Die Foodtrendforscherin Karin Tischer schreibt in ihrer Analyse, dass in einer sich ständig wandelnden Welt, in der der Anspruch an gesunde Ernährung immer individueller wird, gesunde und teils personalisierte Ernährungskonzepte sowie die stärker pflanzenbasierte Ernährung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Besonders die Gen Z treibe diesen Trend voran und strebe das «Next Level» einer gesunden Lebensweise an. Der Fokus liege dabei auf der Reduzierung oder dem freiwilligen Verzicht auf bestimmte Inhaltsstoffe wie Alkohol, Zucker und Salz. Ihre Trendanalyse widmet sich der genaueren Betrachtung dieser Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Gestaltung einer gesunden Welt.
Plantarismus und pflanzenorientierte Ernährung
Die stärkere Gesundheitsorientierung in Verbindung mit einem höheren Qualitätsbewusstsein sei unaufhaltsam, so Tischer. Der Plantarismus, eine pflanzenorientierte Ernährung mit einem Fokus auf veganen und vegetarischen Elementen, gewinne hierdurch an Bedeutung. Diese Entwicklung gehe mit einer Reduzierung des Fleisch- und Fischkonsums einher. Die Nachfrage nach Proteinalternativen, einschliesslich Algen, nehme kontinuierlich zu und erfahre dabei sowohl in der Vielfalt als auch in der Qualität deutliche Optimierungen.
Biohacking und «Next Level» der Gesundheitsoptimierung
Im Bestreben, das Optimum aus Körper und Geist herauszuholen, gewinne das Biohacking als logischer Schritt der Selbstoptimierung an Popularität, schreibt die Foodtrendforscherin. Dieser Trend zeichne sich durch individuelle Ansätze aus, wie High-Protein Meals, Intervallfasten, Low Carb beziehungsweise ketogene Ernährung und den Bulletproof Coffee – einen mit zerlassener Butter oder Ghee angereicherten Kaffee. Dahinter stecke die Idee, dass die im Kaffee enthaltenen Fette für ein länger anhaltendes Energieniveau sorgen würden und das Hungergefühl unterdrückten, während der Kaffee selbst die Wachheit und Konzentration steigere. Als «Next Level» der Gesundheitsoptimierung, welches insbesondere von der Gen Z vorangetrieben wird, gelte der sogenannte «NoLo-Trend» («no» beziehungsweise «ow»): die freiwillige Reduzierung oder der Verzicht zum Beispiel von Alkohol, Zucker und Salz. In der Gastronomie würden die Gäste ein breites Angebot erwarten, das diesem Anspruch gerecht wird sowie gluten- und laktosefreie wie auch allergenfreie Speisen.
Nachhaltige Alternativen
Der Markt reagiere auf die steigende Nachfrage nach gesunden Alternativen mit innovativen Lösungen, so Tischer. Ein Beispiel hierfür sei das Start-up Planet A Foods, das eine nachhaltige Schokoladen-Alternative namens «ChoViva» produziere. Diese bestehe aus regionalen, gerösteten und fermentierten Hafer- und Sonnenblumenkernen und enthalte 30 Prozent weniger Zucker als herkömmliche Schokolade. Die nachhaltige Produktion berücksichtige kurze Lieferketten und trüge dazu bei, die Bedrohung der Regenwälder zu reduzieren.
Krisenbedingte Dämpfer
Trotz des unaufhaltsamen Trends zu mehr Gesundheitsbewusstsein hätten Krisen, wie etwa wirtschaftliche Unsicherheiten und die COVID- 19-Pandemie, zu vorübergehenden Einbrüchen geführt, schreibt die Forscherin. Verbraucherinnen und Verbraucher würden preissensibler reagieren. Zudem seien vermehrt inkonsequente Entscheidungen zu beobachten, beispielsweise ein Rückgang im Absatz von Bio-Produkten bei gleichzeitigem Anstieg des Absatzes von Pommes frites im Ausser-Haus-Markt.
