Der Megatrend Digitalisierung verändert unsere Vorstellung wie künftig die medizinische Versorgung von Patienten verbessert werden kann: Beispielsweise die nahtlose digitale Dokumentation aller Diagnosen und Prozeduren, künstliche Intelligenz, die hilft, seltene Erkrankungen zu behandeln oder der Fokus der Medizin auf die Erhaltung von Gesundheit und nicht überwiegend auf die Behandlung von Krankheit. Natürlich ist das alles erstrebenswert, allerdings droht die Gefahr, dass zentrale Herausforderungen des Klinikalltags unberücksichtigt bleiben: Viele Ärzte und Pflegekräfte koordinieren immer noch mit dem Telefon die vielen kleinen Behandlungsschritte. So verbringen Ärzte in einer Rettungsstelle bis zu 50 Minuten am Telefon, um einen versorgten Patienten auf eine Station mit einem freien Bett zu vermitteln. Oder eine Uniklinik leistet sich eine kleine Telefonzentrale, die nur die Bettenreinigung disponiert. Diese manuelle Koordination ist ein Anachronismus, den wir privat nie akzeptieren würden, seit es Smartphones mit digitalen Assistenten gibt. Auf einen Klick finden wir beispielsweise ein verfügbares Auto eines Car-Sharing-Dienstes oder bestellen online die Pizza und erledigen damit auch gleich die Bezahlung. Ganz ohne Telefonate.
Im Alltag haben wir GPS, im Spital fehlt die Schlüsseltechnologie Bluetooth
Wir haben uns intensiv mit dem Erfolgsgeheimnis von digitalen Assistenzsystemen beschäftigt. Es sind zwei Dinge, die wir immer wieder erkennen: Einerseits basieren diese Apps auf der Schlüsseltechnologie GPS, also dem Satellitensystem, das dem Smartphone in Echtzeit Positionierungsdaten zur Verfügung stellt. Zum anderen sind die Apps selbst so intuitiv verständlich und unterstützend, dass wir sie sofort ohne Schulung verwenden können. Diesen Transfer ins Spital zu bewältigen ist die zentrale strategische Herausforderung, der wir uns bei simplinic gestellt haben.
Da in Gebäuden GPS nicht funktioniert, haben wir in dreijähriger Entwicklungszeit ein Bluetooth-Netzwerk aus Empfängern und Sendern realisiert, das in jedem Spital zuverlässig jedes Objekt raumgenau lokalisiert. Diese Raumgenauigkeit und der geringe Energiebedarf der Sender, in der Regel hält die Batterie über zwei Jahre, zeichnen die Schlüsseltechnologie Bluetooth aus. Die Ausstattung einer Klinik geht denkbar einfach in drei Schritten: Zunächst wird ein digitales 3-D-Modell der Klinik von uns erstellt, dann alle Räume mit Empfängern und alle Geräte mit Sendern ausgestattet. Da die Empfänger lediglich eine Steckdose und WLAN benötigen, konnten wir auch grössere Kliniken mit 600 Betten in drei Tagen ausstatten. Zum Schluss legen wir in der Software die Nutzer an, die die Spitäler wünschen, und schon kann die Software genutzt werden. Mit dem Basisprodukt simplinic NET kann jedes Spitalbett, jedes Ultraschallgerät, jede Infusionspumpe, jedes Medizingerät, künftig aber auch jeder Patient lokalisiert werden. Die Grundlage, um Prozesse mit einem Klick zu koordinieren.
Case Study 1: Automatische Disposition der Entlassreinigung macht reine Betten 20 bis 40 Prozent schneller verfügbar
Mit unserem Entwicklungspartner, den Sana-Kliniken, haben wir ein sehr spezielles Problem aus dem Spitalalltag gelöst: Die Disposition der Entlassreinigung. Während diese früher mit einem fixen Routenplan der Reinigungskräfte oder telefonischer Disposition erfolgte, haben wir diesen Prozess komplett digitalisiert und automatisiert. Die Pflegekraft meldet in der simplinic App nach der Entlassung eines Patienten dessen Bett unrein. Diese Meldung wird von einem Algorithmus verarbeitet und steuert die Reinigungskräfte bedarfsgerecht durch das Haus. Da dieser Algorithmus Wegstrecken und Stockwerkwechsel berücksichtigt, sind enorme Geschwindigkeitsvorteile messbar. Mit simplinic konnte die Zeit, in der Betten wieder rein für neue Patienten zur Verfügung stehen, um 20 bis 40 Prozent reduziert werden. Und dass, obwohl weder mehr Personal eingesetzt wurde oder das vorhandene Personal aufwendig geschult werden musste.
