«Wir wollen in den Altersheimen Qualität und Effizienz steigern»


Altersheime stehen heute unter enormem Kosten- sowie Leistungsdruck und müssen sich selbst fit für die Zukunft trimmen. Im Interview erzählt Johannes Kleiner, wie er sich dieser Herausforderung mit zwei Altersheimen in Baar stellt. Als Geschäftsführer restrukturiert er gegenwärtig die beiden Betriebe – und macht neue Trends aus: Betreutes Wohnen wird die traditionellen Altersheime ablösen. Und: Integrierte Mitarbeiter teams sind näher am Bewohner und arbeiten effektiver.


Interview: Christoph Hämmig

Sie führen die Altersheime Baar, welche zwei örtlich auseinanderliegende Altersheime umfassen. Wo liegt dabei die grösste Herausforderung?
Johannes Kleiner: Einerseits will man Synergien nutzen, andererseits sollen in jedem Haus die jeweilige Kultur und die Eigenheiten bewahrt werden. Die Herausforderung liegt darin, dabei die ausgewogene Mitte zu finden, ohne eines der Häuser zu bevorzugen oder zu vernachlässigen und ohne die persönliche Identität vereinheitlichen zu wollen.

Welche Pendenz liegt gegenwärtig zuoberst auf Ihrem Pult?
Johannes Kleiner: Im letzten Jahr haben wir ein grosses Projekt gestartet, dem wir den sinnigen Titel «Zytreis» gegeben haben. Dabei verfolgen wir das Ziel, an der gegenwärtigen Struktur nötige Anpassungen vorzunehmen. Zusammen mit dem auf solche Projekte spezialisierten Unternehmen Curanovis haben wir die Aufgabe angepackt. Unter an derem geht es um folgende Fragen: Wie viel Arbeitszeit wenden wir für welche Bewohner auf? Wie ist die Qualität unserer Arbeit? Wie können wir die Häuser effizienter und kostengünstiger führen?

Wie lautet das erste Fazit?
Johannes Kleiner: Vorausschicken möchte ich, dass wir uns noch mitten im Prozess befinden. Nach den ersten Projektmonaten zeichnet sich jedoch klar ab, dass beispielsweise die Bewohnerstruktur und die Zusammensetzung unserer Teams nicht optimal sind. Die jetzigen Strukturen erweisen sich teilweise als ineffizient. Die Zeit, die wir für unsere Tätigkeiten aufwenden, kommt den Bewohnern zu wenig gezielt zugute.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Johannes Kleiner: Effizient arbeiten können wir dann, wenn die Bewohner nach ihren Bedürfnissen und Anforderungen ans Personal zusammengefasst und strukturiert in unseren Häusern wohnen. Heute ist das nicht der Fall. Die Bewohner sind – ungeachtet dessen, ob sie viel oder wenig Betreuung benötigen – im ganzen Haus verteilt. Weil wir nicht nur ein Altersheim, sondern auch ein Pflegeheim sind, ist das gesundheitliche Gefälle der Bewohner besonders gross. Darum macht es Sinn, wenn die Bewohner, die keine oder wenig Pflege brauchen, beispielsweise im Erdgeschoss wohnen würden, Bewohner mit mittleren Pflegeanforderungen im ersten Stock etc. Dann können wir unser Personal je nach Ausbildung und Qualifikationsgrad gezielt auf die unterschiedlichen Gruppen abstimmen und Teams bilden, welche die Arbeit effizienter, zielgerichteter und zeitsparender erledigen können.

Wo befinden Sie sich auf der Zeitachse des Projekts «Zytreis» jetzt?
Johannes Kleiner: Im Mai 2013 haben wir mit der Analyse begonnen, und ab 1. Oktober dieses Jahres beginnen wir mit der Umsetzung. Die Führungskräfte sind in das Projekt seit längerer Zeit eingebunden. Ende April 2014 haben wir das Personal informiert, zu einem späteren Zeitpunkt folgt die Information an die Bewohner und deren Angehörige. Wir haben für die Bewohner drei Kategorien von unterschiedlich intensiver Pflege und Betreuung gebildet.

