Die Führung und die Pflege von Kundenbeziehungen gilt für Unternehmen als Existenz- und Zukunftssicherung. Wer seine Kunden nachhaltig betreut, sichert sich also Wettbewerbsvorteile. Die branchenweite Fluktuation im Schweizer Gesundheitswesen liegt bei über 15 Prozent. Für viele medizinische Berufe ist ein Fachkräftemangel zu spüren, der sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Das Kantonsspital Aarau (KSA) verbindet mit den Talentpools den Customer-Relationship-Ansatz in der Personalgewinnung. Der oder die Bewerbende wird somit zum Kunden/zur Kundin.
Silver Medallists und Talentpooling
Es ist üblich, dass Pflegefachkräfte im Gesundheitswesen Schnupper- oder Probetage absolvieren und so einen ersten Einblick beim potenziellen Arbeitgeber gewinnen. Während diesem Tag erfolgen mehrere Gespräche, eine Teamvorstellung und somit ein gründliches gegenseitiges Kennenlernen beider Parteien mit einem verbindlichen Lohnvorschlag. Entscheidet sich der oder die Bewerbende für ein anderes Spital oder das Unternehmen für eine andere Kandidatin oder einen anderen Kandidaten, wird eine Aufnahme in einen Talentpool in Erwägung gezogen.
Talentpool-Prozessschritte
Talentpool-Einwilligung
- Die Datenschutzbestimmungen sehen eine ausdrückliche Kandidateneinwilligung vor. Wird diese Einwilligung nicht erteilt, müssen sämtliche Bewerbungsunterlagen nach abgeschlossenem Prozess gelöscht werden. Wie funktioniert der KSA Talentpool?
- Die systematische und professionelle Kandidatenbetreuung ist das Herzstück des Talentpools. In diesem Schritt wird erläutert, wie der KSA Talentpool funktioniert. Es geht dabei um diese Fragestellungen: Poolverweildauer, Kommunikation, Poolausscheidungskriterien, Vakanzenmatching Periodizität der nächsten Schritte usw.
- Geografische und fachliche Präferenzen
- Um ein passendes Matching zu erreichen, werden die geografischen (Arbeitsort) und die fachlichen Präferenzen seitens Kandidaten aktiv erfragt und hinterlegt. Am Beispiel von Pflegefachkräften können es möglicherweise unterschiedliche Fachbereiche sein wie die Medizin oder die Chirurgie und die Angabe des gewünschten Arbeitsorts oder von mehreren Arbeitsorten bei mehrfachen Standorten des Unternehmens. Beschäftigungsgrad und gewünschtes Eintrittsdatum
- Der Beschäftigungsgrad und das gewünschte Eintrittsdatum sind abschliessende Informationen, die erlauben, ein genaueres Bild des Kandidatenprofils zu hinterlegen. Umso präziser diese Daten erfasst werden, desto einfacher können potenzielle Stellenangebote ermittelt werden. Nächste Kontaktaufnahme, Kommunikationsart und weitere Schritte
- Das Datum der nächsten Kontaktaufnahme und die Kommunikationsart garantieren die Kandidatenanonymität und eine einfachere Kontaktaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Kandidaten-Kontaktaufnahme sowie ein Vakanzen-Screening und -Matching erfolgen monatlich. Es ist essenziell, die Talentpool-Kandidatinnen und -Kandidaten über diese nächsten Schritte zu orientieren.
Talentpool-Performance und Steigerung der Employer Reputation
Die Hardfacts sind einleuchtend: Die Talentpool-Performance kann mit erfolgreichen Anstellungen und Vermittlungen gemessen werden. Werden im Durchschnitt ein bis zwei Kandidaten aus den Talentpools pro Jahr angestellt, sind die Arbeitsstunden der internen Prozesse vollständig gedeckt. Weitere Argumente für eine Befürwortung dieser einfachen und zweckmässigen Rekrutierungsquelle ist die Verbesserung der Employer Reputation durch eine verbesserte Candidate Experience während und nach dem Rekrutierungsprozess.
Sinn und Unsinn von Active Sourcing im Gesundheitswesen
Abwerbende Tätigkeiten sind in vielen Branchen ein No-Go, insbesondere, wenn HR-Abteilungen die Kontaktaufnahmen für die Fachbereiche durchführen. Die Praxis bestätigt jedoch die Ausnahme: Direktansprachen sind eine Realität und auch legitim. Es ist einleuchtend, dass ein Vorgesetzter nicht abgeneigt ist, den bestmöglichen Kandidaten für sein Team zu kontaktieren, obschon er für die Konkurrenz tätig ist.
Das Potenzial von Social Media
Nebst Xing und Linkedin als klassische Businessnetzwerke für den Netzwerk- und Contentaustausch sind heute viele Pflegefachkräfte und Mediziner/innen auf Facebook, Instagram und vermehrt auf Tiktok zu finden. Der Fokus zwischen Beruf- und Privatleben verschmilzt und private Aktivitäten, politische und soziokulturelle Meinungen werden sowohl in privaten wie auch in Business-Netzwerken geteilt. Talente zu identifizieren, ist viel einfacher geworden: Wir alle hinterlassen im Internet zahlreiche Spuren unserer Präsenz mit unserem Klick- und Onlineverhalten. Hinzu kommt, dass viele MitarbeitendenFotos sowohl online wie auch physisch vor Ort oder online für Dritte einfach zugänglich sind.
Wie sich das Head-Hunting-Geschäft verändert hat
Ist die Kandidatenidentifikation einfacher geworden, wird das Head-Hunting-Geschäft transparenter. Unternehmen können besser abschätzen, wo und wie sie ihre Talente suchen und welche Teilprozesse sie selber übernehmen und welche an externe Partner delegiert werden. Diese Entwicklung begegnet das Kantonsspital Aarau mit dem Wegfall von Exklusivmandaten hin zu mehr aufwandbasierten Suchaufträgen an Headhunter. Active Sourcing-Prozesse werden somit agiler und können prozessual individuell gestaltet werden. Die Kosten für das Unternehmen werden bei einer verbesserten Dienstleistung in einer grösseren Flexibilität weitgehend halbiert. Dieser Active-Sourcing-Prozess wird im Kantonsspital Aarau erfolgreich angewendet und umfasst die nachfolgenden Schritte:
- Bestimmung der Zielgruppe durch Anwendung von Keywords (Beispielsweise für Pflegefachkräfte: Diplomierte/r Pflegefachfrau/-mann, Diplomierte Pflegefachkraft, Krankenpfleger/in, examinierte Krankenpfleger/in, Krankenschwester)
- Eingrenzung der Suchergebnisse nach Standort
- Talentidentifikation und Zuweisung in Pools und Entstehung einer Longlist
- Bereinigung der Longlist
- Erstellen einer Shortlist
- Kontaktaufnahme durch externen Partner
- Einbindung der Kontaktaufnahme im ordentlichen Rekrutierungsprozess
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Active Sourcing zielführend ist. Entscheidend ist die Ausgestaltung der einzelnen Prozessschritte mit einem Prozessowner. Um imageschädigende Konsequenzen zu vermeiden, engagiert das Kantonsspital Aarau bei der Direktansprache externe Headhunter. Es ist nicht auszuschliessen, dass mehrere Partner für unterschiedliche Zielgruppen bestimmt werden, da die Direktansprache von Pflegefachkräften anders im Vergleich zur Direktansprache von Ärztinnen und Ärzten ist.