Personalisierte Ernährung
Die Idee der personalisierten Ernährung basiert auf persönlichen Vorlieben und diese an Gesundheitsbedürfnisse anzupassen. Massgeschneiderte Ernährungskonzepte werden dabei durch Analysen von Stoffwechsel, genetischem Profil, Gesundheitszustand, Lebensstil und individuellen Präferenzen erstellt. Die Idee, die Ernährung besser an die individuellen Gesundheitsbedürfnisse anzupassen, ist ein Thema mit Zukunftspotenzial, das derzeit erforscht und getestet wird.
Praxisbeispiele in Europa
Erste Umsetzungen personalisierter Ernährungskonzepte seien bereits erkennbar, erklärt Tischer. Ein bemerkenswertes Beispiel sei der Sushi-Filialist (100 Restaurants weltweit) YO! Sushi in London mit seinem DNA-Dining-Konzept «YO! Dinner, YO! Way». Nach vorheriger DNAAnalyse würde ein auf die Person zugeschnittenes Menü serviert. Dafür erhielten die Gäste ein DNA-Kit nach Hause, um ihre individuellen Bedürfnisse und mögliche Mangelernährungen zu identifizieren. Ähnlich arbeite Gousto DNA-Dishes in London. Nach vorangehender DNA-Analyse erhielten die Kundinnen und Kunden individuelle Kochboxen für Speisen, die ihrer Herkunft entsprechen und auf den jeweiligen Stoffwechsel abgestimmt seien.
Veränderungen in der Gemeinschaftsgastronomie
Die Gemeinschaftsgastronomie stehe vor vielfältigen Herausforderungen, schreibt Tischer: Auch nach der Corona-Pandemie würden noch viele Menschen im Homeoffice arbeiten. Die generelle New-Work-Entwicklung sowie die anhaltende Preissensibilität der Gäste würden den Aufschwung in diesem Segment erschweren.
Neue Konzepte für Betriebsrestaurants
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, entstünden innovative Konzepte für Betriebsrestaurants und auch für Spitäler, weiss die Zunkunftsforscherin Tischer. Einige Unternehmen würden an Smart Vending Machines für autarke, frische 24/7-Betriebsverpflegung arbeiten. Diese reiche von einzelnen Automaten bis zu Containern mit Bistros und setze auf mobiles Bestellen über das Smartphone, QR-Code-Management sowie nachhaltige Produktion in CloudKitchens. Letzteres sorge für maximale Frische, da die Speisen hier täglich frisch zubereitet würden. Anschliessend würden die Gerichte kalt an die Smart Vending Machines geliefert, aus denen sie zum gewünschten Zeitpunkt entnommen und erhitzt werden können. Auch die Rückgabe des Mehrweg-Geschirrs erfolge über die Vending-Geräte. Vor Ort sind keine Mitarbeitenden erforderlich, alles funktioniere automatisch. Smarte Vending-Maschinen seien eine Lösung am Puls der Zeit: Entwickelte Systeme sollten nachhaltig sein, Food Waste vermeiden und flexibel 24/7 frische Produkte bieten.
Wertigkeit und Wertschätzung in der Spitalverpflegung
Im Bereich der Krankenhausverpflegung sei eine Entwicklung zu mehr Wohlfühl-Atmosphäre zu beobachten, schreibt Tischer. Aus Patientinnen und Patienten würden Gäste. Gesündere, frischere und schmackhaftere Speisen würden zunehmend angeboten. An Spitälern würden sogenannte persönliche Mahlzeiten getestet, wie in Maastricht am University Medical Center. Hier können sich Patientinnen und Patienten von Besuchenden Speisen mitbringen lassen und in der Klinik verzehren – selbstverständlich unter Einhaltung der angeordneten Diäten – oder für ihren Besuch oder ihre Pflegekraft ein Essen mitbestellen.
