18 600 Besuchende, rund 800 Ausstellende und mehr als 350 Speaker aus dem In- und Ausland – die DMEA in Berlin, Europas führendes Event für Digital Health, war das Highlight der europäischen Gesundheitsbranche im April. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach verdeutlichte die Chancen der Digitalisierung für das Gesundheitswesen: «KI wird helfen, Krankheiten früher zu erkennen und zu prognostizieren. Wir werden das Wissen schneller in die Versorgung bringen. Und KI macht Forschung besser. Dadurch verstehen wir die Sprache der Proteine.» Darauf ist Lauterbach in seiner Keynote am ersten Messetag eingegangen. Die Geschäftsführerin des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg e. V.) sagte: «Von der DMEA geht ein unglaublicher Spirit aus. Die Ausstellenden zeigen tolle Anwendungen, um mit digitalen Lösungen die Gesundheitsversorgung der Menschen zu verbessern, und die Besuchenden haben unglaubliche Lust, sich anzuschauen, was heute und in Zukunft möglich sein wird!»
Wenn die KI die lästige Dokumentation übernimmt
Wie lässt sich künstliche Intelligenz nutzen, wenn es nicht einmal flächendeckendes WLAN gibt? Wie begeistert man Menschen für technische Unterstützung, die doch extra einen Beruf gewählt haben fern vom PC? Und lässt sich Empathie nachahmen? Das sind nur einige der Fragen, über die in der Session «Künstliche Intelligenz in der Pflege – Vision oder Albtraum?» diskutiert wurden.
Zwar sei KI in der Medizin schon häufig im Einsatz, in der Pflege aber gebe es trotz eines Booms an Forschung eine grosse Implementierungslücke, was die praktische Anwendung anbelangt, sagte Prof. Dr. Daniel Fürstenau, Projektleiter KI in der Pflege am Institut für medizinische Informatik der Charité in Berlin. Gerade im Bereich Pflege mangle es auch an spezifischen Daten, um die künstliche Intelligenz zu trainieren.
Kommunikation ist entscheidend
Es müsse genau hingeschaut werden, wo die KI wirklichen Mehrwert bringe im Alltag der Pflegekraft und wo sie eher mehr Arbeit mache. Sobald ein System nicht sofort hundertprozentig funktioniere, sei schnell Ablehnung da, berichtete Oliver Schiefer, Geschäftsbereichsleiter IT, Digitalisierung, Projektmanagement und Forschung bei der Pflegewerk Managementgesellschaft mit rund 5000 Patienten an gut 30 Standorten. «Die Kommunikation mit Patienten, Angehörigen, Pflegenden, Ärzten ist entscheidend, nur so können wir dieser vielschichtigen Kundengruppe bei neuen Produkten die Skepsis nehmen», sagte Schiefer. Wichtig seien zudem interne Schulungen der Pflegekräfte, damit die Mitarbeitenden auch die Risiken und Schwächen der KI kennen.
Roboter, der durch Wände sieht
Ein Beispiel für die Anwendung von KI in der Pflege hatte Fernando German Torales Chorne mitgebracht. Er ist Mitgründer von Bearcover, deren Roboter «Oscar» via Radar selbst durch geschlossene Türen und durch Wände Position und Bewegung von Menschen in Pflegeheimen und Kliniken erfasst. Der Roboter navigiert selbstständig auf den Fluren von Pflegeheimen und Kliniken. Dabei erfasst er mit der Kamera unmittelbare Fluraktivität (betriebsfremde Personen und nachtaktive Bewohner und Patienten). Mittels Ultra-Wideband-Radar scannt er die Räume, um festzustellen, ob sich die Bewohnerinnen im Bett befinden, aktiv oder gestürzt sind. Wenn er eine meldewürdige Situation wahrnimmt, informiert er die Pflegekräfte via App über die Situation – eine grosse Unterstützung, vor allem bei Nachtdiensten.
Dokumentation mit KI erstellen
Bis zu 60 Prozent ihres Arbeitsalltags verbringen Pflegekräfte mit der Dokumentation ihrer Arbeit. Genau da setzt das Spracheingabe-Tool von Voize an. «Per Smartphone kann der Mitarbeiter zwischendurch aufsprechen, was er beim jeweiligen Patienten getan hat. Unsere KI erstellt daraus richtig strukturiere, grammatikalisch korrekte Dokumentationseinträge», erklärte Fabio Schmidberger, Co-Founder und CEO von Voize. Das erspart die aufwendige Dokumentation am Ende des Arbeitstages. Zudem kann man mit Voize nicht nur die Dokumentation erfassen, sondern auch die komplette Pflegeplanung, Stammdaten und den historischen Verlauf von Berichten und Vitalwerten direkt in der App einsehen. Auch der Wundverlauf kann direkt mit Wundfotos vom Smartphone aus erstellt werden. Und der integrierte Medikationsplan erlaubt es, diesen bei Arztvisiten direkt prüfen zu können. An knapp 400 Standorten ist das System bereits im Einsatz. Und es funktioniert auch offline, wenn es keine Internetverbindung gibt. «Wir wollen dank KI die Pflegekräfte vom Grossteil der administrativen Arbeit befreien, damit sie dann mehr Zeit für die Arbeit am Menschen haben», sagte Schmidberger. «Denn Empathie kann die künstliche Intelligenz bestenfalls nachahmen, nicht fühlen.»