Was bedeutet das für die Mitarbeitenden?
Johannes Kleiner: Wir beschäftigen gesamthaft 215 Personen, die sich in 115,5 Stellen teilen. Die 20 Lernenden sind nicht im Stellenplan eingerechnet. Von den Pflegenden sind rund 60 Prozent diplomierte Pflegefachleute, 40 Prozent sind Assistenzpersonal. Künftig kümmern sich die hochqualifizierten Mitarbeitenden um Bewohner, die spezifische Bedürfnisse haben. Für noch rüstige Senioren braucht es anders qualifiziertes Personal. Auch hier wollen wir einen neuen Trend setzen, indem wir die Pflege herausnehmen und nur noch «Spitin-Leistungen» erbringen. Das bedeutet, die Pflegeleistungen werden punktuell und gezielt von einer anderen internen Basis aus erbracht. Diese an sich logische Ausrichtung hilft uns, dass wir künftig günstiger arbeiten und gleichzeitig in die Qualität investieren.

Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Johannes Kleiner: Es gibt natürlich Wechsel in Funktionen, vereinzelte Funktionen werden aufgehoben, dafür neue geschaffen. Nun geht es darum, dass die Führungspersonen ihre Teams neu zusammenstellen und die neuen Abläufe definieren. Das Geschäftsleitungsgremium wird gleichzeitig von aktuell sieben auf neu vier Mitglieder verschlankt.

Werden auch neue Stellen geschaffen?
Johannes Kleiner: Ja, auf jeden Fall. Die Neustrukturierung nach Bewohner-Zonen und integrierten Teams umfasst künftig auch neue Stellen wie Qualitätsmanagement, Ombudsstelle und Unternehmensentwicklung.

Wie gross werden die Einsparungen konkret sein, wenn die «Zytreis» dereinst umgesetzt sein wird?
Johannes Kleiner: Das Hauptziel ist nicht primär, kostengünstiger zu werden. Hauptsächlich geht es darum, die Zeit besser einzusetzen, die uns zur Verfügung steht. Daraus resultieren schlussendlich kostengünstigere Arbeitsprozesse.

Umfasst die Neustrukturierung auch den Gastronomie- und Küchenbereich?
Johannes Kleiner: Ja. Diesbezüglich setzen wir Veränderungen in einer zweiten Etappe auf den Februar 2015 um. Wir wollen zwei Ziele erreichen: Einerseits geht es um die Speisesäle. Im Martinspark haben wir beispielsweise auf allen drei Stockwerken einen eigenen Speisesaal, wofür es verhältnismässig viel Personal braucht, weil die Einheiten mit 20 bis 25 Bewohnenden eher klein sind. Wir prüfen nun die Zusammenlegung von Speisesälen. Stand heute würden wir einen Saal mit dem öffentlichen Restaurant «Park Café» fusionieren. Das bündelt einerseits Arbeitskräfte, andererseits schafft das für einen Teil der Bewohner ein ganz anderes Ambiente und verstärkt das Gefühl, Gast zu sein. Darüber hinaus werden wir auf den genannten Zeitpunkt für die Bewohner Wahlmenüs anbieten und so für ein grösseres Angebot sorgen.

Wird an jedem Standort separat gekocht, oder wird das zentral für beide Häuser abgewickelt?
Johannes Kleiner: Wir kochen für beide Altersheime zentral im Martinspark. Die Speisen werden vorproduziert und schockgefrostet und kurz vor den Essenszeiten mit Steamern regeneriert. Das System der «Kalten Linie» hat sich bei uns sehr bewährt. Das Essen ist insgesamt gesünder, weil die Vitamine dank dem Schockfroster erhalten bleiben. Die Technik der Steamer hat sich in den letzten rund 20 Jahren gewaltig verbessert – und entsprechend die Qualität der Speisen! Die Küche verfügt übrigens über 10,6 Stellen plus vier Lernende. Insgesamt arbeiten 18 Personen in diesem Bereich, davon sind sieben ausgebildete Fachkräfte.

Worauf achtet der Küchenchef betreffend Qualität?
Johannes Kleiner: Wir investieren viel in die Marktfrische. Die Vielfalt der Menügestaltung sowie die Berücksichtigung saisonaler Angebote wie Spargeln oder Kirschen erhalten eine zentrale Rolle.

