Covid-19-Krise und ungeklärte Entschädigungsfragen
Die Covid-19-Krise und namentlich die auf Stufe Bund und Kantone angeordneten Massnahmen haben das schweizerische Gesundheitswesen kräftig durchgeschüttelt. Im Frühjahr untersagte der Bundesrat per Notrecht die Durchführung nichtdringlicher (d.h. elektiver) Eingriffe während einer Dauer von mehreren Wochen. Zugleich wurden die Spitäler von den Kantonsregierungen verpflichtet, Vorhalteleistungen (z.B. Bereitstellung von Personal, Intensivbetten und Schutzmaterial) zu erbringen, um dem erwarteten Druck auf die Intensivstationen standzuhalten. Das Bild scheint sich im Rahmen der zweiten Welle, wenn auch glücklicherweise in geringerem Ausmass und mit kantonalen Unterschieden, zu wiederholen. Hinzu kommt, dass Spitäler, gleich wie alle anderen Betriebe, Schutzmassnahmen zu entwickeln und umzusetzen hatten. Die genannten Verbote und Massnahmen haben tiefe Löcher in die Kassen vieler Spitäler gerissen. Der finanzielle Schaden wird gemäss einer jüngst publizierten Studie von PwC schweizweit auf bis zu CHF 2,5 Milliarden Franken geschätzt. Während mehrere Kantone Finanzierungslösungen gefunden haben, ist in anderen (etwa im Kanton Zürich) nach wie vor ungeklärt, ob, von wem und in welchem Umfang Spitäler für ihre Ertragsausfälle entschädigt werden. In verschiedenen Kantonen würden bereits die heutige Subventions- und Spitalgesetzgebung eine rechtliche Grundlage für Unterstützungsleistungen enthalten. Wir haben in der Mai-Ausgabe darüber berichtet (https://www.heimeundspitaeler.ch/management/entschaedigung-von-spitaelern-im-zusammenhang-mit-covid-19-massnahmen).
KVG-Revision zur Kostendämpfung (Massnahmenpaket 2)
Im Dezember 2019 hat der Bundesrat die Strategie «Gesundheit2030» publiziert. Ein Schwerpunkt liegt weiterhin auf der Dämpfung des Kostenwachstums in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Während sich das im Jahr 2019 verabschiedete erste Kostendämpfungspaket derzeit in der parlamentarischen Beratung befindet, hat der Bundesrat am 19. August 2020 die Vernehmlassung zum zweiten Kostendämpfungspaket eröffnet. Darin ist eine weitere Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) vorgesehen. Im Zentrum der umstrittenen Vorlage steht die Einführung einer Zielvorgabe für das jährliche Gesamtkostenwachstum der OKP. Acht Massnahmen sollen überdies zur Steigerung des Effizienzpotenzials in der Gesundheitsversorgung beitragen: Der Bundesrat beabsichtigt, dass künftig alle Versicherten eine obligatorische Erstberatungsstelle (namentlich Hausärzte, telemedizinische Zentren, Gruppenpraxen oder Netzwerke) wählen, an die sie sich vor der Konsultation eines Spezialisten wenden müssen. Zusätzlich sollen die auf die Koordination ausgerichteten Versorgungsnetzwerke als eigene Leistungserbringer definiert und sogenannte Patientensteuerungsprogramme gefördert werden. Weiter schlägt der Bundesrat vor, die Vereinbarung von Preismodellen und allfälligen Rückerstattungen sowie eine damit verbundene Ausnahme vom Zugang zu amtlichen Dokumenten gesetzlich zu regeln. Ebenso sollen die Rechtsgrundlagen für eine differenzierte Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) geschaffen und der kantonsübergreifende Wettbewerb unter den Spitälern durch die Festlegung von Referenztarifen für ausserkantonale Wahlbehandlungen gefördert werden. Schliesslich sieht der Bundesrat vor, die Leistungserbringer und Versicherer zur elektronischen Rechnungsübermittlung zu verpflichten. Analoge Anpassungen sind für die Invalidenversicherung vorgesehen.
