Zu Beginn werden im EPD vor allem Unterlagen im PDF-Format ausgetauscht, doch schon bald lassen sich auch interaktive Formate in die EPD-Plattform einbinden. Damit können beispielsweise Ärztinnen und Ärzte oder Apothekerinnen und Apotheker die Übersicht der aktuellen Medikation ihrer Patientinnen und Patienten direkt im EPD anpassen. Je mehr Menschen ein EPD eröffnen und ihre Behandelnden bereit sind, die wichtigsten Unterlagen im Dossier abzulegen, desto grösser ist der Nutzen des EPD. Ziel ist es, dass alle Gesundheitsfachpersonen, die eine Patientin oder einen Patienten betreuen, jederzeit Zugriff auf die gleichen Informationen haben. Damit wird der Informationsfluss in einer Behandlung besser und effizienter.
Höhere Behandlungsqualität und Patientensicherheit
Das EPD funktioniert in der ganzen Schweiz über die Kantonsgrenzen hinaus und auch zwischen den verschiedenen EPD-Anbietern. Dadurch stehen Gesundheitsfachpersonen wichtige Patienteninformationen digital zur Verfügung. Dies erhöht die Sicherheit einer Therapie und senkt das Risiko von Fehlentscheiden. Unnötige oder doppelte Behandlungen, potenziell gefährliche Wechselwirkungen oder eine Fehlmedikation können vermieden werden. Deborah Brogle, Pflegeexpertin Neurologie/Neurochirurgie am Kantonsspital St. Gallen ist überzeugt, dass das EPD den interprofessionellen Austausch erleichtert: «Wer auf digitale Transformation setzt, kann im analogen Leben besser helfen.»
Mit dem EPD können sich auch die Patientinnen und Patienten aktiver in den Behandlungsprozess einbringen und haben damit die Möglichkeit, ihre Therapietreue zu verbessern. Davon profitiert langfristig das gesamte Gesundheitssystem.
Dokumente, die Gesundheitsfachpersonen im EPD hinterlegen können:
• Aktuelle Medikationsliste
• Spitalaustrittsbericht nach einer Operation
• Pflegebericht der Spitex
• Aktueller Impfausweis
• Angaben zu bekannten Allergien
• Röntgenbefunde
Zur besseren Übersicht können Dokumente im EPD nach verschiedenen Kriterien sortieren oder gefiltert werden: zum Beispiel nach dem Entstehungsort (Name des Spitals, Arztpraxis usw.) oder nach der medizinischen Fachrichtung («Chirurgie», «Radiologie» oder «Pädiatrie»).
Zugriffsrechte, Vertraulichkeitsstufen und Stellvertretung
Patientinnen und Patienten entscheiden selbst, welche Gesundheitsfachperson oder welche Gruppe von Gesundheitsfachpersonen welche Dokumente in welchem Zeitraum einsehen darf. Medizinische Dokumente im EPD können einer von drei Vertraulichkeitsstufen zugeordnet werden: «Normal zugänglich», «Eingeschränkt zugänglich» oder «Geheim». Patientinnen und Patienten können einen Stellvertreter für die Verwaltung ihres EPD bestimmen. Die stellvertretende Vertrauensperson kann auch eine Gesundheitsfachperson sein.
Im Notfall sofort verfügbar
In einem medizinischen Notfall kann jemand bewusstlos oder nicht ansprechbar sein. Aber genau in diesem Moment können Informationen wie Allergien, Medikation oder bekannte Krankheiten sehr hilfreich sein. Das EPD erlaubt Gesundheitsfachpersonen in dieser Ausnahmesituation den Zugriff auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Patientin oder des Patienten. Die Patientinnen und Patienten werden automatisch nachträglich über den Zugriff informiert. Dies geht zum Beispiel per E-Mail oder SMS. Darüber hinaus wird der Notfallzugriff deutlich im Zugangsprotokoll vermerkt.
In 6 Schritten zum EPD
Um am EPD teilzunehmen, müssen sich Gesundheitsfachpersonen einem EPD-Anbieter, auch Stammgemeinschaft genannt, anschliessen und einen Eintrittsprozess durchlaufen.
1. Wahl des EPD-Anbieters
Gesundheitsfachpersonen müssen sich einem zertifizierten EPD-Anbieter anschliessen und können diesen grundsätzlich frei wählen. Manche Kantone und Berufsverbände haben Empfehlungen für die Wahl eines Anbieters herausgegeben.
2. Aufnahmeprozess
Es ist immer eine Gesundheitseinrichtung, die sich der Stammgemeinschaft anschliesst, und nicht eine Einzelperson. Eine Pflegefachfrau beispielsweise beteiligt sich am EPD über den Anschluss des Spitals, in dem sie arbeitet. Der gewählte Anbieter informiert über das spezifische Anschlussverfahren.
3. Health Provider Directory (HPD)
Das «Health Provider Directory» (HPD) ist das nationale Verzeichnis der Gesundheitsorganisationen und Gesundheitsfachpersonen, die als EPD-Teilnehmende registriert sind. Im Verzeichnis kann überprüft werden, ob ein Leistungserbringer technisch an das EPD angebunden ist. Die Stammgemeinschaften können dem Leistungserbringer einen Nachweis darüber ausstellen, dass er im HPD registriert und somit dem EPD angeschlossen ist.
