basis für den perfekten Teller bilden und die internen Mitarbeitenden die Verantwortung für das Endergebnis tragen.
Und damit sind wir beim letzten Teil des Denkpuzzles rund um das magische Dreieck Zeit – Kosten – Qualität = Individual Serve (IS). Wie gelingt es, die hohe Kochkompetenz perfekt am Teller zu inszenieren? Essen nach dem Lustprinzip bedingt geschulte Mitarbeitende. Werden Pflegekräfte dafür eingesetzt, müssen diese Freude am VerPflegen haben und diese Tätigkeit genauso wichtig nehmen wie eine ordnungsgemässe Medikamentenverteilung. VerPflegung muss als wichtiger Teil der Pflege verstanden werden. Idealerweise wird die Essensausgabe von Gastrofachkräften gewährleistet, die für das «Essen bis zum Mund» verantwortlich zeichnen. Die Pflege übernimmt, wenn «Essen in den Mund» gefordert wird. Ärztlich verordnete Sonderkostformen werden bereits in der Küche auf Tellern vorbereitet, entsprechend regeneriert und serviert. In den Prozesskochschulungen wird bei mir ein Schwerpunkt auf die pürierte Kost gelegt. Als Coach unterstützt mich Markus Gübeli, Smoot Food (Feinkost), ein Spezialist der ersten Stunde. Seine zauberhaften Kreationen motivieren Menschen mit Schluck- und Kaubeschwerden, wieder genussvoll zu essen.
Der Weg zum perfekten Teller ist nicht leicht. Aber es lohnt sich, über alle Bereiche genau nachzudenken und die bestmöglichen Prozesse herauszufinden. Eine entschleunigte Produktion, motivierte Mitarbeitende im Service ohne geteilte Dienste, attraktive Speisenausgabesysteme und schlussendlich der Service eines perfekten Tellers sind die Bausteine für einen erfolgreichen, betriebswirtschaftlich interessanten Verpflegungsprozess. Cook & Smile für Ihre Gäste.
Frank Forster ist gelernter Hotelkaufmann und Absolvent der Hotelfachschule Villach. Er besitzt umfangreiche Aus- und Weiterbildungen im Bereich Prozessmanagement, seine Spezialgebiete sind Verpflegungsprozessanalyse, Change Management und Resulting.