Lange wurde das Thema Umwelt im Gesundheitswesen wenig beachtet, doch jetzt gehen immer mehr Akteure voran, was verschiedenste Anlässe dieses Jahres zeigen: «Green Hospital» hiess die Tagung, die im September dieses Jahres von der Ökologiekommission des Verbands Zürcher Krankenhäuser (VZK) organisiert wurde. Dort wurden zuerst wissenschaftliche Hintergründe erklärt: Aus Umweltsicht sind bei Spitälern die Lieferketten ausschlaggebend, weil die Umweltbelastung nicht vor Ort, sondern hauptsächlich bei den Rohstoffen oder den vorgelagerten Zulieferern entstehen.
Ein Liste von Umsetzungsbeispielen
Während der Veranstaltung wurden eine Reihe von Beispielen aus der Praxis präsentiert: Wie sollen Zuständige vorgehen, um einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und dessen Ziele umzusetzen? Dies erklärte Claudia Hollenstein, Head of Sustainability & Health Affairs, anhand der Hirslanden-Gruppe. Nachhaltigkeit ist klar Chefsache, dennoch sollten Mitarbeitende und ihre Ideen ernst genommen werden. Wichtig ist auch, sich genügend Zeit zu nehmen für gemeinsame Ziele und für den Abbau von Ängsten. Die Umsetzung sollte Schritt für Schritt angegangen werden, denn «Nachhaltigkeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon», sagte Hollenstein.
Als weiteres Praxisbeispiel wurde beschrieben, wie die Installation von Photovoltaikanlagen beim Kantonsspital Graubünden erfolgte. Es zeigte sich, dass neben dem theoretischen Potenzial konkrete Aspekte relevant sind, wie zum Beispiel die Verschattung, der Zustand und das Alter der Dachfläche sowie die technischen Gegebenheiten, um die Anlage elektrisch anzuschliessen. Solche konkreten Tipps sind für Entscheidungstragende äusserst hilfreich. Deshalb hat die Forschungsgruppe Ökobilanzierung der ZHAW diesen Herbst eine Liste von Umsetzungsbeispielen für ein umweltfreundliches Spital auf www.greenhospital.ch veröffentlicht. Die konkreten Massnahmen sind nach Klimarelevanz der verschiedenen Bereiche sortiert und beinhalten unter anderem die relevanten Bereiche Verpflegung, Gebäudeinfrastruktur, Wärme, Strom und Medikamente. Die Praxisbeispiele reichen von tageslichtabhängiger Lichtsteuerung über den Verzicht von Reservemahlzeiten bis hin zum Gratis-Velocheck für Mitarbeitende. Dank der Liste können sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger inspirieren lassen und erfahren gleichzeitig, bei welchen Personen oder Spitälern sie mehr erfahren können.
Initiative von vier Unispitälern
Auch bei den Universitätsspitälern wird es nun konkret: Im Oktober sind das Inselspital Bern, das Universitätsspital Basel, die Genfer Universitätsspitäler, sowie das Universitätsspital Waadt der freiwilligen Initiative «Vorbild Energie und Klima» des Bundesamtes für Energie beigetreten. Gemeinsam haben sie sich dazu verpflichtet, bis 2030 die Energieeffizienz gegenüber 2018/2019 um 18 Prozent zu steigern, bei Wärme und Treibstoffen 42 Prozent erneuerbare Energiequellen zu nutzen und 7,5 Gigawattstunden Strom mittels Photovoltaik selbst zu produzieren. Ausserdem wollen sie bereits bis 2026 100 Prozent ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen beziehen. Zusätzlich zu diesen grossen gemeinsamen Zielen legen die Spitäler aktuell individuelle Massnahmen fest. Diese haben zum Ziel, den Energieverbrauch medizinischer Geräte zu senken, einen hohen Anteil pflanzlicher Proteine in der Ernährung zu fördern, weniger Abfall zu produzieren und Klimathemen beim Beschaffungsprozess miteinzubeziehen.
Die vier Universitätsspitäler positionieren sich durch die Teilnahme sehr klar und zeigen, dass das Thema Klima nicht in einem Kapitel im Jahresbericht abgehandelt wird, sondern wirklich vorangetrieben wird. Dank der fachlichen Unterstützung können sie ihre Ziele fundiert und systematisch festlegen und passende und realistische Massnahmen ausarbeiten. Ein weiterer Vorteil der Initiative «Vorbild Energie und Klima» ist, dass nicht nur ein Versprechen gemacht wird, sondern auch ein Raum für Austausch und Lernen geschaffen wird, in welchem sich die Teilnehmenden gegenseitig unterstützen können.
Stromverbrauch von Grossgeräten gesenkt
Der Beitritt der Universitätsspitäler wurde am Jahresanlass «Vorbild Energie und Klima» im Oktober gebührend gefeiert. Dort präsentierte das Universitätsspital Basel, wie Mitarbeitende des Spitals den Strombedarf medizinischer Grossgeräte wie beispielsweise für die Magnetresonanztomografie (MRI) oder Computertomografie (CT) vor Ort gemessen haben. Sie stellten erstaunt fest, dass die Geräte auch in unproduktiven Phasen viel Strom beziehen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Hersteller konnte der Strombedarf in diesen Phasen gesenkt werden. Eine IT-Lösung führte zudem dazu, dass die Geräte auch dann ausgeschaltet werden, wenn dies in der Hektik des Spitalalltags vergessen geht.
Unabhängig von schweizweiten Initiativen und Veranstaltungen setzen auch einzelne Spitäler nachhaltige Massnahmen um. Das Spitalzentrum Biel beispielsweise musste die Notleuchten in einem Gang ersetzen. Sie entschieden sich dafür, die gesamte Beleuchtung mit LED-Panels und Bewegungsmeldern zu ersetzen. Damit entfiel der hohe Wartungsaufwand für den Ersatz von Vorschaltgeräten und Leuchtmitteln, und die damit einhergehenden Kosten reduzierten sich massiv. Auch der Strombedarf konnte um satte 82 Prozent reduziert werden. Dank der guten Erfahrung wird das neue System nun auch an weiteren Orten im Spital eingesetzt.
Ein umweltfreundliches, klimafreundliches Spital ist komplex und braucht die Zusammenarbeit verschiedenster Stellen und ein Austausch von Wissen aus verschiedensten Fachbereichen. Die Initiativen, Veranstaltungen und Praxistipps, die diesen Herbst stattfanden, brachten Experten zusammen und lassen einen hoffen, dass das Thema auch im Gesundheitsbereich angekommen ist und den Stellenwert erhält, den es schon lange verdient.
Regula Keller leitete das Forschungsprojekt «Green Hospital» des Schweizerischen Nationalfonds. Seit Oktober arbeitet sie bei Brandes Energie und unterstützt dort die Initiative «Vorbild Energie und Klima» mit fachlicher Beratung und koordiniert Zertifizierungen des Gütesiegels «naturemade».