Elektronisches Patientendossier
Die Einführung des Elektronischen Patientendossiers (EPD) lässt weiter auf sich warten. Ursprünglich hätten sich gemäss Bundesgesetz über das Elektronische Patientendossier (EPDG) alle Akutspitäler, Reha-Kliniken und stationären Psychiatrien per 15. April 2020 einer zertifizierten (Stamm-)Gemeinschaft anschliessen sollen. Diese bieten das EPD in einem bestimm - ten Einzugsgebiet an. Ein Anschluss war jedoch nicht möglich, da keine (Stamm-)Gemeinschaft fristgerecht zertifiziert werden konnte. Wie die Erfahrung aus diesem Jahr zeigt, ist und bleibt das Zertifizierungsverfahren anspruchsvoll. Die Streichung säumiger Spitäler von der Spitalliste wurde deshalb als unverhältnismässig erachtet. Als erste Stammgemeinschaft wurde Mitte November 2020 «eHealth Aargau» von KPMG, welche zunächst selbst als Zertifizierungsstelle akkreditiert werden musste, zertifiziert. Auch in allen anderen Schweizer Regionen sind Zertifizierungsarbeiten im Gange. Mit der Einfüh - rung des EPD dürfte deshalb Anfang des nächs - ten Jahres gerechnet werden. Geburtshäuser und Pflegeheime müssen sich bis spätestens am 15. April 2022 einer (Stamm-)Gemeinschaft ange - schlossen haben, für alle anderen (ambulanten) Einrichtungen bleibt ein Anschluss freiwillig. Im Zusammenhang mit dem EPD hat sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 2. Sep - tember 2020 zur eMedikation als integraler Be - standteil des EPD geäussert. Laut Bundesrat soll in Zukunft auch der Austausch von Medikations - informationen (z.B. der Behandlungsplan, die Abgabe von Medikamenten oder die Ausstellung eines Rezepts) über das EPD erfolgen.
Einheitliche Vergütung von Pflegematerial
Der Bundesrat hat am 27. Mai 2020 die Botschaft für eine schweizweit einheitliche Vergütung für das Pflegematerial verabschiedet. Unter dem heutigen Recht werden Materialien, welche die Patienten direkt oder unter Beihilfe von nicht - beruflich mitwirkenden Personen verwenden, von der obligatorischen Krankenpflegeversiche - rung (OKP) separat vergütet. Voraussetzung ist, dass die Materialien in der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) aufgeführt sind. Für das in den Pflegeheimen und bei der ambulanten Pflege vom Pflegefachpersonal verwendete Pflegematerial (z. B. Inkontinenzhilfen, Verbandmaterial) ist indessen keine separate Vergütung vorgesehen. Die Vergütung erfolgt nach dem Verteilschlüssel der Pflegefinanzierung durch die drei Kostenträger, d.h. die OKP, Kantone bzw. Gemeinden und Versicherten. Verschiedene Kantone oder Gemeinden haben die zur Deckung der Pflegematerialkosten unerlässliche Restfinanzierung nicht gewährleistet.
Vor diesem Hintergrund will der Bundesrat die Unterscheidung zwischen den beiden Verwendungsarten (Verwendung durch Patient selbst und Verwendung durch Pflegepersonal) aufheben. Künftig sollen die Krankenversicherer die Finanzierung des Pflegematerials unabhängig davon übernehmen, ob die Anwendung direkt durch Versicherte, eine nichtberuflich mitwirkende Person oder durch eine Pflegefachperson erfolgt. Die neue Regelung soll im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) verankert werden. Die Revisionsvorlage bezweckt, die Finanzierung des Pflegematerials sowohl im ambulanten Bereich als auch im Pflegeheim zu sichern. Damit kann gewährleistet werden, dass die Versicherten Zugang zum benötigten Pflegematerial haben. Ebenfalls zu begrüssen ist, dass damit die wenig praktikable Unterscheidung zwischen den beiden Verwendungsarten entfällt.
Neuerungen im Medizinproduktrecht verschoben
Mit einer Änderung des Heilmittelgesetzes (HMG) und des Humanforschungsgesetzes (HFG) wurden die notwendigen Grundlagen zur Totalrevision der Medizinprodukteverordnung (MepV), eine neue Verordnung für klinische Versuche mit Medizinprodukten (KlinV-MepV) und neue Ausführungsbestimmungen zur In-vit - ro-Diagnostika (IvD) geschaffen, um das Schweizer Ausführungsrecht an die neue EU-Regu - lierung der Medizinprodukte anzupassen. Ur - sprünglich hätten die Verordnungen (MepV und KlinV-MepV) per 26. Mai 2020 in Kraft gesetzt werden sollen.
Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pan - demie hat die EU im Frühjahr 2020 angekündigt, die vollständige Anwendung der Verordnung über Medizinprodukte (MDR) um ein Jahr zu verschieben. In der Schweiz erfolgt die Inkraftsetzung der neuen Bestimmungen deshalb schrittweise: Die Ausnahmeregelungen für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten, die kein Konformitätsverfahren durchlaufen haben, ist bereits auf den 1. August 2020 in Kraft gesetzt worden. Die weiteren Bestimmungen treten dagegen erst am 26. Mai 2021, zeitgleich mit der MDR, in Kraft. Die Verabschiedung des IvD-Ausführungsrechts ist für den Sommer 2021 geplant, das Inkrafttreten ist für den 26. Mai 2022 vorgesehen.
Mit der Verschiebung der Inkraftsetzung der europäischen Medizinprodukte-Regulierung wurde zusätzlich Zeit für die Verhandlung von Anpassungen des bilateralen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) zwischen der Schweiz und der EU geschaffen. Sollten die Vertragspart - ner allerdings bis im Frühjahr 2021 keine Einigung erzielen, besteht die Gefahr, dass aus der Schweiz eingeführte Medizintechnik-Produkte wie Produkte aus Drittstaaten behandelt werden könnten. Selbst bisher zugelassene Produkte aus der Schweiz müssten in diesem Fall in der EU re - gistriert werden.
Zürcher Spitalplanung 2023 – Abschaffung von Zusatzhonoraren
Im Kanton Zürich werden per 1. Januar 2023 die Spitallisten (Akutsomatik, Rehabilitation und Psychiatrie) umfassend erneuert. Im Hinblick darauf wird das geltende Spitalpla - nungs- und -finanzierungsgesetz (SPFG) revi - diert. Das Gesetz enthält die für die definitive Festsetzung der überarbeiteten Spitallisten 2023 wesentlichen kantonalen Rechtsgrundlagen. Die Zürcher Spitäler müssen spätestens im Zeit - punkt ihrer Bewerbung um die neuen Leistungs - aufträge die Anforderungen kennen, weshalb der definitive Wortlaut des revidierten SPFG im Sommer 2021 feststehen sollte. Das «Zürcher Modell» geniesst (zumindest bislang) schweiz - weit Vorbildcharakter.
Nachdem der Vorentwurf zum revidierten SPFG des früheren Gesundheitsdirektors in der Vernehmlassung auf starke Kritik seitens der Spitalverbände gestossen ist, hat die neue Gesundheitsdirektorin am 8. Juli 2020 eine gegenüber dem Vorentwurf inhaltlich stark abgespeckte Version präsentiert. Zentrale Elemente des Vorentwurfs wurden fallen gelassen, so etwa die Vorgabe von Leistungsmengen, die uneingeschränkte Weisungsbefugnis der Spitalleitung, die generelle Pflicht zur Betreibung einer Notfallstation sowie die Auswahlkriterien der «grösstmöglichen gemeinnützigen Ausrichtung» und der Erbringung «versorgungspolitisch sinn voller ambulanter Pflichtleistungen».
Ein Hauptanliegen der Revision liegt in der Flexibilisierung der Spitalplanung. So enthält die Gesetzesvorlage Regeln zur Anpassung der Spitalliste während der Geltungsdauer, das heisst ohne dass sämtliche Planungsschritte des ordentlichen Spitalplanungsverfahrens durchlaufen werden müssen. Neu soll auch die betrieb liche Gestaltungsfreiheit der Listenspitäler vergrössert werden, namentlich indem nicht mehr sämtliche Behandlungen pro Leistungsgruppe angeboten werden müssen oder Behandlungen an einem Nebenstandort bewilligt werden können.
Schliesslich schlägt der Regierungsrat im Rahmen der SPFG-Revision ein neues Vergütungssystem für das ärztliche Kader und damit eine Ablösung des bisherigen Zusatzhonorargesetzes vor. Neu sollen der fixe Vergütungsanteil (Grundlohn) erhöht und der variable Vergütungsanteil auf höchstens 30 Prozent der gesamten Vergütung gesenkt werden, ohne dass sich die Gesamt - vergütung für das ärztliche Kader verändern soll. Das Gesetz enthält Vorgaben zur Bestimmung der Höhe des variablen Anteils, während das Vergütungssystem im Personalreglement festzuhalten sein wird. Damit will der Regierungsrat sicherstellen, dass keine Anreize für eine unwirksame, unzweckmässige oder unwirtschaftliche Leistungserbringung bestehen. Insbeson - dere sollen sich die Zahl der Behandlungen und der erzielte Umsatz nicht direkt auf die Höhe der Vergütung auswirken. Gleichzeitig wird der Zweck verfolgt, die Transparenz bei der Entlöh - nung des ärztlichen Kaders und die Gleichbe - handlung seiner Mitglieder zu verbessern.
