Jährlich erkranken in der Schweiz circa 1250 Personen an Leberzellenkrebs (Hepatozelluläres Karzinom). Diese Krebsart bildet unter anderem kleine, schwer erkennbare und schwer zugängliche Tumoren, die mit herkömmlichen Operationstechniken früher nicht entfernt werden konnten. Seit einigen Jahren steht den Chirurginnen beziehungsweise interventionellen Radiologen eine Methode zur Verfügung, die eine Behandlungssonde von der Bauchdecke direkt zum Tumor führt und ihn dort mit Mikrowellen verkocht (Fachbegriff: Ablation). Ohne zuverlässige Planung und Instrumentennavigation war diese Methode aber risikoreich, weil sie grosse Blutgefässe oder die Lunge verletzen konnte. Weiter konnte die Tumorentfernung nicht sofort überprüft und nicht ausreichend genau festgestellt werden.
Innovatives Verfahren aus Bern
Ein interdisziplinäres Team der Universität Bern und des Inselspitals haben ein neuartiges Navigationssystem für die Tumorbehandlung entwickelt. Es wird seit 2015 eingesetzt und ermöglicht mit einem technisch aufwendigen Bildgebungsverfahren aus Magentresonanz- und Computertomografie eine exakte Führung der Mikrowellen-Sonde zum Tumor. Da sich die Leber aufgrund der Atmung laufend bewegt, ist eine Echtzeit-Messung für den Erfolg entscheidend. Die vom Berner Spin-Off CAScination zur Marktreife entwickelte Technolgie ist mittlerweile weltweit eingeführt.
Mit dem computergesteuerten Führungswerkzeug schonend zum Tumor
Die bildgesteuerte Tumorentfernung kommt am Inselspital heute zwei- bis dreimal wöchentlich zum Einsatz. Sowohl Patienten mit Leberkrebs als auch mit Streutumoren von Darmkrebs und anderen Krebsarten werden so behandelt. Der Patient oder die Patientin werden vor dem Eingriff in eine Vakuum-Matratze gebettet, die ihre Position exakt fixiert. Das Bildsystem zeigt die genaue Lage der Tumoren im Organ vor dem Einstich, während des Einsatzes der Sonde und zur abschliessenden Erfolgskontrolle. Navigationspunkte an der Bauchwand und ein präzises Zielsystem für die Behandlungssonde ermöglichen die computerassistierte, exakte Umsetzung des geplanten Behandlungsweges und die Verkochung des Tumors mit Mikrowellenenergie. Nach dem Eingriff sieht das Behandlungsteam sofort, ob das Tumor-Gewebe vollständig zerstört werden konnte und kann nötigenfalls Tumorreste entfernen.
Sicher, gewebeschonend und effizient
Das Forschungsteam hat nun in einer Studie am Inselspital ausgewertet, wie sicher, therapeutisch wirksam die Methode ist. Dazu untersuchte es 174 Ablationen von Leberzellkrebs mit bildgeführter Navigation zwischen 2015 und 2017. Die Genauigkeit der Platzierung der Sonde und der Grad der Tumorentfernung wurden jeweils direkt nach dem Eingriff überpüft. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Oktober 2019 in der Fachzeitschrift Liver International veröffentlicht. Erstautorin PD Dr. med. Anja Lachenmayer fasst zusammen: «Unsere Analyse ergab, dass wir insgesamt 96.3 Prozent der Tumoren effizient entfernen konnten. Die Sonde wich dabei im Schnitt nur 3.2 Millimeter vom idealen Behandlungsort ab. Dabei war das Komplikationsrisiko mit 5.9 Prozent (davon 0.9% höhergradige Komplikationen) sehr gering.» Durch den minimal belastenden Eingriff konnten Patientinnen und Patienten das Spital bereits am Folgetag verlassen. Die Studienleiterin betont: «Wir können belegen, dass die bildgeführte Mikrowellen-Ablation Lebertumoren sicher, gewebeschonend und effizient entfernt. Dabei erkennen wir mit dem neuen System sogar Tumoren, die mit konventioneller Bildgebung unsichtbar sind und können nun auch an bisher unzugänglichen Orten behandeln.» Letzteres ist für viele Patientinnen und Patienten entscheidend, weil bei über der Hälfte der Leberzellenkrebs-Erkrankungen die Tumoren schwierig liegen und ohne Navigationsunterstützung nicht behandelt werden könnten.
Berner Technologie im Fokus der internationalen ECALSS Fachtagung 2019
Mit knapp 600 behandelten Lebertumoren (in 391 Interventionen, 590 Tumoren entfernt) ist das Inselspital weltweit führend in der Anwendung des in Bern entwickelten Ablations- Navigationssystem. Auf der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für computerassistierte Leberchirurgie ECALSS (17.-19. Oktober, www.ecalss.org) stellten die Viszeralchirurgin Anja Lachenmayer und der interventionelle Radiologe Martin Maurer ihre Erfahrungen internationalen Fachpersonen aus Chirurgie, Radiologie, Biomedizintechnik sowie Industrie vor.