Case Study 2: Transparenz von Schwerlastbetten vermeidet unnötige Investitionen
Besonders klar wird der Wert von Bluetooth in einem Anwendungsfall eines Spitals in Nordrhein-Westfalen, in dem Pflegende ständig auf der Suche nach einem verfügbaren Schwerlastbett für adipöse Patienten waren. Auch hier war der «Goldstandard» der Koordination das Dect-Telefon. Die Einführung von simplinic erlaubt die Lokalisierung aller Geräte per App, inklusive der speziellen Klasse von Schwerlastbetten. Eine Nutzungsanalyse konnte aufzeigen, dass die Auslastung keine Investition in weitere Betten rechtfertigt. Es konnte sogar aufgezeigt werden, an welchen Tagen die gefühlte Knappheit entstanden ist, da an diesen Tagen zehn von elf Betten belegt waren. Genau die Bluetooth-Echtzeitlokalisierung erlaubt Pflegenden, jederzeit ein benötigtes Bett im Spital zu finden. Und Medizintechnik-Verantwortliche können das Geräteportfolio optimal am tatsächlichen Bedarf auslasten und gegebenenfalls sogar reduzieren, um Kostenvorteile zu realisieren.
Spitäler wollen das Ökosystem, keinen Monolith
Wir reden fast täglich mit Anwendern über die Weiterentwicklung unserer Produkte. Dabei sind zwei Dinge von grosser Bedeutung: Da die Anzahl der Medizingeräte, die vom Hersteller bereits mit Bluetooth ausgestattet sind, ständig wächst, steigt auch die Anzahl der möglichen Anwendungen. So arbeiten wir gerade an der Integration von Gasflaschen mit digitalen Ventilen, die nicht nur lokalisiert werden können, sondern die auch gleich den Füllstand übermitteln. Damit wird die Supply Chain digital.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit dem Tracking dementer Patienten, der mobilen Überwachung von Vitalparametern, der automatischen Disposition der Patientenlogistik oder der digitalen Supply Chain von OP-Sterilisationen. Da wir nicht alle Anwendungen selbst bauen wollen, binden wir Medizintechnikhersteller und Softwarepartner ein, damit diese ihre eigenen Lösungen durch die Bluetooth-Infrastruktur verbessern können. Die Vielfalt ist allerdings kein Monolith. Spitäler möchten, wie es Thomas Lemke, CEO der Sana, formuliert, «Herrscher ihrer Prozesse bleiben», also herstellerunabhängig. Und genau diesen Anspruch möchten wir unterstützen mit einem Ökosystem, das Spitälern hilft, Abläufe wirtschaftlich und mitarbeiterfreundlich zu automatisieren und damit das gesamte Potenzial von Bluetooth und der Digitalisierung für die Patientenversorgung zu nutzen.
Tobias Meixner sammelte vor dem Einstieg bei simplinic im Jahr 2019 fast 20 Jahre Erfahrung in der digitalen Strategieberatung (Pixelpark AG) und im Gesundheitswesen (Helios Kliniken). Bei Helios war er Spitalgeschäftsführer und verantwortlich für die Unternehmenskommunikation und das Marketing. 2015 gründete er helios.hub, das erste Accelerator-Programm für Digital Health Start-ups einer Spitalgruppe in Europa und baute die smart Helios GmbH als Geschäftsführer auf.
FachPack
Europäische Fachmesse für Verpackung, Technik, Veredelung und Logistik
Datum: 24.-26. September 2024
Ort: Nürnberg (D)