Mitten in der deutschen Sommerhitze fand der jedes Jahr im Rahmen der Biofach in Nürnberg stattfindende Kongress Stadtlandbio dieses Jahr Ende Juli statt. Pandemiebedingt war das Messe- und Kongressevent vom Februar verschoben worden und fand als «Summer Edition» statt.
CO2-Emissionen reduzieren
Beim Stadtlandbio-Kongress drehte sich – vor Ort und digital – dieses Mal alles um die Frage, wie Städte, Gemeinden und Landkreise ihre CO2 -Emissionen mit einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft reduzieren können. Über achtzig Teilnehmende aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Unternehmen, landwirtschaftlichen Betrieben und Verbänden diskutierten dies an den zwei Kongresstagen parallel zur Biofach, Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, unter dem Motto: «Bio.Essen.Landwirtschaft – Chancen für den kommunalen Klimaschutz.»
«Der Kongress hat Akteure aus unterschiedlichen Bereichen rund um das Thema kommunaler Klimaschutz zusammengebracht und Möglichkeiten eröffnet, damit jede und jeder gehört werden konnte. Vor allem bei jungen Start-ups merkt man, dass sie diesen direkten Austausch suchen und brauchen», so Nina Faiss, Regionalmanagerin Bio-Musterregion Hohenlohe. «Klimafreundlicher Konsum wird für Verbraucher immer wichtiger. Damit sich auch auf kommunaler Ebene mehr bewegt, ist es wichtig, die Verantwortlichen mit Kongressen wie Stadtlandbio zu vernetzen.»
Weniger tierische Produkte
Kommunales Klimaschutzpotenzial liegt jedoch nicht nur auf dem Acker, sondern auch in der Gemeinschaftsverpflegung von Kitas, Schulen und Kantinen. «Das Interesse an klimafreundlicher Ernährung hat deutlich zugenommen. Bei dem Kongress habe ich nun von einigen Kantinen – etwa in Berlin, München oder Osnabrück – erfahren, die hier echte Vorreiter sind. Das inspiriert!», erklärt Ursula Trentinaglia, Agrarbotschafterin, Kursleiterin, Beraterin und Hauswirtschaftsleiterin.
Zwar gibt es inzwischen viele Rechenmodelle, mit deren Hilfe man die Klimabilanz einzelner Lebensmittel und Speisen ermitteln kann, die Grundformel für mehr Klimaschutz auf dem Teller ist jedoch denkbar einfach: weniger tierische und mehr pflanzliche Produkte anbieten – und weniger wegwerfen. Um dies durchzusetzen, braucht es gute Vorbilder und mehr Bildungsangebote: für Köchinnen und Köche zum klimafreundlichen Kochen sowie für Kinder und Jugendliche, damit sie die Auswirkungen ihrer Ernährung verstehen.
Aber «in vielen Schulen und Kindergärten ist Ernährungsbildung noch kein Pflichtprogramm, sondern passiert nur dann, wenn einzelne Persönlichkeiten sich dafür engagieren», so Tina Andres, Vorstandsvorsitzende der BÖLW, der deutschen Dachorganisation der Biobranche.
Regionale Potenziale effizient ausschöpfen
Dass regionale Lebensmittel aufgrund kürzerer Transportwege besser fürs Klima sind, erklärt sich von selbst. Damit dieser positive Effekt jedoch nicht wortwörtlich verpufft, ist eine effiziente Regionallogistik erforderlich. In Städten kann urbane Landwirtschaft relativ einfach auf bereits existierende logistische Strukturen zurückgreifen. Auf dem Land sieht das jedoch oft ganz anders aus.
Der Kongress zeigte, dass es hier zwar bereits einige Kooperativen und Initiativen gibt, dass diese jedoch vielerorts noch in den Kinderschuhen stecken. Um Leerfahrten und eine mangelnde Auslastung zu reduzieren, ist es wichtig, von den grossen Logistikunternehmen zu lernen – denn Effizienz ist deren Stärke. Allerdings hat eine Untersuchung bei den Jugendherbergen in Bayern ergeben, dass der Transport nur einen verhältnismässig geringen Anteil an der Treibhausgasbilanz in der Verpflegung hat. Entscheidender sei, wie produziert werde.
Bio-Schweiz holt auf: Bio für Kitas, Schulen und Kantinen
In vielen europäischen Ländern erreichen die Bio-Umsätze einen hohen Anteil am jeweiligen Gesamtmarkt. Während Bio-Lebensmittel heute in den meisten europäischen Ländern, in vielen Detailhandels-Kanälen vertreten sind, ist die Entwicklung in der Gastronomie und namentlich der Gemeinschaftsverpflegung sehr unterschiedlich entwickelt. Im Gegensatz zur Bio-Vermarktung in fast allen anderen Kanälen nimmt die Schweiz bei der Bio-Gemeinschaftsverpflegung keine Vorreiterrolle ein.
Obwohl viele private KMU und einige grosse Akteure in der Systemgastronomie in der Praxis längst erfolgreich gezeigt haben, wie «Bio-Gastronomie geht», nutzt die öffentliche Hand dieses Know-how bisher nur sehr zögerlich. Um den Rückstand der Bio-Schweiz aufzuholen, haben Bio Suisse und «Fourchette verte Schweiz» Mitte Juni 2022 eine künftig engere Zusammenarbeit lanciert. Mit dieser Partnerschaft soll in der Gemeinschaftsgastronomie das Bewusstsein für die Herkunft unserer Lebensmittel geschärft werden.
Für beide Organisationen markiert diese Zusammenarbeit ein Meilenstein hin zu einer nachhaltigen Ernährung mit mehr Bio-Produkten aus der Schweiz. In den 1700 Betrieben von Fourchette verte sollen bis 2024 durchschnittlich 15 Prozent Knospe-Lebensmittel auf den Teller kommen. Den Start machen 200 Pilotbetriebe. Susanne Schaffner, Präsidentin Fourchette verte Schweiz: «Es besteht kein Zweifel daran, dass Investitionen in qualitativ hochwertige Lebensmittel in der Gemeinschaftsgastronomie einen erheblichen Mehrwert für den Planeten und die Gesellschaft bringen.»