4. Erfassung im EPD-Teilnehmerverzeichnis
Sobald Gesundheitsfachpersonen beim EPD angemeldet sind, werden sie im EPD-Teilnehmerverzeichnis erfasst. So können Patientinnen und Patienten diese in ihrem EPD einfach und schnell finden und bei Bedarf das Zugriffsrecht erteilen.
5. Technischer Anschluss an das EPD
Der Zugang zum EPD ist entweder über eine Zugangswebseite oder direkt über die eigene Behandlungssoftware von Gesundheitsfachpersonen möglich. Gesundheitsfachpersonen müssen sich für eine der nachfolgenden Anschlussmöglichkeiten entscheiden.
Anschluss über das Zugangsportal des EPD-Anbieters:
Diese Anschlusslösung erfordert keine technische Integration. Die Dokumente werden manuell in das EPD importiert. Die Anschlusslösung eignet sich als Überganslösung oder für Organisationen, die nur eine geringe Anzahl elektronischer Patientendossiers bedienen.
Anschluss über das eigene Informationssystem:
Diese Anschlusslösung erfordert eine technische Integration und erfolgt über das eigene Informationssystem. Die Daten werden automatisch im EPD gespeichert, es muss nicht zwischen zwei Schnittstellen gewechselt werden. Umgekehrt können die Daten des EPD im eigenen IT-System gespeichert und wiederverwendet werden. So haben Gesundheitsfachpersonen jederzeit Zugriff auf relevante Patienteninformationen während der Behandlungsdauer. Voraussetzung für diese sogenannt «tiefe Integration» sind Anpassungen am eigenen Informationssystem durch den Informatikpartner. Diese Anschlusslösung an das EPD eignet sich für Organisationen, die regelmässig damit arbeiten.
6. Anwendung des EPD im Alltag
Die Anwendung des EPD bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten erfordert auch eine Anpassung der organisatorischen Abläufe. Insbesondere muss das Personal so geschult werden, dass es das EPD anwenden kann und die entsprechenden Vorgaben beim Datenschutz einhält. Wenn ein Patient oder eine Patientin über ein EPD verfügt, müssen zudem die sachdienlichen Unterlagen zu dieser Person regelmässig im EPD abgelegt werden.
Strukturierten Daten erleichtern künftig den Informationsaustausch
Derzeit ist es möglich, folgende Formate im EPD abzulegen:
• Dokumente: PDF, TXT, CSV, XML
• Bilder: JPEG, PNG, TIFF
• Audio und Video: MP3, MP4, MPEG, GIF
Bis Ende 2023 kommt der elektronische Impfausweis als erstes strukturiertes Format hinzu. Bis Mitte nächsten Jahres wird der Medikationsplan integriert. Das Format zur strukturierten Erfassung von Allergien sowie das elektronische Rezept befinden sich derzeit in Entwicklung. Später sind weitere Formate wie der elektronische Überweisungsbericht oder der elektronische Notfallausweis geplant.
Strukturierte Daten beinhalten Austauschformate, die den einfachen, medienbruchfreien Informationsaustausch zwischen verschiedenen IT-Systemen der Gesundheitsfachpersonen ohne spezielle Absprachen ermöglichen. Im Unterschied zu unstrukturierten Dokumenten (zum Beispiel im PDF-Format) ermöglichen Austauschformate eine weitgehend automatische Weiterverarbeitung und korrekte Interpretation durch das empfangende System ohne händische Interaktion.
Impfausweis
Durch den Wegfall von meineimpfungen.ch im Mai 2021 gibt es in der Schweiz keinen national verfügbaren digitalen Impfausweis mehr. eHealth Suisse hat per Ende 2022 das Impfmodul für das EPD entwickelt. Die (Stamm-)Gemeinschaften können nun diese Software in ihre EPD-Systemlandschaft installieren und betreiben. Das Impfmodul ermöglicht die benutzerfreundliche Anzeige des Impfdossiers in maschinenlesbarem Format und in Form eines Zusammenzugs: Dem Impfausweis. Zudem gibt es im Impfmodul eine Eingabemaske, mit der Nutzerinnen und Nutzer sowie Gesundheitsfachpersonen Impfungen direkt im EPD erfassen und abspeichern können. Bis Ende 2023 wird der Impfausweis im EPD allen EPD-Teilnehmenden zur Verfügung stehen.
Bundeskampagne «Das EPD wirkt.»
Der Bund lancierte Ende Juni 2023 zum EPD eine Partnerkampagne des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und den Kantonen. In einer ersten Phase werden die Gesundheitsfachpersonen angesprochen, bevor im Laufe des Jahres 2024 die breite Bevölkerungsinformation startet.
Ein möglichst umfassender und flächendeckender Einsatz des EPD mit möglichst wenig Lücken ist wichtig. Je mehr mitmachen und jederzeit Zugriff auf die gleichen Informationen haben, desto besser und effizienter wird der Informationsfluss in einer Behandlung. Gesundheitsfachpersonen können Teil der Kampagne sein und Informationsmaterial für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder ihre Patientinnen und Patienten bestellen: https://www.patientendossier.ch/epd-publikationen.