Zurück zu den Altersheimen. Wird sich künftig das Angebot der beiden Häuser ändern?
Johannes Kleiner: Wie eingangs erwähnt, hat jedes der Häuser eine eigene Identität. Das Altersheim Bahnmatt strahlt eher einen dörflichen Charakter aus, der Martinspark ein städtisches Ambiente. Wer sich für ein Altersheim anmeldet, wählt ganz bewusst den einen oder anderen Typ aus. Aus diesem Grund bieten wir in beiden Häusern den gleichen Service an. Ändern wird sich einzig, dass wir Bewohner mit demenzieller oder mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen im Bahnmatt zentralisieren werden, weil sie eine spezifische und hochqualifizierte Betreuung und ein entsprechendes Umfeld benötigen.

In beiden Häusern zusammen bieten Sie 155 Betten an. Wie gut ist die Auslastung?
Johannes Kleiner: Bis im letzten Jahr war die Bettenauslastung nicht befriedigend. Es zeigte sich zunehmend schwieriger, die Doppelzimmer zu belegen, weil sich die Nachfrage verändert hat. Mit verschiedenen Marketingmassnahmen ist es uns gelungen, die Auslastung zu verbessern. Wir haben eine eigene Hauszeitung lanciert, die Homepage erneuert, ein Kurzvideo gedreht und führen Hausführungen durch. Das alles hilft, die Angebote bekannter zu machen. Die Nachfrage nach Einzelzimmern ist inzwischen gut, und diejenige nach Betten in Doppelzimmern bleibt tendenziell rückläufig.

Der Martinspark steht vis-à-vis vom Bahnhof. Wie wirkt sich diese Zentrumslage auf die Bewohner aus?
Johannes Kleiner: Viele Bewohner machen davon Gebrauch, dass sie schnell und unkompliziert eigene Besorgungen machen können. Grundsätzlich ist es richtig, dass alte Menschen ins Ortsleben integriert und nicht ausgegrenzt werden. Positiv wirkt sich auch unser öffentliches Restaurant aus, in dem regelmässig Geschäftsleute, aber auch Passanten oder Angehörige zum Mittagessen kommen. Auf der anderen Seite haben wir Räume zu vermieten, in denen Vereinsanlässe, Generalversammlungen, Seminare und Bankette stattfinden. Das bringt uns zusätzliche Einnahmen, Leben ins Haus und unterstützt die Öffnung der Heime nach aussen!

Wie gut sind Sie generell darüber im Bilde, welche Bedürfnisse Ihre Kunden respektive Bewohner haben?
Johannes Kleiner: Das ist ein wichtiger Aspekt. Speziell für diesen Bereich haben wir einen sogenannten Bewohnerrat ins Leben gerufen. In diesem Rahmen können die Bewohner ihre Wünsche äussern, Ideen einbringen und Fragen stellen. Im April tagte der Bewohnerrat zum ersten Mal – und er wird nun in einem regelmässigen Rhythmus zusammenkommen.

Wie werden sich die Bedürfnisse und Anforderungen der Heime in den nächsten zehn Jahren verändern?
Johannes Kleiner: Die erste Veränderung zeigt sich bereits jetzt: Der Heimbereich ist zu einem Markt geworden. In vielen Orten übersteigen die Angebote die Nachfrage. Noch vor zehn Jahren wurden die Altersheime totgesagt, was sich aber nicht bewahrheitete. Das zeigt notabene auch auf, wie schwierig es ist, Prognosen zu stellen. Fakt ist: Der Druck hat zugenommen, Altersheime müssen heute flexibel, wirtschaftlich und innovativ sein. Und: Der Trend zu betreutem Wohnen wird künftig zunehmen.

Wie reagieren Sie auf diesen Trend?
Johannes Kleiner: Wir werden das Altersheim Bahnmatt durch einen Neubau ersetzen. Darin werden wir 80 Pflegezimmer einrichten und Alterswohnungen, welche ein betreutes Wohnen mit individuellen Leistungen ermöglichen. Das neue Bahnmatt wird in Etappen gebaut. Es soll 2023 bezogen werden und wird das bisherige, traditionelle Altersheim ablösen.

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Weltweit führende Fachmesse für Drucktechnologien

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Bezugsquellenverzeichnis