Ambulant vor stationär (AVOS)
Zur Förderung der ambulanten Leistungserbrin - gung hat der Bund per 1. Januar 2019 die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) angepasst. Es wurde eine Liste (Anhang 1a KLV) mit sechs Gruppen von elektiven Eingriffen eingeführt, die grundsätzlich nur noch bei ambulanter Durchführung von der OKP vergütet werden. Um die Auswirkungen der AVOS-Massnahme zu überwachen, hat der Bund zudem ein Monitoringkonzept ausgearbeitet. Dieses sollte unter anderem dazu dienen, die Liste laufend auszubauen und anzupassen. Da die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie derzeit viele Ressourcen bin - det, ist noch nicht absehbar, wann die ersten Er - gebnisse einer Überprüfung vorliegen. Im Jahr 2020 hat Anhang 1a KLV, abgesehen von der Aktualisierung der Operationsklassifikations-Codes (CHOP), keine Anpassungen erfahren.
Auf kantonaler Ebene galten per 1. Januar 2020 in zwölf Kantonen (unter anderem im Kanton Zürich) zusätzliche Listen mit grundsätzlich ambulant durchzuführenden Eingriffen. Sie sind zwischenzeitlich alle auf die Liste des Bundes ab - gestimmt, sehen aber weitere Eingriffe vor, bei denen die ambulante Behandlung grundsätzlich vorzugehen hat. Für die Listen und Ausnahmekriterien der Kantone ist ebenfalls vorgesehen, dass sie regelmässig überarbeitet und dem medizinischen Fortschritt angepasst werden sollen.
Gegenvorschläge zur Organspende und Pflegeförderung
Der Bundesrat beabsichtigt, bis Ende Jahr die Botschaft zum revidierten Transplantationsge - setz an das Parlament zu überweisen. Die vorgeschlagene Änderung ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten». Er soll die aktuell geltende Zustimmungslösung bei der Organspende durch die Widerspruchslösung ersetzen: Wer zu Lebzeiten seinen Willen nicht festgehalten hat, gilt als Spenderin oder Spender. Im Gegensatz zum Initiativtext können bei der vom Bundesrat vor - geschlagenen Widerspruchslösung die Angehö - rigen stellvertretend den Willen der verstorbe - nen Person äussern, wenn eine schriftliche Dokumentation fehlt.
Weniger zügig geht es mit dem Gegenentwurf zur Volksinitiative «für eine starke Pflege (PflegeInitiative)» voran. Obwohl während der Covid-19-Pandemie vermehrt Forderungen nach einer Stärkung der Stellung des Pflegepersonals laut wurden und die Ausbildung und Aufrechter - haltung der Qualität von Pflegepersonal breit abgestützte Anliegen sind, konnten sich Nationalund Ständerat bis anhin nicht über die Modalitäten des indirekten Gegenvorschlags einigen. Unstimmigkeiten herrschen insbesondere in Bezug auf die Pflicht der Kantone, Ausbildungsbeiträge zu gewähren sowie die Abrechnung von Pflegeleistungen ohne ärztliche Anordnung. Sollte sich das Parlament nicht im Sinne des Initiativkomitees einigen, könnte die Pflege-Initiative frühestens im Frühjahr 2021 zur Abstimmung vor das Volk kommen.
Hochspezialisierte Medizin
Die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) treibt die interkantonale Planung und Konzentration der hochspezialisierten Medizin (HSM) weiter voran. Nach der Interkantonalen Vereinbarung über die Hochspezialisierte Medizin (IVHSM) ist die GDK zu einem zweistufigen Verfahren verpflichtet: In einem ersten Schritt wird definiert, welche Behandlungen unter die HSM fallen (Zuordnung); anschliessend hat deren Zuteilung an die Spitäler zu erfolgen (Leistungszuteilung). Inzwischen hat die GDK in zehn Teilbereichen Leistungszuteilungen vorgenommen. Dazu gehören etwa die hochspezialisierte Viszeralchirurgie, die komplexe Behandlung von Hirnschlägen und Organtransplantationen bei Erwachsenen.