Spezielle Ernährung als Problemlöser bei Krankheiten
Immer häufiger wird eine Ernährungsumstellung oder ein spezieller Ernährungsplan auch begleitend bei Krankheiten eingesetzt, ergänzt Tischer, so zum Beispiel bei Müdigkeit, Kopfschmerzen und Migräne oder ADHS. «Ernährungs- Docs» berieten zudem bei speziellen Erkrankungen und Ernährungsproblemen. Bereits jetzt seien Apps für personalisierte Ernährung auf dem Markt:
❱ LYKON: Per DNA-Test wird der Stoffwechseltyp analysiert und ein persönlicher Ernährungsplan entwickelt. Genutzt wird die App vor allem beim Thema Abnehmen und bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
❱ MillionFriends: Der Blutzucker wird zwei Wochen lang mit einem Sensor gemessen, um festzustellen, wie Personen auf diverse Lebensmittel reagieren. Die User erhalten individuelle Tipps und Rezeptvorschläge, passgenau auf ihre Bedürfnisse entwickelt (zum Beispiel Gewichtsreduktion oder Muskelaufbau). Die App ist mit einem Fitnesstracker kombinierbar.
Bedeutung und Learnings für den Ausser-Haus-Markt
Die unaufhaltsame Verschiebung hin zu einer stärkeren Gesundheitsorientierung und einem höheren Qualitätsbewusstsein unter den Gästen stelle den Ausser-Haus-Markt vor bedeutende Herausforderungen und gleichzeitig Chancen, stellt Tischer fest. Trotz der kleinen Dämpfer durch Krisen wie wachsende Preissensibilität und inkonsequente Entscheidungen ergäben sich klare Handlungsansätze, um die Gäste zu begeistern.
Die Diversifizierung des Angebots würde zum Schlüssel, um den sich entwickelnden Ernährungstrends gerecht zu werden. Der aufstrebende Plantarismus, eine stärker pflanzenorientierte Ernährung mit mehr veganen und vegetarischen Elementen sowie Proteinalternativen, sei dabei ebenso relevant wie die Fokussierung auf «NoLo».
Ein höherer Anspruch an glutenfreie, laktosefreie und allergenfreie Speisen sei notwendig.Dazu gewinne personalisierte Ernährung zunehmend an Bedeutung, manifestiert in DNADining- Konzepten in Restaurants und im Lieferservice sowie durch die Einführung von DNAApps für Gäste.
Um sich erfolgreich am Markt zu positionieren, sollten neue Angebotskonzepte in der Gemeinschaftsgastronomie die Potenziale der Digitalisierung und KI nutzen. Gesundes Essen würde zum entscheidenden Faktor, unterstützt durch flexible 24/7-Lösungen wie innovative Vending-Maschinen mit «Mobile Ordering» und einem Angebot frischer und gesunder Speisen.
Im Care-Bereich sei ein neuer, individueller Blickwinkel erforderlich. Patientinnen und Patienten werden zu Gästen. Gemeinschaftsgastronomie im Care-Sektor sollte mit dieser Blickrichtung umgestaltet werden und einen verstärkt personalisierten Ansatz verfolgen, um den individuellen Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.
Fazit
Die Zukunft der Gastronomie und Gemeinschaftsgastronomie würde von einer stärkeren Gesundheitsorientierung, einem höheren Qualitätsbewusstsein und innovativen Konzepten geprägt, fasst Tischer ihre Analyse zusammen. Der Weg zu einer nachhaltigen, personalisierten Ernährung sowie flexiblen und digitalisierten Lösungen würde entscheidend sein für den Erfolg in diesem sich stark wandelnden Markt.
Die Akteure der Branche sollten diese Trends aufgreifen und in ihre Strategien integrieren, um den steigenden Anforderungen und Erwartungen der Gäste zu genügen und wettbewerbsfähig zu bleiben.