In vielen Bereichen des Gesundheitswesens können Stellenpläne heute oft aufgrund des akuten Fachkräftemangels nicht gefüllt werden. Oft sind Führungskräfte gefordert, selbst aktiv im Tagesgeschäft Hand anzulegen. Hinzu kommen anspruchsvolle Projekte, bei welchen sie als Fachspezialisten selbst Einsitz nehmen oder dafür Mitglieder aus dem Team zur Verfügung stellen.
Das Gesundheitswesen befindet sich im grossen Umbruch. Die zahlreichen Veränderungen spüren insbesondere auch die Führungskräfte, mit neuen Tools, Abläufen oder Organisationsstrukturen. Und schlussendlich liegt es zu einem grossen Teil an ihnen, diesen Change zu tragen. Mit zeitintensiven Gesprächen als direkte Vorgesetzte in ihrem Team, neben einem meist hochtourig laufenden Betrieb und anspruchsvollen Kernaufgaben. Um zu informieren, zu motivieren oder zu relativieren.
Erfolgreiche Vorgesetzte zu sein, heisst heute nicht mehr nur zu managen und den Tagesbetrieb zu organisieren. In diesen Funktionen sind nicht mehr nur die besten Fachpersonen gefragt, sondern vor allem Führungskräfte, die mit einem hohen Mass an Sozialkompetenzen und Leadership auftreten.
Gute Voraussetzungen für Veränderungen
Das Gesundheitswesen bringt gute Voraussetzungen mit. Der in den vergangenen Jahren permanent gestiegene Druck, beeinflusst durch Politik, Versicherer, medizinische Innovationen oder den Mangel an Fachkräften, hat Spuren hinterlassen, und dies durchaus auch mit positiven Aspekten. Die Branche war und ist gefordert, ihre Prozesse, wo möglich und sinnvoll, zu optimieren, zu automatisieren und auf dem Markt als innovativer, unverzichtbarer Leistungserbringer aufzutreten. Kurz, sich als moderner Arbeitgeber mit attraktiven Arbeitszeitmodellen und kreativen Mitarbeiterangeboten zu positionieren.
Die Kultur im Gesundheitswesen zeigt sich oft sehr kollegial, interdisziplinär, gefördert und geprägt durch medizinische Kernprozesse, für welche diese Zusammenarbeit eine Grundvoraussetzung ist. Elemente wie Supervision, kollegiale Teamberatung oder Coaching sind vielerorts bekannt und teils fester Bestandteil von Aus- und Weiterbildungen im Bereich Health Care. Erfolgreiche Erfahrungen aus der Vergangenheit und die Offenheit für neue Wege sind Chancen und wertvolle Voraussetzungen, sich auch in Zukunft zu verändern und sich agil auf die Gegebenheiten des Umfeldes einstellen zu können.
Eine Vision der Unternehmenskultur entwickeln
«Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, wo Mitarbeitende aller Hierarchiestufen nebst Strategie und betriebswirtschaftlichen Zielen auch ein gemeinsames Verständnis ihrer Unternehmenskultur haben. Eine hilfsbereite, offene und kollegiale Zusammenarbeit von Menschen, die über einen weiten Kompetenzbereich verfügen, selbständig Entscheide treffen und ihre Aufgaben so effizient und effektiv erfüllen können.» Könnte sich so ein Teil einer Vision für eine Unternehmenskultur anhören?
Einmal mehr ist hier die oberste Führung gefordert, eine Vision ihrer anzustrebenden Unternehmenskultur zu definieren, je nach Firmengrösse auch gemeinsam mit ihrem Kader. Ein ehrliches und aufrichtiges Bild der Zukunft, für welche Werte man stehen will. Eine tiefe Überzeugung mit dem kompromisslosen Willen, die damit verbundenen Elemente jeden Tag vorzuleben und auch einzufordern. Massnahmen auf diesem Weg festzuhalten und die notwendigen Mittel vorzusehen. Beispielsweise mit einem Commitment, in seine Führungskräfte zu investieren, damit sich diese die Skills aneignen können, welche heute und in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt den Unterschied machen werden.
Kulturförderung mit dem MAS-Modell
Wie können Führungskräfte von den Kompetenzen eines Coaches lernen und damit einen Beitrag zur positiven Beeinflussung der Unternehmenskultur beitragen? Das MAS-Modell wurde entwickelt, um genau diese Frage zu beantworten und besteht aus den Elementen Mindset, Ausdruck (Kommunikation) und Selbstreflexion. Ein Abbild für sich laufend weiterentwickelnde Vorgesetzte. Es beinhaltet eine Vielzahl an Denkweisen und Methoden eines Coaches, welche, sofern im Führungsalltag konsequent gelebt, Unternehmenskulturen positiv beeinflussen können. Denn: Es sind grundsätzlich die Vorgesetzten, welche die Kultur durch ihr Verhalten prägen.
Mindset – Die innere Haltung
Der Mindset, die positive innere Haltung einer Führungskraft gegenüber sich und seinem Umfeld ist die unverzichtbare Basis für die Herausforderungen, die sich in einer Organisation tagtäglich und in unterschiedlichster Form zeigen können. «Ich bin ok, Du bist ok», lautet eine Grundhaltung aus dem Coaching; eine positive Unterstellung des Coaches an seinen Klienten, eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche, vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Gemäss Eric Berne – Erfinder besagter Haltung – eine Auszeichnung für echte Führungspersönlichkeiten. Kopfnicken, Fragen stellen oder einfach nur zuhören können Kommunikation ist im Coaching wie auch in der Führung elementar, in verbaler, paraverbaler oder nonverbaler Form.
So kann ein Coach mit zahlreichen Fragetechniken neue Blickwinkel öffnen, mit Pacing sein Gegenüber abholen, während Leading Möglichkeiten gibt, seinen Kunden gedanklich in die Zukunft zu versetzen. Gedankenanstösse zu geben, ob und was er an seiner Situation verändern möchte. Tools, die auch im Führungsalltag unterstützen können.
Sich selbst führen können
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Selbstreflexion. Wer bereit ist, über sich und sein Verhalten regelmässig nachzudenken und zu hinterfragen, kann daraus lernen. Und jede Erkenntnis wird dabei seinen Charakter prägen und wiederum seinen Mindset als Führungskraft und seine Kommunikation beeinflussen. Es geht nicht darum, aus Führungskräften Coaches zu machen. Vielmehr können Vorgesetzte lernen, mit entsprechenden Methoden sich und ihr Führungsverhalten weiterzuentwickeln und zu stärken. Diese Leadershipqualität wird in Zukunft mitentscheidend sein, wer die besten Fachkräfte für sich gewinnen und halten kann.
Adrian von Känel ist Dipl. Hotelier HF/SHL und arbeitete über zehn Jahre in leitenden Funktionen in der Erstklasshotellerie. Seit rund 14 Jahren ist er Mitglied der Geschäftsleitung der Hirslanden Klinik Aarau. Ergänzend zu seiner Tätigkeit in der Klinik bietet der Dipl. Coach praxisnahe Coachings und Seminare für Führungskräfte und Teams an und begleitet Firmen beim Thema Unternehmenskultur. www.adrianvonkaenel.ch