In den kommenden Monaten laufen das Vernehmlassungsverfahren zur überarbeiteten Zuordnung im Bereich der invasiven kongenitalen und pädiatrischen Herzmedizin und der Herzchirurgie sowie das Bewerbungsverfahren im Bereich der Herzunterstützungssysteme (Ventricular assist devices, VADs) bei Erwachsenen. Geplant sind zudem Anhörungen zu den Zuteilungen im Bereich der komplexen Neurochirurgie und Neuroradiologie und im Bereich der komplexen Behandlungen in der Urologie bei Erwachsenen. Aktuelle Informationen finden sich auf der Webseite der GDK, www.gdk-cds.ch/de/ hochspezialisierte-medizin/aktuelles-planung.
Kliniken, die sich für einen HSM-Leistungsauftrag bewerben, wird dringend empfohlen, sich frühzeitig und sorgfältig mit Bewerbungsunterlagen und -verfahren auseinanderzusetzen und eine Strategie zu definieren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die GDK bereits in der Zuordnungsphase wichtige Weichenstellungen vornimmt, die im Rahmen der Zuteilungsphase nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können. Bringen sich die Bewerber mit ihrer Fachkompetenz und ihren Interessen frühzeitig und professionell in den Prozess ein, können nachteilige Zuteilungsentscheide und allenfalls aufwendige Beschwerdeverfahren vermieden werden.
Kombinationstherapie ausserhalb der Spezialitätenliste
In einem publizierten Urteil vom 2. Juni 2020 (BGE 146 V 240) hat sich das Bundesgericht zur Kostenübernahme einer Kombinationstherapie ausserhalb der Spezialitätenliste (SL) durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) geäussert. Es hat dabei die Voraussetzungen für den Off-Label-Use gemäss Art. 71a Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) erläutert und deren Vorliegen im zu beurteilenden Fall bejaht. Konkret ging es um eine Kombination dreier Präparate, welche je in der SL aufgeführt sind, zur Behandlung eines multiplen Myeloms.
Hinsichtlich des Wirtschaftlichkeitserfordernisses hat das Bundesgericht festgehalten, dass nicht bereits auf der Basis des für die jeweiligen Monotherapien der fraglichen Medikamente geltenden Höchstpreises auf den Preis der Kombinationstherapie geschlossen werden könne. Ferner sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Kombinationstherapie nicht mit der Summe der für die Monotherapien festgelegten Preise vergleichbar. Folglich hat das Gericht die Angelegenheit an die betroffene Krankenkasse zurückgewiesen, die auf Grundlage von Art. 71 Abs. 2 KVV mit den entsprechenden Zulassungsinhabern einen Preis festlegen musste.
EFAS und Einbezug der Pflegefinanzierung
Seit 2019 wird im Bundesparlament über eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen (EFAS) debattiert. Bislang bezahlen die Kantone mindestens 55 Prozent und die Krankenversicherer höchstens 45 Prozent der stationären Leistungen, während ambulante Behandlungen zu 100 Prozent von der Krankenversicherern vergütet werden. Mit EFAS sollen die koordinierte Versorgung gefördert, Fehlanreize beseitigt und die Prämienzahlenden entlastet werden. Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich eine einheitliche Finanzierung. In seinem Bericht zur zukünftigen Finanzierung der Pflegeleistungen vom 25. November 2020 erwägt er zudem den Einbezug der Pflegeleistungen. Dies entspricht einer Forderung der Kantone, die voraussichtlich den überwiegenden Teil des in der Pflege erwarteten Kostenanstiegs finanzieren werden. Das Geschäft liegt aktuell beim Ständerat.
Dr. iur. Martin Zobl, LL.M., ist Rechtsanwalt bei Walder Wyss. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Beratung und Vertretung von Unternehmen im Gesundheitsrecht und im Bereich Life Sciences. Er publiziert und referiert regelmässig in seinen Fachgebieten. Mail
Jasmin Büeler, M.A. HSG Law and Economics, arbeitet als Anwaltspraktikantin in der Gruppe Regulierte Märkte, Wettbewerb, Technologie und IP bei Walder Wyss. Vor ihrem Praktikum arbeitete sie als Hilfsassistentin am Center for Law & Economics der ETH Zürich und absolvierte das Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem Abschluss zur diplomierten Wirtschaftspädagogin.